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Eine neue Theatersaison
und damit beginnen auch wieder meine Berichte über einen Teil des
bürgerlichen Kulturbetriebes, hauptsächlich der Hauptstadt Berlin.
Das erste Stück in dieser Saison, welches ich sah und hörte,
ist von Bertholt Brecht geschrieben und von Paul Dessau mit Musik versehen
worden. So mancher "klassenbewußte" Leser wird schlucken,
wenn ich Bertholt Brecht zu den bürgerlichen Dichtern zähle.
Aber ist er es nicht, wenn er am DEUTSCHEN THEATER in der Schumannstraße
angekommen ist?
Ich sah dort am Sonntag, den 7. September, Mutter Courage
und ihre Kinder. - Untertitel: Eine Chronik aus
dem Dreißigjährigen Krieg. Das Stück macht mich
etwas hilflos, Textbuch und Programmheft auch! Weshalb die Marketenderin
Anna Fierling Mutter Courage heißt? Wenn Sie mich das fragen, kann
ich Ihnen keine Antwort geben, auch nicht auf die Frage, ob dieses Stück
ein Antikriegsstück ist? Mutter Courage verdient am Krieg, so wie
die Familie Bush heutzutage ihren Profit aus dem Irakkrieg zieht. Mutter
Courage kennt die Schrecken des Krieges und redet auch sehr viel darüber,
sie will auch, obwohl sie am Krieg verdient, ihre Söhne vor dem Krieg
bewahren, was ihr aber nicht gelingt. Die Söhne gehen freiwillig
in den Krieg und sterben (freiwillig?). Da muß Anna Fierling, die
Mutter Courage, etwas in ihrer Erziehung falsch gemacht haben, so wie
fast alle Mütter dieser Erde und zu allen Zeiten, die ihre Söhne,
freiwillig, in den Krieg ziehen lassen! Soll ich Tränen um Mutter
Courage vergiessen, weil sie ihre Kinder verliert?
Die einzige Lichtgestalt in diesem Stück von Bertholt Brecht ist
die stumme Tochter der Mutter Courage, Kattrin, die hören, aber nicht
sprechen kann. Sie besticht durch ihre Menschlichkeit und durch die Hilflosigkeit,
die aus dieser Menschlichkeit heraus entsteht. Sie kann nicht reden, wie
die anderen, aber sie handelt, mehrmals. Sie versucht nicht nur, ihre
Brüder zu retten, sondern sie holt einen Säugling aus einem
brennenden Bauernhaus, wo die anderen feige versagen, und sie rettet die
Stadt Halle und ihre schlafenden Menschen vor einem Überfall feindlicher
Soldaten. Sie wird erschossen, weil sie die Bewohner Halles durch fortlaufendes
Trommeln weckt.
Bühnenbild und Kostüme der Inszenierung von Peter Zadek entsprechen
den Trends der modernen Zeit. Auch Zadek will dem Dreißigjährigen
Krieg entrinnen und versucht, das Äußere der Inszenierung zeitlos
zu gestalten, indem er Beliebigkeit (Zeitlosigkeit?) forciert. Naja, kann
ich dazu nur sagen, wenn die handelnden Personen aus ihren Zeitbezug herausgetrennt
werden, dann kommt eben so etwas heraus, wie ich es geschildert habe.
Es fehlte der Aufführung außerdem der spielerische Schwung.
Ich saß diesmal im 2. Rang, der fast leer war. Das Parkett war gut
besucht, den 1. Rang konnte ich nicht einsehen.
+ + +
Am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober, sah und hörte ich DIE
ZAUBERFLÖTE von Wolfgang Amadeus Mozart, Text von Emanuel Schikaneder
in der Deutsche Oper in Berlin-Charlottenburg.
Meines Wissens gibt es keine andere Oper, in die der Volksmund, der „gehobene
Volksmund“, soviel hineingeheimst, wie in Die Zauberflöte.
Ich gebe zu, daß ich mit den Wort- und Gedankenfetzen, die mich
im Laufe meines Leben zu dieser Oper erreicht haben, nicht viel sagen
kann. Eines der wichtigsten Worte, die mir zugerufen wurden, ist das Wort
Freimaureroper. Ich fand dieses Wort sowohl im Programmheft der
besuchten Aufführung als auch in > Meyers Handbuch über
die Musik < von 1971. Es gibt nichts Geheimnisvolles mitzuteilen,
außer daß Zarastros Reich, das männerbündlerische
Freimaurerreich, desillusionierend ist. Sieht man nämlich genauer
hin, dann ist Zarastro ein Folterer, ein Sklavenhalter und Despot, dem
die Menschenrechte nichts bedeuten, ganz im Gegensatz zu der „Königin
der Nacht“. Das ist keine Interpretation von mir, sondern das geht
aus den Texten hervor. Lesen Sie nach!
Was die Oper für uns, das normale Publikum, so reizvoll macht, das
ist das Märchen Die Zauberflöte. Die Inszenierung
von Günter Krämer ist leider viel zu hintergründig, um
diesen Anspruch zu erfüllen. Denn als eine Märchenoper findet
sie Anklang bei den Kindern, wobei neben der Handlung vor allen Dingen
die zauberhafte Musik von Mozart beiträgt.
Leider hat Günter Krämer den Schluß etwas anders gestaltet,
was ich, das Märchen im Auge, nicht gut finde.
Das Bühnenbild war meistens märchenlos nüchtern, aber dennoch
gut, erwachsenengut. Ob es den anwesenden Kindern gefallen hat, darf bezweifelt
werden.
Die Sängerinnen und Sänger kamen nicht so richtig in Fahrt oder
sie konnten nicht.
Die Plätze waren, trotz Feiertag, nur zu Dreiviertel besetzt. Es
war die 182. Aufführung seit der Premiere dieser Inszenierung am
24. September 1991. Wenn Sie sich diese Inszenierung ansehen, empfehle
ich, das Programmheft zu kaufen und zu lesen. Die Betrachtungsweise des
Stoffes und der Musik durch den Hauptautor Andreas Richter gefällt
mir
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