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Für
die Filminteressierten gab es im Januar zwei Ereignisse von herausragender
Bedeutung in Berlin. Vom 12. 01. bis 20. 01. gab es die "Globale
05", das zum zweiten Mal stattfindende Festival der Globalisierungskritiker
mit einem prall gefüllten Programm mit über 80 Dokumentationen,
Kurz- und Spielfilmen sowie über 40 Filmschaffenden. Spielstätten
waren die Kinos Acud und Central, zur Auftaktveranstaltung allerdings
traf man sich im HAU 2, dem ehemaligen Theater am Halleschen Ufer.
Auf dem Programm stand der neue Film von Lutz Dammbeck
"Das Netz - Unabomber, LSD und Internet". Strukturell selbst
angelegt wie ein sich allmählich ausbreitendes Netz, welches den
Zuschauer in seinen Bann zieht, taucht der Film ein in die Geschichte
von Ted Kaczynski, einem ehemaligen Harvard-Absolventen und Mathematikprofessor.
Im April 1996 wird er vom FBI verhaftet und es wird ihm vorgeworfen, als
"Unabomber" Anschläge gegen Personen aus Wissenschaft,
Kunst, Militär und Computertechnologie verübt zu haben. Der
Film spürt den Einflüssen und Utopien nach, denen Kaczynski
und viele andere seiner Generation ausgesetzt waren: die Hippie-Kultur
Kaliforniens, die Kunstszene New Yorks, die wissenschaftlichen Utopien
einer durch Technologie befriedeten Welt, wie sie in den Laboratorien
von im Sold von Industrie und Militär stehenden Computerfreaks ausgedacht
wurden und bis heute Gültigkeit haben. Der Film verwebt dabei die
verschiedenen Stränge so geschickt, daß trotz der für
eine Dokumentation nicht geringen Länge von 115 Minuten eine derart
verdichtete dramaturgische Spannung entsteht, die den Betrachter auf den
Sitz fesselt. "Das Netz" will nichts beweisen, aber alles andeuten.
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen teil, neben Dammbeck
selbst John Zerzan, führender Kopf der anarchischen Bewegung in den
USA, Florian Rötzer, freier Journalist, Publizist, Medientheoretiker
und Herausgeber des Online-Magazins "Telepolis" aus München,
und Prof. Dr. Hans-Ulrich Reck, seines Zeichens Philosoph und Kunstwissenschaftler
mit den Arbeitsschwerpunkten "Visuelle Dispositive der Neuzeit"
und "Geschichte und Theorie der Einbildungskräfte". Ein
wenig auch der nicht sehr professionellen Moderation geschuldet, ging
die Diskussion zu wenig auf den Film als solches ein (Dammbeck sah aus,
als empfände er es wohl ähnlich), sondern einzelne Mitglieder
des Panels nutzten die Gelegenheit, sich und ihre Ideen aneinander vorbeiredend
in den Vordergrund zu stellen. Dennoch: Wegen des Films ein sehr lohnenswerter
Abend.
Etablierter ging es da schon am 19. Januar im Martin-Gropius-Bau
zu. Anlaß war die Eröffnung der Ausstellung über Stanley
Kubrick (ab 20. 01. bis 11. 04.); sie ist auch Teil des Berlinale - Rahmenprogramms.
Anwesend waren Karin Schubert, Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin
für Justiz, vor allem aber Sir Kenneth Adam ("Ken Adam"),
gebürtiger Berliner und einer der weltweit renommiertesten "Kulissenbauer"
im Filmgeschäft - ihm war vor knapp zwei Jahren an gleichem Ort eine
eigene Ausstellung gewidmet - und als Ehrengäste Christiane Kubrick
und Jan Harlan, letzterer der Regisseur einer Dokumentation über
Kubricks Leben und Schaffen, die im Gropius-Bau ebenfalls täglich
zu sehen ist. ..
Über Stanley Kubrick (1928-1999) selbst muß
der Schreiber wohl an dieser Stelle nicht mehr sehr viele Worte verlieren.
Nur wenige Regisseure haben es wie er verstanden ein breites Publikum
gleichermaßen zu faszinieren und zu befremden. Seine Filme ("u.a.
.. A Clockwork Orange", "Barry Lyndon", "2001: A Space
Odyssey", "Shining") gehören zu den einflußreichsten
Beiträgen der neueren Filmgeschichte; seine Bildwelten haben die
Möglichkeiten des Films grundlegend an neue Grenzen geführt
und Maßstäbe gesetzt - und ihm daneben auch ein Schloß
mit über 100 Räumen in England ermöglicht. Die Ausstellung,
die auch in weiteren europäischen Städten und schließlich
New York zu sehen sein wird, widmet sich zum ersten Mal dem Gesamtwerk
des Regisseurs; präsentiert werden Materialien und Objekte aus dem
Nachlaß sowie Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen,
aber auch das Spannungsfeld zwischen Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte.
Besonders gefallen hat dem Schreiber in all der Fülle
des Abends der Extra-Raum, in dem es um Filmmusik ging. Kubrick setzt
alle Arten von Filmmusik ein, von der Klassik bis hin zu elektronischen
Klängen. Dabei geht es ihm nicht wie sonst meist im Filmbusiness
üblich um die Doppelung des visuell dargestellten, sondern um die
Musik als ein Eigenes. .. So drückt bei Kubrick ein Walzer die Routine
aus, elektronische Musik wird eingesetzt zur Darstellung des inneren Wahns
der handelnden Charaktere, Harfenklänge weisen auf innere Einsamkeit
hin und Marschrhythmen dienen der Parodierung. Der Besucher sollte wenigstens
die doppelte Zeit in diesem Raum verbringen: die Filmausschnitte genießen,
einmal unterstützt durch die Kraft des Auges, beim zweiten Mal aber
ganz auf seine Ohren vertrauend. Insgesamt ist die Ausstellung ein "Muß"
nicht nur für Cineasten, sondern darüber hinaus für jeden
Kultur- und Medieninteressierten. Öffentliche Führungen immer
samstags 14 Uhr, sonntags 16 Uhr.
Weitere Informationen zu beiden Events:
www.globale-filmfestival.de
www.stanleykubrick.de
www.gropiusbau.de |
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