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Wer in Berlin
eine bezaubernde, fröhliche Schnulze sehen will, der muü sich
in der KOMÖDIE am Kurfürstendamm das Stück Bezauberndes
Fräulein ansehen: Vier Bilder mit Musik nach einem alten
Lustspiel neu erzählt von Ralph Benatzky, bearbeitet von Jürgen
Wölfer. Ich habe das Stück am 2. Januar 2002 gesehen und
gehört und es war ein guter Anfang für das neue Jahr. Das Publikum
hatte wirklich was zu lachen, die Gesangseinlagen werden flott und mit
guter Stimme gebracht und die Rollen sind "typengerecht" besetzt.
Das Theater war gut besucht.
Jürgen Wölfer hat mit seiner Bearbeitung sozusagen eine >
Kammeroperette < auf seine Bühne gebracht, mit Schauspieler, die
im "klassischen" Sinn keine Operettenschauspieler sind.
Auf der schlieülich erfolglosen Suche nach dem Text für den
Evergreen Ach Luise keine ist wie diese, der zu dem Lustspiel
gehört, stieü ich auf die Benatzky-Homepage: Der Begriff >
Kammeroperette <, den ich meinte, spontan erfunden zu haben, wird dort
im Text offensichtlich als Fachbegriff benutzt: Neben seinen mit dem
Regisseur Eric Charell kreierten Revueoperetten fürs Groüe
Schauspielhaus - u.a. Casanova (1928), Die Drei Musketiere (1929) und
Im Weiüen Rössl - exzelliert Benatzky ausgerechnet auf dem
völlig entgegengesetzten Gebiet der Kammeroperette.
Der eben genannten Hompage entnehme ich noch folgende Daten: Geboren
wird Ralph Benatzky 1884 in Mährisch-Budwitz. Nachdem er wegen eines
Duells unehrenhaft aus der österreichischen Armee entlassen wird,
geht er nach Wien, studiert Germanistik, Philosophie und Musik, macht
seinen Doktor phil. und beginnt, frech-frivole Lieder fürs Kabarett
zu schreiben. Als Hauptkomponist und Klavierbegleiter seiner späteren
Gattin, Josma Selim, einer gefeierten Chansonnière, erlangt er
schnell internationalen Ruhm. 1924 zieht Ralph Benatzky wegen "der
besseren Verdienstmöglichkeiten" an die Spree. In Berlin avancierte
er zu einem der Groüen des damals in voller Blüte stehenden
Operettenbetriebes. .... Dann marschiert Hitler 1938 in Österreich
ein. Mit Benatzkys Produktivität, die bereits 1933 empfindlich gestört
wurde, ist es aus. Er muü wegen seiner jüdischen zweiten Ehefrau,
Melanie Hoffmann, einer Ex-Tänzerin der Berliner Staatsoper, die
Stätten vergangener Triumphe verlassen. Im amerikanischen Exil erlebt
er des Schicksal vieler Kollegen - der MGM-Vertrag platzt, sein Werk interessiert
plötzlich niemanden mehr, sein leuchtender Stern versinkt. Benatzky
zerbricht innerlich. Nach Kriegsende kehrt er als seelisches Wrack nach
Europa zurück, wo er, ohne an einstige Erfolge anknüpfen zu
können, 1957 stirbt.
+ + +
Die Autorin Theresia Walser wird im Programmheft so
vorgestellt: > Geboren 1967 in Friedrichshafen. Besuch der Schauspielschule
in Bern. Lebt in Berlin. Autorin des Jahres 1999. Fördergabe des
Schiller-Gedächtnispreises des Landes Baden-Württemberg 1998.
>> Stücke << - Förderpreis des Goethe Instituts
1999. Stücke: >> Kleine Zweifel <<, Uraufführung
Münchener Kammerspiele 1997. >> Das Restpaar <<, Uraufführung
Theater >> Die Rampe << Stuttgart, 1997. >> King Kongs
Töchter <<, Uraufführung Theater Neumarkt Zürich,
1998. >> So wild ist es in unseren Wäldern schon lange nicht
mehr <<, Uraufführung Münchener Kammerspiele, 2000. >>
Die Heldin von Potsdam <<, Uraufführung Maxim Gorki Theater
Berlin, 2001. <
Eine beachtliche Zahl von Stücken für eine vierunddreiüig
Jahre junge Frau. Wenn sie mit allen Theaterstücken so erfolgreich
ist, wie mit Der Heldin vom Potsdam - dann hoffe ich
doch, daü sie auch in Zukunft uns einfachen Theaterbesuchern Qualität
liefern kann.
