Dieter Kersten - Januar 2008    
 

Theater: Gerhard Hauptmann "Der Biberpelz"

 
     
 

(D.K.) Am Mittwoch, den 28. November 2007 sah ich im Maxim Gorki Theater Berlin Gerhard Hauptmann's Diebeskomödie Der Biberpelz. Ich hatte im Januar 1995 das gleiche Stück in den Kammerspielen gesehen und im Februar 1995 besprochen. Es war, wenn Sie so wollen, eine konventionelle bzw. klassische Aufführung, die den komödiantischen Kern des Stückes nicht beschädigte. Sie können den Text meiner damaligen Besprechung im Internet lesen, und zwar auf der Webseite www.neuepolitik.com, unter Kultur, bitte bis zum Anfang der Seite scrolen.

Die Regisseure der Aufführung im Maxim Gorki Theater, Ronny Jakubaschk und Armin Petras, haben den Ehrgeiz, das Stück zu modernisieren.

Das Bühnenbild ist, variabel, mit oder ohne einem Elektroherd, einem Elektrokühlschrank, einem breiten Sofa und einem großen Teppich ausgestattet. Wieso Mutter Wolffen mit ihrer Tochter Holz stehlen mußte, wenn Holz in der "modernen" Fassung des Stückes gar nicht gefragt ist? Na klar, der Holzdiebstahl ist ein Teil der Handlung, aber selbst in einer Diebeskomödie müßte die Handlung in das Bühnenbild eingebettet sein.

Mutter Wolffen (Frau Wolff, immer noch Waschfrau [wo gibt es in Deutschland noch eine Waschfrau?]), die schlesisch-berlinernde "Kodderschnauze", eine "Type", wie man (nur in Berlin?) zu sagen pflegt, tritt im roten Kostüm und in einer Szene mit rosa Kittelschürze auf. Ein bißchen zu vornehm, um eine moderne HartzIV-Empfängerin darzustellen? Obgleich - ich habe im Fernsehen "Talkshows" gesehen, in denen die laut klagenden HartzIV-Damen mit "schnieke" Frisuren und Garderoben auftraten. Julius Wolff, ihr Mann, im Originalstück sicher nicht einer der Intelligentesten und Aktivsten, ist in dieser modernen Fassung ein kranker, etwas seniler alter Mann, der ständig auf dem Sofa sitzt und irgendetwas nuschelt. Ihre Töchter, das mag ja noch angehen, haben punkähnliche Kostüme an.

Der Amtsvorsteher von Wehrhahn, in der Originalfassung ein auch für mich immer noch arroganter "öffentlich Beschäftigter", ein "Klein-Mielke" oder auch "Klein-Schäuble" mit einer Ein-Mann-Stasi-Organisation ist völlig zur Karikatur geworden. So wie es der moderne Regisseur macht, ist es eine fast nicht zulässige Verharmlosung der Rolle. Zum Ende wird er nackend ausgezogen, was ja in einer modernen Inszenierung nicht fehlen darf. Es geht ja das Gerücht, daß die Progressivität einer Umdichtung einer klassischen deutschen Dichtung von hohem literarischen Wert danach bemessen wird, wie viel Leute nackend, obszön und auf dem Boden herumspielend sich bewegen.

Es wird einiges zugedichtet und einiges weggelassen. Der gestohlene Biberpelz wird seinem Eigentümer wieder zurückgegeben. Damit hat die moderne Regie eine Forderung des kaiserlich-königlichen Deutschlands erfüllt und ist zu Recht und Ordnung zurückgekehrt. Die Rollen der Frau Motes und des Amtsschreibers Glasenapp fehlen. Mir als Zuschauer blieb verborgen, ob die Frau, mit der der Rentier Krüger auftrat, seine Frau oder eine der Töchter von Frau Wolff ist. Im Original tritt keine Frau Krüger auf. In der Besetzungsliste ist sie auch nicht aufgeführt.

Im Textbuch von Bertelsmann aus dem Jahre 1959 steht: > irgendwo um Berlin <. Jetzt müßte vielleicht stehen: > irgendwo in Brandenburg < oder auch: > in der nördlichen Uckermark <. Dankenswerterweise ist im Programmheft ein kurzer Ausschnitt aus den > Gutachten zum demographischen Wandel im Land Brandenburg < abgedruckt. Die Gutachter empfehlen u.a. die Entvölkerung strukturarmer Landschaften. Aber das ist ein anderes Thema, auf welches ich vielleicht an anderer Stelle zurückkomme. Der Biberpelz soll damit zu tun haben. Das ist an "sehr langen Haaren" herbeigezogen und völlig ahistorisch.

Das Theater war sehr gut besucht. Es waren offensichtlich Abiturklassen im Saal, die am Schluß kräftig klatschten, johlten und pfiffen. Effekthascherei, Klamauk und eine - fast - fetzige Musik kommen gut an, wenn schon die Schulpflicht einem ins Theater treibt. Da fragt keiner nach dem Wert von Literatur und nach dem einst hochgelobten und tiefgehaßten Autor Gerhard Hauptmann.

 
     
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