Dieter Kersten - Mai 2001    
Oper: Meyerbeer "Robert le Diable"
Konzert: Berg, Britten & Schumann
 
     
 

Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache von Kluge, Stichwort Kultur: seit dem 17. Jahrhundert; entlehnt aus der lateinischen Sprache, cultura, zu lateinisch colere 'pflegen, bebauen'; gemeint ist zunächst der Landbau und die Pflege von Ackerbau und Viehzucht; im 17. Jahrhundert Übertragung auf mittellateinisch cultura animi 'Erziehung zum geselligen Leben, zur Kenntnis der freien Künste und zum ehrbaren Leben'; dann Ausweitung und Übernahme in die Volkssprache.
Es würde den Rahmen des Kommentar - und Informationsbriefes sprengen, wenn ich mich mit dem Kulturbegriff in der Philosophie beschäftigen würde. Ich bin ein praktischer, ein politischer Mensch, und ein Kulturkonsument.
Dennoch gehen mir viele Gedanken durch den Kopf, wenn ich mir im 21. Jahrhundert eine Oper anhöre und ansehe, die im 19. Jahrhundert, vor 170 Jahren entstanden ist, und die in unserer > fernseh - kultur - trüben Zeit < immer noch in der Lage ist, Menschen zu fesseln.
Ich sah und hörte am 8. März Robert le Diable oder auf deutsch Robert der Teufel, Oper in fünf Akten, Musik von Giacomo Meyerbeer, Text von Eugéne Scribe und Germain Delavigne.
Meyerbeer war ein Deutscher, ein Preuüe und ein Europäer.. Geboren wurde er am 5. September 1791 im preuüisch-deutschen Berlin, er starb am 2. Mai 1864 im französischen Paris. Seine künstlerische Laufbahn führte ihn von Berlin aus über Italien nach Paris, und immer wieder nach Berlin, wo ihn der Preuüenkönig Friedrich Wilhelm IV zum Generalmusikdirektor der Berliner Oper machte, ihm die Auszeichnung Pour de Merite verlieh, wo er auch Mitglied der Preuüischen Akademie der Wissenschaften wurde, aber wo er doch als Berliner (seine Familie wohnte nachwievor hier) sich nicht wohlfühlte, weil er den Berliner Antisemitismus zu spüren bekam.
In Paris war das anders. Ich weiü nicht, warum? Die Dreyfus - Affäre in der Nach - Meyerbeer - Zeit, trägt doch auch starke antisemitische Züge? Vielleicht war der Pariser Antisemitismus nicht so persönlich, nicht so denunziatorisch, wie es der Berliner Antisemitismus mit Sicherheit war und ist ? Heinrich Heine, ein anderer Deutscher jüdischer Herkunft, war Meyerbeers Zeitgenosse; auch der Freigeist Heine war vor dem deutschen Kleingeist und dem deutschen Feudalismus nach Paris geflüchtet. Paris muü damals die freieste Stadt Europas gewesen sein, trotz der auch dort geübten obrigkeitsstaatlichen Zensur.
Dort, in Paris, ist die Oper Robert le Diable entstanden und am 21. November 1831 uraufgeführt worden. Sie war ein groüer Erfolg und wurde im 19. Jahrhundert über siebenhundertmal, fast in Serie, in Paris aufgeführt. In Berlin wurde die Oper am 20. Juni 1832 an der gleichen Stelle, wo ich sie sah, an der damaligen Königlichen Hofoper Unter dem Linden von Meyerbeer selbst inszeniert. Sie war im deutsche Sprachraum nicht ganz so erfolgreich.
Robert le Diable war die erste Grand Opera überhaupt; eine kräftige, melodiöse und facettenreiche Musik, die nach sehr guten Gesangssolisten verlangt, verbunden mit anspruchsvollen Ballettszenen und einem guten Chor. Alles das kann die Staatsoper in Berlin Unter den Linden der Neuzeit liefern. Immerhin muü der Besucher gute fünf Stunden mit zwei Pausen aushalten. Das Haus war, mitten in der Woche, sehr gut besucht.
Sie können im Foyer ein Begleitbuch kaufen, welches, ich denke, es waren DM 14,-, kostet und welches sein Geld wert ist. Der erste Beitrag von Sieghart Döhring ist sehr hochgestochen und in der Verwendung von unzähligen Fremdwörtern sehr arrogant. Aber alle anderen Beitrage, u.a. auch ein Text von Heinrich Heine, sind ungemein interessant.
Nun fällt mir auf, daü ich über die Handlung noch nichts berichtet habe. Es ist ein Sagenstoff: Robert, ein Fürst der Normandie, Sohn des Teufels und einer Prinzessin, muü sich zwischen Vater und Mutter, Hölle und Liebe (Himmel ? Diesseits? Paradies? ) entscheiden. Er ist allen Verführungen des Lebens ausgesetzt. Unsere heutzutage übliche Psychologisierung vergangener kultureller Beiträge führt zu einer modernistischen Aufführungspraxis, die, so fürchte ich, dem längst toten Schöpfer des Werkes Absichten unterstellt, die in Teilen zumindestens fragwürdig sind. Warum in der modernen Aufführung Robert in der modernen Psychiatrie landen muü, ist der Aufführung abträglich. Die in der modernen Berliner Inszenierung (ich sah die 7. Vorstellung nach der Premiere am 11. März 2000) verwendete Guckkastenbühne empfand ich zwar als interessant, aber auch als sehr anstrengend. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die im Programm aufgeführten Mitwirkenden zu zählen. Wenn jedoch jemand wissen will, wo das Steuergeld in der Kultur bleibt, dann sollte er dieses Stück sehen und hören. Diese Bemerkung möchte ich positiv verstanden wissen, denn wie soll, siehe den Anfang dieses Kulturspiegels, Erziehung zum geselligen Leben, zur Kenntnis der freien Künste und zum ehrbaren Leben stattfinden, in Zeiten der fernseh - kultur - trüben Zeit, wenn nicht durch unsere Besinnung auf unsere Europäische Kultur.
Die Grand Opera mit ihren vielen Bühnen - Effekten war erst durch die technische Entwicklung im 19. Jahrhundert möglich. Bis zu der Einführung der Gasbeleuchtung hatten Bühne und Zuschauerraum das gleiche fahle Kerzenlicht. Die Einführung der Gasbeleuchtung und vor allen Dingen die Möglichkeit, diese Beleuchtung zu regulieren, ein - und auszuschalten, hell und weniger hell zu machen, gab die Chance, den Zuschauerraum zu verdunkeln, so daü der Blick auf die Bühne ein ganz anderer wurde. Die neue Beleuchtungsart führte auch auf der Bühne zu Neuerungen.
Technik ist nichts Böses, was der Kultur entgegen steht. Sie muü nur umsichtig genutzt werden, um sie der Kultur zu erschlieüen.