Ich sah das Stück am 10. November 2001 im Maxim Gorki Theater
Berlin. Es ist ein surrealistisches Stück, in dem eine wahre
Begebenheit verarbeitet wird: eine arbeitslose Frau wird nach einem Sturz
in ein Krankenhaus eingeliefert und behauptet, in der Straüenbahn
eine alte Frau vor Angriffen von Skinheads gerettet zu haben. Sie wird
von den Medien zur > Heldin von Potsdam < erklärt. Am 5. Tag
nach dem Sturz gesteht die > Heldin < , gelogen zu haben.
Die kritiklose Rolle der Medien wird in diesem Theaterstück sehr
pointiert geschildert, aber auch, wie schnell die Politiker gleichermaüen
versuchen, Teile von Ruhm und Ehre abzubekommen. Die Freundinnen und Freunde
der > Heldin < Paula Wündrich, so heiüt sie in dem Theaterstück,
sind vergleichsweise zurück- haltend.
Die > Heldin < wird von Katharina Thalbach sehr überzeugend
gespielt. Mir hat aber nicht nur die Hauptdarstellerin gefallen: das ganze
Ensemble war Spitze. Die Uraufführung fand am 14. September 2001
in Maxim Gorki Theater statt. Die Vorstellung am 10. November war gut
besucht. Das Publikum nahm das Stück gut auf. Möglicherweise
wird die/der ein oder andere etwas von der Theaterkultur in die Alltagskultur
zu übernehmen.
Über das Maxim Gorki Theater schrieb ich im Oktober 1996 an gleicher
Stelle: Maxim Gorki ist ein berühmter russischer Schriftsteller und
Theatermann (1868 - 1936). Die Spielstätte ist die ehemalige Preuüische
Singakademie. In dem Buch Berlin - Baumeister und Bauten, erschienen
1987 im Tourist Verlag der DDR, steht über das Haus folgendes: Nach
abgelehnten Entwürfen von G. Steinmeyer (1823) und K.F. Schinkel
(seit 1812) baute dann schlieülich C.Th. Ottmer (1825-27) in Anlehnung
an Schinkel die Singakademie, Am Festungsgraben 2, hinter dem Kastanienwäldchen.
Den Vorzug erhielt er wegen des niedrigsten Kostenanschlages - am Ende
lagen die Kosten weit darüber; finanzielle Auseinandersetzungen zwischen
Ottmer und der Singakademie zogen sich bis 1839 hin. Durch H. Bürde
erhielt das Haus 1848 eine neue Ausstattung für die Tagungen der
Preuüischen Nationalversammlung (Mai./Sept.) ... Unter Beseitigung
der seit 1865 durch M. Gropius u.a. vorgenommenen Anbauten, wurde nach
dem Krieg das Gebäude auüen restauriert, im Inneren jedoch
völlig umgebaut, 1952 öffnete das Maxim Gorki Theater seine
Pforten. Von der alten Singakademie ist also - auüer dem Äuüeren
- nichts mehr erhalten. Der Zuschauerraum gleicht einem Kino aus den 50iger
Jahren, welches seit dieser Zeit keine Renovierung mehr erfahren hat.
Mit der Singakademie ist der Name Karl Friedrich Zelter eng verbunden.
Zelter wurde 1758 in Berlin geboren und starb ebenda 1832. Er war Maurermeister,
studierte Musik und Zeichnen an der Akademie der Künste und wurde
später Professor. Er pflegte u.a. zu Schiller und Goethe freundschaftliche
Beziehungen.
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Am letzten Tag des Jahres 2001 war ich mit zwei Familien mit Kindern
im Zirkus. Es war der Groüe Chinesische Staatscircus
mit seinem Programm Yin Yang. Abgesehen von den groüen Trommeln an
der Stirnwand des Zeltes, die ab und zu zu hören waren, kam die Musik,
eine Mischung asiatischer und europäischer Klänge, vom Band.
Geboten wurde Akrobatik von einer Qualität, die jeder groüe
europäische Zirkus bieten kann. Tiernummern gab es keine. Die Manege
war geschmacklos an einer Seite des Zeltes angeordnet. Das Licht der Scheinwerfer
störte. Natürlich gaben sich alle Akteure gröüte Mühe.
Eine andere, eine fremde Kultur ist nicht vermittelt worden. Den Kindern
hat es gefallen, das ist die Hauptsache. Die Hochparkett-Plätze kosteten
DM 59,- (das Programm stolze und überteure DM 12,-).
Das Zelt war ausverkauft; die Leute applaudierten zum Teil mit dem weit
verbreiteten rhythmischen Klatschen. Offensichtlich ist die Fernsehgesellschaft
für jede Abwechslung dankbar.
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