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Fast ist mir ein Stein
vom Herzen gefallen. Fast hat es plumps gemacht! Ich habe einen fröhlichen
Abend hinter mir. Manchmal, wenn ich den Kulturspiegel schreibe
und wieder und wieder eine aktuelle Aufführung kritisiere, da frage
ich mich, wo die Freude an der Kultur bleibt. Natürlich ist die Freude
fast immer da! Soll ich die Freuden nennen? Man wird aus dem täglichen
Allerlei der Maloche gerissen, man unterhält sich mit einem netten
Menschen, denn ich gehe nie allein, die grauen Gehirnzellen kommen zum Tanzen.
Freude an der Kultur hatte ich am 9. Dezember 2003 in der TRIBÜNE in
Berlin-Charlottenburg. Ich sah und hörte Ladies Night
von Stephen Sinclair und Anthony Mc Carten. "Das Stück der neuseeländischen
Autoren ist bereits 1987 entstanden und wurde in ihrem Heimatland zum erfolgreichsten
Theaterstück aller Zeiten. Folkle Brabands Inszenierung an der TRIBÜNE
wurde von den Mitgliedern der Berliner TheaterGemeinde zur >Aufführung
des Jahres 2000< gewählt." Mit Recht, meine ich. "Es
geht um die Geschichte von sechs Freunden in einer englischen Industriestadt.
Sie sind ebenso talent-wie tatenlos, ohne Arbeit und auch im privaten Leben
eher glück-oder gar hoffnungslos, sie sind nicht schön, nein,
sie haben Rettungsringe, sind nicht mehr ganz jung und hühnerbrüstig,
aber inmitten ihrer Misere aus Schuldenbergen und ehelichen Scherbenhaufen
fassen sie eines Tages den mutigen Entschluß, eine ganz neue Existenz
zu gründen: als >Die Wilden Stiere< bieten sie Männer-Striptease.
Dabei stellt sich ihnen die alles entscheidende Frage: ganz oder
gar nicht?!"
Eine kreative Jobidee!
Als Zuschauer begleiten Sie die sechs Männer auf ihren Weg vom totalen
Frust, zu der Job-Entscheidung und dem Striptease selbst und ich habe selten
so gelacht über eine Situationskomik nach der anderen, die durchaus
auch ernsthafte und betroffen machende Momente hat. Das Publikum jubelte,
es gab im gut besuchten Haus viele Vorhänge.
+ + +
Am 2. Februar 2004 sah und hörte ich in der Staatsoper Berlin,
Unter den Linden, das klassische (russische) Ballet-stück Schwanensee
von Peter Tschaikowsky. Die Choreographie und Inszenierung besorgte Patrice
Bart "im Romanow-Stil". Schwanensee steht im Bewußtsein
vieler Kunst-und Kulturkenner für eine russische Kultur, die durch
die Oktober-Revolution auf Nimmerwiedersehen verschwand und deshalb auch
keine Weiterentwicklung erfuhr. Dabei gilt Tschaikowsky als ein russischer
Komponist westlicher Musiktradition. Zur Erklärung: Romanow, das war
die letzte regierende Zarenfamilie in Rußland. Schwanensee
ist ein Märchen, welches, wie alle guten Märchen, die Phantasie
beflügeln kann. Hauptpersonen sind die Witwe und Mutter Königin
und ihr Sohn Prinz Siegfried, gerade 18 Jahre jung, und die Schwanenprinzessin
Odette. Die (tragische) Liebe Siegfrieds zur Schwanenprinzessin (oder
auch nur sein Traum von ihr und von der Liebe) treibt ihn nach dramatischen
Verwicklungen in einen schlimmen Selbstmord. Siegfried war es nicht gelungen,
sich von seiner alleinerziehenden und alles bestimmenden Mutter abzusetzen.
Da er die Mutter nicht beschädigen wollte, tötete er sich selbst.
Das alles wird wunderschön getanzt, mit Tschaikowskys dramatischer
Musik. Peter Iljitsch Tschaikowsky wurde am 7. Mai 1840 in Wotkinsk geboren
und starb am 6. November 1893 in St. Petersburg. Schwanensee
entstand 1877 und war von Anfang an ein großer Erfolg.
Die Inszenierung, die ich gesehen habe, hatte ihre Premiere am 16. Dezember
1997. Die Vorstellung am 2. Februar war die 97. . Das Haus war ausverkauft,
mit erfreulich vielen Kindern und Jugendlichen. Es war ein enthusiastisches
Publikum. Es gab Jubelrufe und sehr viele Vorhänge.
