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.... Der Befehl
des Herrn? - des Herrn? - Ein Herr, den man selber wählt, ist unser
Herr so eigentlich nicht. .... Ich wollte die Ehre haben, ihm zu dienen,
aber nicht sein Sklave zu sein. .... Ha, Mörder! feiger, elender Mörder!
nicht tapfer genug, mit eigner Hand zu morden, aber nichtswürdig genug,
zur Befriedigung eines fremden Kitzels zu morden! - morden zu lassen! -
Abschaum aller Mörder! - Was ehrliche Mörder sind, werden dich
unter sich nicht dulden! .... Wie kann ein Mann ein Ding lieben, das, ihm
zum Trotze, auch denken will? Ein Frauenzimmer, das denket, ist ebenso ekel
als ein Mann, der sich schminket. .... Wer über gewisse Dinge seinen
Verstand nicht verlieret, der hat keinen zu verlieren! ....
Am 2. Februar 2002 sah ich im DEUTSCHEN THEATER in Berlin Emilia
Galotti, ein Trauerspiel in vier Aufzügen, von Gotthold Ephraim
Lessing.
Lessing, geboren am 22. Januar 1729 in Kamenz/Lausitz und gestorben am 15.
Februar 1781 in Braunschweig, ist einer der groüen deutschen Klassiker
und Aufklärer ersten Ranges. Er ist nach Luther einer der Erneuerer
der deutschen Sprache. Lessing hat die Sprache nicht dem Zufall überlassen.
Er war nie für eine Beliebigkeit zu haben. Wer seine Theaterkritiken
gelesen hat, der weiü, daü sein Blick über die Sprachbildung
im Deutschen weit hinaus in die europäische Sprachkultur ging.
Die Aufführung, die ich sah, wird dem hohen kulturellen Anspruch Lessings
in keiner Weise gerecht. Die Sprache Lessings wird verhunzt, indem der Text
verkürzt, schnell und ohne Betonung, gesprochen, manchmal sehr leise
gesprochen, manchmal laut geschrien wird.
Der Handlungsablauf wird formal eingehalten, welch ein Wunder. Mein 13jähr-
iger Patensohn Nils, den ich in Erwartung einer groüartigen Lessing-Inszenierung
mit in das Theater genommen hatte, konnte ihn wiedergeben. Der Inhalt des
Stückes, den Sinn der Aufklärung durch Lessing, ging in einem
gestelzten Modernismus unter. Die Guckkastenbühne, auch eine "Mode
der Moderne", war ohne jede Requisite. Nils, ein durchaus moderner
Junge, vermiüte das Bühnenbild.
Eine immer gleichbleibende Tonfolge, Musik genannt, mal unangenehm laut,
mal angenehm leise, begleitete die Aufführung. Das Programmheft beschäftigt
sich ausschlieülich mit Sex, Lust und Versuchung, indem es ausgewählte
Texte, aus dem Zusammenhang gerissen, literarischer Gröüen des
20. Jahrhunderts abdruckt. Nur zweimal ist von Lessing die Rede: auf dem
"Programmzettel" und in einer Notiz von Hugo von Hoffmannsthal,
in der es noch nicht einmal um die Emilia Galotti geht.
Die Regie besorgte Michael Thalheimer, der Dramaturg war Horst Nadolny,
Die Premiere dieser Inszenierung war am 27. September 2001. Die historische
Premiere war am 13. März 1772 in Braunschweig.
Ich will keinen Schulaufsatz über den tiefen Sinn des Stückes
Emilia Galotti schreiben. Der Satz Ein Frauenzimmer,
das denket, ist ebenso ekel als ein Mann, der sich schminket wird im
4. Aufzug von der Gräfin Orsina gesprochen und gehört zu einem
beiüenden Spott über die Fürstenwillkür, die
ja auch gleichzeitig Männerwillkür war. Das kleine gelbe Reclam-Heft
mit dem Text von Lessings Emilia Galotti, zwar in der neuen
deutschen Rechtschreibung, aber vollständig, hat auf der Rückseite
einen Text, den ich Ihnen nicht vorenthalten will: Versuchung und Verführbarkeit
sind zentrale Motive von Lessings bürgerlichem Trauerspiel, einem Schlüsselwerk
der Aufklärung und Empfindsamkeit. Das Drama Emilias, deren Ehre durch
intrigante Fürstenwillkür bedroht wird, stellt eindringlich die
Frage nach der öffentlichen Rechenschaftspflicht der Herrschenden.
Nicht zuletzt ihr tragisches Ende verleiht den neuen bürgerlichen Werten
Autorität.
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