(D.K.) Am Donnerstag, den 7. Januar sah und hörte ich in der DEUTSCHEN OPER in Berlin-Charlottenburg LA TRAVIATA von Giuseppe Verdi. Es handelt sich um eine Inszenierung von Götz Friedrich, die 86. Aufführung seit der Premiere am 20. November 1999. Götz Friedrich, geboren am 4. August 1930 in Naumburg (Saale) und gestorben am 12. Dezember 2000 in Berlin, war ein Schüler von Walter Felsenstein, einer der besten Opernregisseure der Nachkriegszeit. Götz Friedrich war von 1981 bis 2000 Generalintendant und Chefregisseur der Deutschen Oper Berlin. Es ist eine Meisterinszenierung, an der sich die heutigen Kulturschaffenden ein Beispiel nehmen sollten. Nicht alles, was „modern“ bzw. „fortschrittlich “gestaltet ist, erfreut das Herz des Kulturgenießers. Wenn Sie regelmäßig meine Berichte lesen, dann wissen Sie, was ich meine.
Giuseppe Verdi, geboren 10. Oktober 1813 in Le Roncole bei Busseto, gestorben 27. Januar 1901 in Mailand, hatte Pech mit seiner neuen Oper LA TRAVIATA, die am 6. März 1853 im Teatro La Fenice in Venedig das Licht der Welt erblickte. Sie fiel durch. Erst nachdem Verdi sie überarbeitet hatte, erreichte sie die Gunst des Publikums.
Vor etwa 35 Jahren, also Jahre bevor im vorigen Jahrhundert dieser historische und schöne Theaterbau in Venedig, La Fenice, abbrannte, sah und hörte ich dort "La Bohème" von Giacomo Puccini (1858- 1924). La Fenice war ein Theater mit einer ganz bestimmten (euphorischen?), einer äußerst angenehmen Atmosphäre, die zu beschreiben mir als nüchternen Deutscher sehr schwer fällt.
Nun aber zurück zu LA TRAVIATA: Wie in „La Bohéme“ geht es in LA TRAVIATA um eine tuberkulosekranke Frau. Während in „La Bohéme“ Mimi in das Künstermilieu gehört, so ist Violetta Valéry >die vom Wege Abgekommene<, auf italienisch >la Traviata<. Das Drama um die ebenfalls tuberkulosekranke Kokotte (Dirne, Halbweltdame) spielt im Paris des 19. Jahrhunderts. Die Idee zu dem Inhalt des Stückes lieferte Alexandre Dumas der Jüngere in seinem Roman Die Kameliendame. Das Libretto für Giuseppe Verdi schrieb Francesco Maria Piave.
Ein aktuelle Zwischenbemerkung: Alexandre Dumas war dunkelhäutig und ein Enkel einer Sklavin aus Haiti.
LA TRAVIATA ist eine nahezu klassische Oper des 19. Jahrhundert, mit viel Dramatik, einem kräftigen Chor und einer aktiven Statisterie.
Violetta Valéry und ein bürgerlich „anständiger“ junger Mann der Pariser Gesellschaft verlieben sich. Der Vater des jungen Mannes trennt dieses Paar mit allen dramatischen Folgen.
Violetta wird kraftvoll und leidenschaftlich von Elena Musuc, Sopran, gesungen, Alfredo Germont, der Geliebte Violettas, wird von dem Tenor Yosep Kang gesungen. Der Vater Georgi Germont wird kraftvoll und leidenschaftlich von Lado Atanell gesungen. Alle anderen Mitwirkenden bieten ebenfalls ein vorzügliches künstlerisches Ambiente. Es wurde italienisch gesungen. Die deutschen Übertitel waren für mich nicht lesbar.
Es war ein gelungener Abend.
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(D.K.) Leser, die den Kommentar- und Informationsbrief NEUE POLITIK und mich schon länger begleitet haben, werden sich erinnern, daß ich früher des öfteren ein Konzert besprochen habe. Da ich nicht alles machen kann, was ich gerne machen möchte, ist der Konzertbesuch in den letzten Jahren in den Hintergrund getreten.
Ich war am 17. Januar nach langer Zeit in der Berliner Philharmonie und hörte die Berliner Philharmoniker unter der Stabführung von Bernhard Haitink. Gespielt wurde die Symphonie Nr. 3 F-Dur op 90 und das Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op 15, beides von Johannes Brahms. Der Solist am Klavier war Radu Lupu.
Ich habe beim Lesen der Vorstellungstexte im Programmheft und in sonstigen Veröffentlichungen das Gefühl, daß ich mit meinem Urteil, welches das Urteil eines Laien ist, fast völlig neben den Expertenmeinungen liege. Die 3. Symphonie empfand ich als kalt, nüchtern, wenig spannend. Das Klavierkonzert Nr. 1 dagegen war farbenfroh und anregend. Brahms wird von vielen Fachleuten als legitimer Nachfolger von Beethoven bezeichnet.
Der Dirigent Bernhard Haitink, ein Niederländer, führte das Orchester mit sparsamen Bewegungen, ohne Hektik. Der Solist Radu Lupu, ein Rumäne, war lebhaft und präzise.
Das Philharmonische Orchester ist ein einzigartiger Klangkörper, ohne den das beste Musikstück, der beste Dirigent oder Solist nicht wirken kann. Dieser Klangkörper besteht aus Menschen unterschiedlichster nationaler Herkunft. Hier funktioniert die Globalisierung zu unser aller Genuß, was ich von der Welt-Ökonomie leider nicht sagen kann.
Johannes Brahms wurde, in einfachen Verhältnissen, am 7. Mai 1833 in Hamburg geboren und starb am 3. April 1897 in Wien. Erwähnenswert scheint mir noch zu sein, daß er mit Clara Schumann befreundet war. Sein künstlerischer Blick reichte zumindest von Beethoven bis in die Romantik. Aber vielleicht ist das schon wieder eine Verkürzung kultureller Blickwinkel!?
Die Symphonie Nr. 3 entstand 1883 und wurde im gleichen Jahr in Wien am 2. Dezember uraufgeführt. Das Klavierkonzert Nr. 1 entstand 1854/1859 und wurde am 22. Januar 1859 in Hannover uraufgeführt.
Die Philharmonie war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Mir fiel auf, daß die Menschen unter 40 Jahren in der Minderheit waren. Leider! Hat das was mit der Musikerziehung in Familie, Schule und Gesellschaft zu tun?
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