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Wie kein anderer
Komponist ist Giuseppe Verdi (1813 - 1901) ein Tondichter der Freiheit
gewesen. Freiheit bedeutet für Verdi die Freiheit Italiens von Fremdherrschaft,
aber auch Freiheit des Volkes im Stil der Französischen Revolution
- Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Verdis Opern dienten diesem
Freiheitsstreben und der Emanzipation. Der Komponist hat dabei nicht nur
italienische Themen verwendet. Verdi unterscheidet sich darin von Richard
Wagner (1813 - 1883). Wagner hatte in seinen Hauptwerken, den Opern des
Ringes der Nibelungen, nicht die Emanzipation Deutschlands und des deutschem
Volkes von undefinierbaren geschichtlichen Wurzeln vor. Im Gegenteil,
er verband seine Musikkultur mit der schon damals vorhandenen Deutschtümelei,
ohne in der Lage zu sein, sie von den kulturellen und politischen Sumpfblüten
zu befreien. Verdi ist im Vergleich zu Wagner bis heute frischer geblieben.
Am Mittwoch, den 9. Februar sah und hörte ich in der Staatsoper Berlin,
Unter den Linden, Verdis Oper AIDA. Diese Oper war eine Auftragsarbeit,
bestellt für die Suez - Kanal - Einweihung 1870 von Ismael Pascha,
dem Vizekönig (Khedive) von Ägypten. Die Premiere fand erst
ein Jahr später in Kairo statt.
In dem Stück geht es um die Liebe des ägyptischen Heerführers
Radames zu der Sklavin Aida, die die Tochter des feindlichen äthiopischen
Königs ist. "Patria" - das Vaterland, ist Thema des Chores
der äthiopischen Gefangenen. Um das Vaterland geht es im Konflikt
zwischen Vater und Tochter; in der Dramatik des Geschehens gewinnt die
ganz persönliche Liebe von Radames und Aida erst, nachdem Radames
zum Verräter an seinem Volk und Herrscher, den Ägyptern, geworden
ist. Die Liebenden werden - Radames zur Strafe - lebendig begraben.
Die Inszenierung ist anfangs verwirrend. Sie beginnt nicht im Saal des
Königspalastes zu Nemphis, sondern in einem Museum mit einem Publikum,
wie es vielleicht Ende des 19. Jahrhunderts gekleidet war. Die Figuren
in den Vitrinen machen sich selbständig, wobei Radames fast ständig
die Kleidung eines europäischen Afrikabesuchers des 19. Jahrhunderts
trägt, mit Stiefeln und modifiziertem Tropenhelm. Der König
(Pharao) trägt ein Phantasie - Kostüm aus zwei goldfarbenen
umgestülpten Trichtern; was das bedeuten soll, habe ich nicht verstanden.
Wenn die Inszenierung in einem Museum beginnt, muü sie dort auch
enden. Aida und Radames verschwinden in einen riesigen Mumienkasten. Der
Tropenhelm geht dabei verloren.
Wenn eine Oper des 19. Jahrhunderts um jeden Preis, nur um dem Publikum
was Neues zu bieten, modernisiert wird, dann kommen manchmal seltsame
Einfälle auf die Bühne. Nur an der kräftigen, ausgezeichneten
und der Dramatik entsprechenden Musik wird nichts geändert - gottseidank.
Die Chöre, bei Verdi meistens ein kräftiges Ausrufungszeichen
der Handlung, waren meiner Meinung nach schwächer als sonst. Vielleicht
ist es auch dem verhältnismäüig kleinen Opernhaus anzulasten.
Sängerinnen und Sänger waren vorzüglich, das Orchester
ebenfalls. Das Parkett war gut besucht, die beiden Ränge vielleicht
zur Hälfte.
Ich saü 1. Rang links 5. Reihe. Ein schlechter Platz. Vom Hören
her (Akustik) hatte ich keine Probleme - aber das Sehen war schlecht.
