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Swinging
Berlin, ein Titel, der viel verspricht. Ein Musical auf der Bühne
des Theaters am Kurfürstendamm, keine klassische Musicalbühne,
aber eine Bühne für gediegenes Boulevardtheater.
Ich sah das Musical Swinging Berlin - Tanzen verboten
am 1. März 2005. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion von Martin Lingnau,
Thomas Matschooß, Heiko Wolgemuth und Edith Jeske. Es ist ein musikalisch
und tänzerisch sehr flottes Stück, wobei für meinen Geschmack
die Musik sehr laut war. Aber das gehört vermutlich zu dem Swinging
Berlin, welches Anfang der 40er Jahre spielt, während des Krieges,
im 3. Reich und in der damaligen Reichshauptstadt Berlin. Swing ist für
die Nazis undeutsch, "Niggermusik", ist verboten und wird als
oppositionell abgestempelt. Die jungen Menschen, die sich in einer Bar
am Kurfürstendamm (heimlich) treffen, die Musik zu hören und
danach zu tanzen, befinden sich somit außerhalb des Gesetzes. Sie
haben alle bereits Einberufungsbefehle, müssen also für ein
Regime ihre "Haut zum Markte tragen", welches sie nicht akzeptieren.
Sie sind notwendigerweise eine verschworene Gemeinschaft, der Barbesitzer,
seine Kapelle und die Swing-Kids.
Die Handlung geht auf wahre Begebenheiten zurück.
Die Verfasser packten in das Stück alles rein, was ihnen zum Swing
und zum 3. Reich einfallen kann, so daß so manches mit den Klischees
über die Gesellschaft und Machthaber des 3. Reiches übereinzustimmen
scheint: Die Fröhlichkeit und Sorglosigkeit der Jugend und deren
Lebenswillen, ein schwuler Barbesitzer, ein jüdisches Mädchen
als Verfolgte und Beschützte, Uniformierte des Regimes, die als naiv
bis dumm, aber auch als brutale Vollstrecker dargestellt werden, bestechliche
Beamte - es erschien mir fast zu viel an politischer Korrektheit, was
sich in diesem Musical wiederfand. Hinzu kam die Tragik des Verrats, durchgeführt
durch eines der Swing-Kids, eines jungen Mädchens, die ihren Freund
vor dem Fronteinsatz retten wollte. Als sie die Folgen ihres Verrates
sah, stürzte sie sich auf einen der Uniformträger und wurde
erschossen. Und da ja ein solches Stück ein glücklichen Ausgang
haben muß, wird dem Zuschauer suggeriert, daß die Flucht des
jüdischen Mädchens mit ihrem arischen Freund gelang. Es wirkte
fast wie "Friede, Freude, Eierkuchen": das ist Berlinerisch,
aber möglicherweise nicht nur.
Die Vorstellung war sehr gut besucht; wenige verließen
in der Pause das Haus. Der Applaus war stürmisch. |
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