Dieter Kersten - Juli / August 2005    
Oper: Aribert Reimann "Das Schloss"  
     
 

Am 19. Mai sah und hörte ich in der Deutschen Oper Berlin DAS SCHLOSS von Aribert Reimann, Oper in zwei Teilen (9 Bildern), nach dem Roman von Franz Kafka und der Dramatisierung von Max Brod, Textfassung vom Komponisten. Ich haben alle diese Worte genau vom Programmzettel abgeschrieben, um Ihnen die illustren "Teilhaber" an einem Kulturereignis zu schildern, welches ich selber so großartig nicht empfunden habe.

Ich muß meine erste und zweite Bildungslücke zugeben, daß ich, abgesehen von wenigen feuilletonistischen Ausschnitten noch nie einen Text (Roman) von Franz Kafka (1883-1924) und Max Brod (1884-1968) gelesen habe und auch nicht wußte, daß Brod ebenfalls aus Prag stammt und mit Kafka befreundet war.

Meine dritte Bildungslücke besteht darin, daß ich, meiner Erinnerung nach, den Namen Aribert Reimann (geb. 1936) noch nie gehört habe, ein zeitgenössischer Komponist, dessen Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin DAS SCHLOSS ist. Der Komponist wird auf sechs Seiten im Programmheft vorgestellt.

Da es mir nicht vergönnt war, vor der Vorstellung das Programm und damit auch die Beschreibung der Handlung zu lesen, habe ich an dem Abend nichts verstanden. Aber auch, nachdem ich am nächsten Tag zum Frühstück die Inhaltsbeschreibung gelesen hatte, verstand ich kaum etwas. Sicher, die Äußerlichkeiten schon: da wird ein Landvermesser in ein Dorf mit Schloß gerufen, um ihm mitzuteilen, daß er gar nicht gerufen worden ist. Alle anderen Absurditäten hangeln sich um diese Kernabsurdität. Absurd, grotesk, kafkaesk, um diese drei Begriffe gibt es im Programmheft ein fünfzehnseitiges Gespräch zwischen dem Dramaturgen, dem Komponisten, dem Dirigenten, dem Regisseur und dem Bühnenbildner. Von diesen fünf Beteiligten, die benannt werden, tauchen in der Besetzungsliste merkwürdigerweise nur noch drei Namen auf. Sehr viel Kluges wird da gesagt, Kafka und Brod interpretiert, der Inhalt bzw. "tiefere Sinn" des Stückes wird gedreht und gewendet. Ein komplizierter Text, der sich in keiner Theaterpause lesen läßt. Da keimt bei mir die Vermutung auf, daß das Programmheft und auch die Oper nur für Insider gemacht worden sind und nicht für das "blöde" Volk, dem ich angehöre.

Anstatt den Zeigefinger zu erheben und auf die verbrauchten Steuergelder hinzuweisen, kann ich mitteilen, daß das Theater nur zur Hälfte besucht war. Von dieser Hälfte ging zur Pause wieder die Hälfte nach Hause; wenn das keine Abstimmung mit den Füßen ist, ja, dann ist die Bürgerkultur kafkaesk geworden. Immerhin waren die Charlottenburger Bürger - das damalige (Bildungs-) Bürgertum - 1912 überaus stolz, dem schon brüchig gewordenen Feudalismus der Hohenzollern an der Staatsoper Unter den Linden eine bürgereigene Oper entgegensetzen zu können. Jetzt scheint selbst in Charlottenburg die Herrschaft auf mittelmäßige Kulturfunktionäre übergegangen zu sein.

Ach ja, geklatscht wurde natürlich auch; selbst Hochrufe waren zu hören. Ob das Claqueure waren?

Nachdem ich diesen Text beschrieben hatte, wurde mir gesagt, daß die Oper in dieser Inszenierung sehr gelobt wird. Auch Aribert Reimann, so erfuhr ich, ist ein bekannter und berühmter zeitgenössischer Komponist. Wie peinlich! Trotzdem, liebe Leserin, lieber Leser, ich kann wirklich nichts mit der Musik anfangen und gestatte mir, das auch laut zu äußern.

 
     
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