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Am Mittwoch, den 28. März war ich nach langer Zeit mal wieder in der Berliner Philharmonie und hörte dort das Berliner Philharmonische Orchester mit Werken von Alban Berg, Benjamin Britten und Robert Schumann. Der Dirigent war Daniel Harding, ein 26jähriger junger Brite, der mit ausladenden Gesten und groüem Engagement das Spitzenorchester dirigierte. Von Alban Berg wurden Drei Sätze aus der >> Lyrischen Suite <<, vom Komponisten bearbeitet für Streichorchester gespielt. Berg wie Britten sind für meine Ohren gewöhnungsbedürftig. Aber bleiben wir erst einmal bei Alban Berg, der von 1885 bis 1935 gelebt hat. Er war ein waschechter Wiener. Berg war Schönberg - Schüler und hat de Zwölftontechnik auch in der Lyrischen Suite verwandt, wie auch traditionelle Themen und Tonfolgen; die alte KuK - Monarchie bot mit ihrer kulturellen Vielfalt sehr viel Urstoff für eine musikalische Produktion.
Der Brite Benjamin Britten lebte von 1913 bis 1976. Ich hörte Nocturne Op. 60 für Tenor und Kammerorchester. Der Gesangssolist war der Brite Ian Bostridge, ein sehr schlanker, sehr groüer Mann, von dem das Programmheft das Alter verschweigt. Der Beitrag von Wolfgang Stähr im Programmheft ist mit Nacht und Träume überschrieben; die Texte für den Tenor stammen von unterschiedlichen britischen Dichtern und der Inhalt befaüt sich mit Nacht und Träumen. Es ist erstaunlich, wie es dem Komponisten gelungen ist, mit der modernen, teilweise atonalen Musik den Sänger zu führen - so gut, daü man zum Schluü mehr den Sänger als das Orchester hört. Das ist nicht durch die Lautstärke geschehen, sondern weil die angenehme Stimme von Bostridge fesselte.
Nach der Pause gab es die Symphonie Nr. 3 Es - Dur Op. 97 >> Rheinische << von Robert Schumann. Schumann lebte von 1810 bis 1856. Ich habe diese flotte, ideenreiche Symphonie als eine geistige und emotionale Erholung genossen. Mehr brauche ich zu Schumann nicht zu schreiben, oder? Ich hole das vielleicht mal nach!

 
     
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