Die Bühne ist weder in der Breite noch in der Tiefe von dieser Reihe
aus zu sehen (zu erfassen). Die deutsche Übersetzung der Gesangstitel,
die jetzt dankeswerterweise über der Bühne auf eine kleinen
L einwand erscheint, kann kaum von diesem Platz aus gelesen werden. Wenn
Sie also in diese Oper gehen, dann achten Sie darauf, daü Sie möglichst
Karten im Parkett, oder die Ränge Mitte, bei den Seitenrängen
nur die 1. Reihe, bekommen. So schön das Haus an der Straüe
Unter den Linden ist, so hat es auch seine Macken.
+ + +
Am 9. März sah ich im Berliner RENAISSANCE - THEATER Die Lissabonner
Traviata, ein Theaterstück von Terrence McNally. Was geboten
wurde ist gefälliges Boulevardtheater. Spöttisch vermerke ich,
daü es für eine deutsche Spielstätte von Bedeutung zu
sein scheint, daü ein us - amerikanischer Autor am Broadway gespielt
worden ist, und - die Spitze überhaupt - auch noch schwul ist. Damit
sind die Eckpfeiler öffentlicher Akzeptanz in Deutschland eigentlich
schon beschrieben. Wer da widerspricht, ist ein hoffnungsloser Spieüer
und - sogar - "ein Rechter".
Der Handlungsablauf ist so simpel wie dramatisch: schwule Paare haben
die gleichen Probleme wie heterosexuelle Paare, sie streiten sich, schlagen
sich, lieben sich und in diesem Fall - ja - da gibt es sogar einen Toten.
So kann es in den besten Familien passieren, und wer es sich von auüen
ansieht, kann lachen oder weinen; dem Publikum ist der blödeste Witz
recht, um zu lachen, und der schlimmste Tod wichtig, um den Atem anzuhalten
und sich selber als besonders moralisch vorzukommen.
Eine besondere Note erhält das Stück Die Lissabonner Traviata
in der Hommage auf Maria Callas. Die schwulen Pärchen laufen zur
Höchstform auf, wenn sie die wirklich einmalige Sopran - Stimme der
Ausnahme - Künstlerin Maria Callas hören. Das ist ein Gefühl,
welches ich sogar nachvollziehen kann. Wenn ich diese Stimme im Radio
höre, dann erzeugt sie bei mir ein groües Gefühl der Begeisterung
und Ehrfurcht vor einer naturgegebenen Begabung und eines menschlichen
Könnens.
Mir ist der Autor Terrence McNally bisher nicht begegnet. Laut Programmheft
ist er 1939 geboren, und, das gehört ja zum Klappern, ungeheuer erfolgreich.
Die vier Schauspieler Jörg Holm, Gerd Warneling, Stefan Reck und
Clemens Schick waren vorzüglich. Die Plätze waren, mitten in
der Woche, zu zweidrittel besetzt.
Kein
Mensch hat von Natur das Recht empfangen, andere zu regieren. Die Freiheit
ist ein Geschenk des Himmels, und jedes Individuum hat das Recht, sie
ebenso zu gebrauchen wie den Verstand. Wenn die Natur irgendwelche Autorität
schuf, so ist dies die elterliche. Aber auch die Macht der Eltern hat
ihre Grenzen, und sie hört im natürlichen Zustand von dem Augenblick
an auf, sobald die Kinder in der Lage sind, sich selbst zu leiten. Jede
andere Autorität ist anderen Ursprungs. Wenn man es recht betrachtet,
so kehrt man immer wieder zu zwei Urquellen zurück: entweder zur
Kraft oder Gewalt desjenigen, der sich der Autorität bemächtigte,
oder zur Zustimmung derjenigen, die durch einen vorausgesetzten oder tatsächlichen
Vertrag sich der Obrigkeit oder demjenigen, dem sie die Autorität
übertrugen, unterstellten.
