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Am
19. Mai sah und hörte ich in der Deutschen Oper Berlin DAS SCHLOSS
von Aribert Reimann, Oper in zwei Teilen (9 Bildern), nach dem Roman von
Franz Kafka und der Dramatisierung von Max Brod, Textfassung vom Komponisten.
Ich haben alle diese Worte genau vom Programmzettel abgeschrieben, um
Ihnen die illustren "Teilhaber" an einem Kulturereignis zu schildern,
welches ich selber so großartig nicht empfunden habe.
Ich muß meine erste und zweite Bildungslücke
zugeben, daß ich, abgesehen von wenigen feuilletonistischen Ausschnitten
noch nie einen Text (Roman) von Franz Kafka (1883-1924) und Max Brod (1884-1968)
gelesen habe und auch nicht wußte, daß Brod ebenfalls aus
Prag stammt und mit Kafka befreundet war.
Meine dritte Bildungslücke besteht darin, daß
ich, meiner Erinnerung nach, den Namen Aribert Reimann (geb. 1936) noch
nie gehört habe, ein zeitgenössischer Komponist, dessen Auftragswerk
der Deutschen Oper Berlin DAS SCHLOSS ist. Der Komponist wird auf sechs
Seiten im Programmheft vorgestellt.
Da es mir nicht vergönnt war, vor der Vorstellung
das Programm und damit auch die Beschreibung der Handlung zu lesen, habe
ich an dem Abend nichts verstanden. Aber auch, nachdem ich am nächsten
Tag zum Frühstück die Inhaltsbeschreibung gelesen hatte, verstand
ich kaum etwas. Sicher, die Äußerlichkeiten schon: da wird
ein Landvermesser in ein Dorf mit Schloß gerufen, um ihm mitzuteilen,
daß er gar nicht gerufen worden ist. Alle anderen Absurditäten
hangeln sich um diese Kernabsurdität. Absurd, grotesk, kafkaesk,
um diese drei Begriffe gibt es im Programmheft ein fünfzehnseitiges
Gespräch zwischen dem Dramaturgen, dem Komponisten, dem Dirigenten,
dem Regisseur und dem Bühnenbildner. Von diesen fünf Beteiligten,
die benannt werden, tauchen in der Besetzungsliste merkwürdigerweise
nur noch drei Namen auf. Sehr viel Kluges wird da gesagt, Kafka und Brod
interpretiert, der Inhalt bzw. "tiefere Sinn" des Stückes
wird gedreht und gewendet. Ein komplizierter Text, der sich in keiner
Theaterpause lesen läßt. Da keimt bei mir die Vermutung auf,
daß das Programmheft und auch die Oper nur für Insider gemacht
worden sind und nicht für das "blöde" Volk, dem ich
angehöre.
Anstatt den Zeigefinger zu erheben und auf die verbrauchten
Steuergelder hinzuweisen, kann ich mitteilen, daß das Theater nur
zur Hälfte besucht war. Von dieser Hälfte ging zur Pause wieder
die Hälfte nach Hause; wenn das keine Abstimmung mit den Füßen
ist, ja, dann ist die Bürgerkultur kafkaesk geworden. Immerhin waren
die Charlottenburger Bürger - das damalige (Bildungs-) Bürgertum
- 1912 überaus stolz, dem schon brüchig gewordenen Feudalismus
der Hohenzollern an der Staatsoper Unter den Linden eine bürgereigene
Oper entgegensetzen zu können. Jetzt scheint selbst in Charlottenburg
die Herrschaft auf mittelmäßige Kulturfunktionäre übergegangen
zu sein.
Ach ja, geklatscht wurde natürlich auch; selbst
Hochrufe waren zu hören. Ob das Claqueure waren?
Nachdem ich diesen Text beschrieben hatte, wurde mir gesagt, daß
die Oper in dieser Inszenierung sehr gelobt wird. Auch Aribert Reimann,
so erfuhr ich, ist ein bekannter und berühmter zeitgenössischer
Komponist. Wie peinlich! Trotzdem, liebe Leserin, lieber Leser, ich kann
wirklich nichts mit der Musik anfangen und gestatte mir, das auch laut
zu äußern.
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