Empfehlen kann ich den Kauf des Programm-Buches, auch wenn es sehr teuer
ist ( € 8,- ??) und wenn ich ebenfalls nicht jeden Beitrag in diesem
Buch für gut halte.
+ + +
(D.K.) Am 23. März sah ich in der KOMÖDIE am Kurfürstendamm
ein nahezu klassisches Boulevardstück: Charleys Tante,
eine Komödie von Brandon Thomas. Brandon Thomas (1856 bis 1914) war
ein englischer Schauspieler; er hat mehrere Stücke geschrieben, aber
Charleys Tante ist das einzigste Theaterstück, das die Zeiten überdauert
hat. Den meisten Lesern wird Charleys Tante durch die
Filme mit Paul Kemp, Heinz Rühmann und Peter Alexander bekannt sein.
Ich habe nur den Film mit Heinz Rühmann gesehen, in dem der Stoff
filmkonform aufbereitet wurde. Die Inszenierung im Theater, die ich beschreibe,
hält sich an die historische Vorlage. Dadurch bekommt die Komödie
einen besonderen Reiz.
Inhaltlich geht es um verwöhnte Studenten aus der Upperclass der
englischen Gesellschaft, die, ständig in Geldnot, verliebt und vergnügungssüchtig,
den ständischen Spleen der Wohlanständigkeit huldigen und die
(reiche) Tante aus Brasilien als Anstandsdame sehnsüchtig erwarten.
Als die Tante nicht rechtzeitig kommt, verkleidet sich einer der Studenten
als Charleys Tante. Das führt zu allerhand Verwicklungen
und komischen Situationen, zumal die richtige Tante dann doch erscheint.
Für Brandon Thomas war der Inhalt seiner Komödie sicher auch
Gesellschaftskritik, sicher nicht so bierernst, wie die Kontinentaleuropäer,
auch wir Deutschen, Gesellschaftskritik betreiben.
Die verkleidete Tante von Charley wurde von Nikolaus Kühn gespielt.
Das Fernsehpublikum kennt ihn aus der Telekomwerbung Er macht seinen Job
sehr gut, wie das ganze Ensemble. Die Vorstellung war völlig ausgebucht.
+ + +
Weshalb Martin Schüler in seiner Inszenierung von Rigoletto
an der KOMISCHEN OPER in Berlin den Hofstaat des Herzogs von Mantua auf
ein Schiff der 20er bis 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts positioniert
hat, ist mir ein Rätsel. Sollte es nur der Reiz des anrüchigen
Hafenmilieus sein? In Schülers Inszenierung wechselt die Kulisse
vom Schiff auf's Land und zurück und wieder auf's Land. Matrosen
und Liegestühle "an Deck" sind ein Fremdkörper in
der Inszenierung. Wenn schon eine Modernisierung dieser Oper aus dem 19.
Jahrhundert notwendig sein sollte, dann wäre es konsequent, sie ganz
auf ein Kreuzfahrtschiff des 21. Jahrhunderts zu verlegen, auf dem solche
Dramen wie die des Rigoletto real ablaufen, wenn auch
meistens nicht mit einem körperlich toten Menschen am Schluß.
Ich sah und hörte Rigoletto von Giuseppe Verdi ( 1813-1901) am 15.
April. In Berlin waren Osterferien. Das Haus war gut besucht, und was
mich besonders freut, es war viel Jugend zu sehen.
In dem sehr empfehlenswerten Programmheft wird Rigoletto
als eines der wichtigsten Stücke des Komponisten geschildert. Verdi
wird zu Rigoletto zitiert:" Der ganze Inhalt liegt
in diesem Fluch ... Ein unglücklicher Vater, der die seiner Tochter
geraubte Ehre beklagt, von einem Hofnarren verlacht wird, den der Vater
verflucht, und dieser Fluch trifft den Narren auf fürchterliche Weise
- das scheint mir moralisch und im höchsten Grade erhaben."
Die Idee bzw. die dramatische Grundlage des Stoffes für Rigoletto
stammt von Victor Hugo (1802-1885), und seinem Drama "Le Roi s'amuse"
("Der König amüsiert sich") Das Libretto stammt von
Francesco Maria Piave (1810-1867). Wie Hugo hatte Verdi Schwierigkeiten
mit der Zensur. Die Uraufführung erfolgte schließlich 1851
im Fenice -Theater in Venedig.
Bei aller Kritik an der Inszenierung: die Musik ist und ihre Interpreten
waren vorzüglich
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