Die Macht, die auf Gewalt beruht, ist nichts anderes als Usurpation. Sie
dauert nicht länger als der Zwang desjenigen, der befiehlt, den Sieg
über diejenigen davonträgt, die gehorchen. In dem Augenblick,
wo die letzteren die Oberhand gewinnen und das Joch abschütteln,
tun sie es mit demselben Recht, derselben Gerechtigkeit wie derjenige,
der ihnen Autorität aufzwang. Das gleiche Gesetz, welches die Autorität
erzeugte, zerstört sie auch; das ist das stärkste Gesetz!
Denis Diderot, französischer Schriftsteller (1713 - 1784)
+ + +
Es wird vielleicht so manchen Kulturbeflissenen befremden, wenn ich schreibe,
daü die Opera buffa, Die Hochzeit des Figaro,
Text nach Beaumarchais von Lorenzo da Ponte, ins Deutsche übertragen
von Walter Felsenstein, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart ein exzellentes
europäisch - politisches Bühnenstück ist. Über den
französischen Schriftsteller Pierre Augustin Caron de Beaumarchais,
geboren 1732 und gestorben 1799 steht in Knaurs Lexikon der Weltliteratur
u.a. folgendes: Bleibenden Ruhm haben ihm .. Der Barbier von Sevilla
und Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit eingebracht, in denen ein Bedienter
die Hauptrolle spielt. Die Stücke sind reich an Witz und ziehen die
Adelsgesellschaft in satirisch intellektueller Weise ins Lächerliche.
Obwohl sie sofort für sechs Jahre von der Zensur verboten wurden,
trugen sie dazu bei, daü die gärende politische Situation dieser
Zeit sich schlieülich in der Revolution entlud.
Die gärende politische Situation Ende des 18. Jahrhunderts war
nicht nur in Paris zu spüren. Vielleicht war es sogar so, daü
die Machthaber viel sensibler waren, als das gemeine Volk. Kaiser Josef
II, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, geboren
1741 und gestorben 1790, verbot 1785 in Wien die Aufführung des von
Schikaneder bearbeiteten Lustspiels von Beaumarchais. Trotzdem beauftragte
Monate später Mozart Lorenzo da Ponte mit der Abfassung eines Librettos
für eine Oper mit dem gleichen Stoff..
Über Da Ponte, geboren 1749 in Ceneda/Vittorio Veneto und gestorben
1838 in New York seht in Knaurs Lexikon der Weltliteratur u.a.
folgenden: Italienischer Opernliberettist, wegen seines anstöüigen
Lebenswandels und seiner Spottgedichte wurde er 1779 aus Venedig verbannt.
So verbanden sich zwei "Aufrührer" mit dem Komponisten
Mozart und daraus entstand dann die Opera buffa Die Hochzeit
des Figaro, ein Stück voller Aktion, Spannung und musikalischer
Intensivität. Die Uraufführung in Wien fand am 1. Mai 1786 satt
und es heiüt, daü Josef II. die Aufführung nur gestattete,
weil ihm die aufklärerischen Tendenzen des Werkes nur zu gut
in seine innenpolitischen Pläne paüten. Auf Veranlassung
des Kaisers wurde das Stück dann aber wieder sehr schnell vom Spielplan
in Wien gestrichen.
Ich sah die Oper Die Hochzeit des Figaro am 4. April d.J. in
der Komischen Oper zu Berlin in einer Inszenierung von Harry Kupfer. Die
Premiere dieser Inszenierung fand am 12. Dezember 1986 satt und ich sah
die 145. Aufführung. Es ist eine flotte, musikalisch wie auch schauspielerisch
ereignisreiche Aufführung, der ich noch viele Abende wünsche.
Allen Beteiligten gilt gleiches Lob. Die Vorstellung war gut besucht,
obwohl der Dienstag für Berufstätige nicht gerade der günstigste
Termin ist; es sind immerhin einschlieülich der Pause dreieinhalb
Stunden, die Frau und Mann in der Oper verbringen. |
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