Dieter Kersten - Juli / August 2000    
Komödie: "Herz - und Beinbruch"  
     
  In der letzten Zeit habe ich Ihnen schon öfter aus dem Berliner Boulevard - Theater - Geschehen berichtet; vielleicht schon zu viel. Dieses Berliner Boulevard - Theater ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, genau wie die Spielpläne der Opernbühnen und der Konzertsäle. Leider kenne ich mich ja in weiten Teilen des Spiegels der Gesellschaft nicht aus, z. B. im Filmgeschehen oder in das, was auf den kleinen, privaten, oftmals avantgardistischen Bühnen gespielt wird. Ich würde mich sehr freuen, wenn aus dem Kreis der Leserinnen und Leser über den vernachlässigten Bereich der Kultur berichtet würde.
Das gilt auch beim Thema Literatur. Auch da bediene ich nur einen ganz kleinen Ausschnitt des Geschehens.
Ob Theater, Film oder Bücher, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Daran habe ich gedacht, als ich am 4. Mai in der KOMÖDIE das Stück Herz - und Beinbruch, eine "Medizinische Komödie" von Patricia Levrey sah. Im öffentlichen Angebot des Theaters wird die Komödie als ein Theaterstück "mit Tiefgang" bezeichnet. Wo was "tief gehen" soll, weiü ich nicht. Die im Programm - Heft abgebildete, schmallippig - verkniffen aussehende Autorin mit englisch/us-amerikanisch klingenden Namen ist, so steht's gedruckt, vor allen Dingen in Frankreich erfolgreich. Das wiederum veranlaüt mich zu schreiben, daü in Frankreich die primitiven Arztgeschichten anscheinend genauso populär sind wie in Deutschland.
Das Publikum lachte in einem fort und ich kann mich dann dem Lachen auch nicht entziehen, obwohl mir vieles ziemlich blöd vorkommt. Anita Kupsch, eine Berliner Boulevard - Schauspielerinnen - Ikone hat zwar viel Routine; künstlerisch gesehen ist meiner Ansicht nach das Stück für sie ein Flop. Wenn eine Frau, die bestimmt schon Mitte sechzig ist, eine Frau spielen soll, die höchstens Mitte vierzig sein soll, dann ist damit sehr vorsichtig umzugehen. Dieses Fingerspitzengefühl des Regisseurs Manfred Lagner (oder auch Langner - er wird im teuren Programm - Heft auf einer Seite mal so, mal so geschrieben) habe ich nicht gespürt.
Es geht um einen schweren Motorradunfall und die Folgen, um eine geplante, aber nicht vollendete Scheidung, um einen etwas vertrottelt dargestellten Ehemann, um einen ebenfalls vertrottelten Arzt, einer selbstbewuüten Krankenschwester und einer überdrehten Freundin der Patientin. Mehr ist fast nicht mitzuteilen.
Das ist die übliche Beliebigkeit, mit der in manchen gesellschaftlichen Kreisen Kultur "verstanden" wird.
 
     
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