Dieter Kersten - Juni 2006    
Theater: Maria Goos "Alte  Freunde (Cloaca)"
Oper: Mozart "Fragmente"
 
     
 

Es versprach ein interessanter Nachmittag/Abend zu werden, denn die Kritiken in den Boulevardzeitungen lasen sich alle sehr gut. So ging ich frohen Mutes am 19. März in das Renaissance-Theater und sah und hörte > Alte  Freunde (Cloaca) < von Maria Goos.

Die Vorstellung begann um 16 Uhr, was an dem Sonntag sehr angenehm war. Sollten Sie im Renaissance-Theater eine Vorstellung besuchen, dann kaufen Sie bitte kein Billett für einen Platz unter dem Balkon des 1. Ranges. Sie können dort leider fast nichts verstehen. Mir ist es unverständlich, daß solche ungeeigneten Plätze überhaupt verkauft werden.

Das Stück stammt von der Niederländerin Maria Goos und ist von Rainer Kersten übersetzt worden. Es ist die deutschsprachige Erstaufführung. Koproduzent ist das Stadttheater Klagenfurt. Die Premiere fand am 26. Februar 2006 in Berlin statt.

Warum das Stück den Zusatz Cloaca trägt ist mir völlig unklar. Jedenfalls reicht meine Fantasie nicht aus, irgendwelche Beziehungen zu der cloaca maxima des alten Roms zu entdecken.

Vier „alte Kumpel“, die zusammen studiert hatten, treffen sich nach Jahren mehr oder minder zufällig. Sie hatten sich  geschworen, füreinander einzustehen, aber jeder hat nicht nur seine eigene Entwicklung hinter sich, sondern auch spezifische Blessuren davongetragen. Alle haben ihre Probleme und keiner hört dem anderen wirklich zu. Alle haben „ihre“ Männerphantasien. Daraus ergeben sich spritzige wie auch nachdenkliche Dialoge. Ich finde, daß der Höhepunkt der Vorstellung ein wirklich gelungener Striptease von Janina Rudenska war. Sie ist die einzige Frau in diesem Stück und verdient es schon deshalb, mit Namen genannt zu werden. Die vier Männer haben aber auch sehr gut gespielt.

Im Straßenbild von Berlin, ich war in der letzten Zeit nur im alten West-Berlin, waren überall die Plakate mit der Werbung für dieses Theaterstück zu sehen. Trotz dieser Werbung und der guten Spielzeit waren höchstens zwei Drittel der Plätze belegt.

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(D.K.) Wir haben Mozartjahr, und da wird die Intendantin der DEUTSCHEN OPER BERLIN; Frau Kirsten Harms, verkündet haben, wir müssen etwas besonderes bieten. Aber was?  Das scheinbar Spektakuläre von Wolfgang Amadeus Mozart ist schon längst auf die Bühnen dieser Erde gebracht worden. Da muß „gezaubert“ werden, aber es zeigt sich, daß da auch Grenzen sind.

"Alle geistige Berührung gleicht der Berührung eines Zauberstabs. Alles kann zum Zauberwerkzeug werden." (Novalis)

Mozart hat natürlich allerhand Fragmente hinterlassen. Gerade bei schöpferischer Arbeit gibt es sehr viele „unvollendete“ Texte (Musik, Literatur) aus unterschiedlichsten Gründen. Manche Arbeiten sind auch nur Fingerübungen. 

Die Fragmente bzw. Fingerübungen werden ganz schnell Gegenstand der nachgeborenen Fachleute und manchmal auch zur „Kaffeesatz-Leserei“. Ich kann Komponisten und Schriftstellern nur raten, ihre Fragmente vor dem Tod zu vernichten.

Mozart hat eine von ihm aufgegebene Oper hinterlassen, die auf italienisch L’oca del Cairo, also auf deutsch Die Gans von Cairo heißt. Für den 1. Akt ist das Libretto vorhanden und zum Teil liegen Noten von Mozart vor. Vom Inhalt der folgenden zwei Akte sind nur Skizzen vorhanden. Aus diesem Fragment macht die Neuzeit ein abendfüllendes Programm, wobei die „aufgefüllten“ Musikstücke nur zum Teil von Mozart stammen. Aus allem wurde an diesem Abend die „Oper“ Fragmente. Das ist Etikettenschwindel.

Die „nackte“ Handlung ist simpel, wie bei manchen Mozart-Opern. Die Handlungen gewinnen durch die Musik, welche einfühlsam und dramatisch die einfachste Handlung auf die Bühne bringen. Mozart hat seine fertigen Opern in beispielloser Vollkommenheit durchkomponiert. Das fehlt natürlich bei Fragmente.

Ich sah die Oper unter diesem Titel am 18. April in der DEUTSCHEN OPER in Berlin-Charlottenburg. Die Inszenierung entspricht dem Stil unserer Zeit. Die Bühne war eine Abfallhalde, auf der die Rollen der nicht vollendeten Opern nach Auffassung des inszenierenden Roland Schwab geworfen wurden. Alle Akteure waren in einem schmutzigen Weiß gekleidet und fast alle krochen auf dem Bühnenboden herum. Zwei Fassadenkletterer der Firma akrobat Industriekletterer hingen an einer Seitenwand der Bühne. Diese beiden Industriekletterer begrüßten die Besucher schon an der Fassade über dem Eingang der Oper. Die Aufführung dauerte 105 Minuten ohne Pause. Keiner hatte die Chance, gesittet in einer Pause nach Hause zu gehen. Erfreulicherweise gab es nach dem Fall des Vorhanges nicht überhörbare Buhrufe, die abklangen, als die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne erschienen, diesmal alle aufrecht, was vermutlich auch eine Erholung für sie war. Ich hörte im Publikum die Meinung, daß die Sängerinnen und Sänger trotz fragwürdiger Inszenierung gute Arbeit geleistet hätten und deshalb die Buhrufe nicht verdienten. Die Frage aber sollte erlaubt sein: warum machen die Künstler bei einer solch zweifelhaften Inszenierung mit?

Die Inszenierung war insofern aufwendig, als neben dem Bewegungschor auch der übliche Chor mitwirkte.  Das hoch subventionierte Opernhaus war an diesem Dienstag nach Ostern (Schulferien) nur zur Hälfte besucht. Ich glaube, ich würde keine Auskunft bekommen, wenn ich die Kosten dieses Abend erfragen sollte.

 
     
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