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(D.K.) Am 7. Februar 2010 sah ich im Maxim-Gorki-Theater Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt, bearbeitet von Armin Petras. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion des Staatsschauspiels Dresden und des Maxim-Gorki-Theaters.
Der Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Maler Friedrich Josef Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen/Schweiz geboren und starb am 14. Dezember 1990 in Neuenburg/Schweiz.
Armin Petras hat nicht nur das Stück bearbeitet, sondern er führt auch Regie. Möglicherweise war es schon immer so, daß Stücke bekannter Dramatiker „bearbeitet“ wurden, weil die jeweiligen, sich modern verstehenden, Theatermacher nicht in der Lage sind, ein originäres (eigenes) Stück zu schreiben. Ich kann es nur erahnen, wie viel Dürrenmatt bei der Bearbeitung verloren gegangen ist. Ich brauche mir nur die Zahl der Rollen ansehen. In der aktuellen Version sind neun Rollen besetzt, Dürrenmatt hatte 32 Akteure vorgesehen. Irgendwo las ich, daß durch Verringerung der Rollen bei Der Besuch der alten Dame viel an Handlung (Witz) verloren gegangen ist.
Im NEUEN DEUTSCHLAND stand, daß fast 90 Prozent des Textes von Petras sind. Da schmückt sich doch einer mit fremden Federn! Laut Internet schreibt Armin Petras erfolgreich eigene Stücke. Warum tut er es nicht in diesem Fall?
Das Thema des Stückes von Dürrenmatt ist so alt wie die Menschheit: Inwieweit ist der Mensch bzw. die Gesellschaft bestechlich, bzw. bereit, jede Moral, Freiheit und Zivilisierung aufzugeben (zu opfern), wenn jemand eine Milliarde Euro für einen Mord auslobt?
Die „alte“ Dame, im Dresdner/Berliner Stück als „Clara, eine schöne Frau“ genannt, war als junges Mädchen, als ehrlose Dirne, weil unverheiratet und schwanger, vom Kindesvater verleugnet, aus der kleinen Heimatstadt gejagt geworden und wurde, in der neuen Fassung von Petras, republikflüchtig (verließ die DDR). Sie kehrt nach der Wende als reiche Frau zurück und lobt eine Milliarde Euro für die Stadt und ihre Bewohner aus, wenn die Bürger der Stadt den Kindesvater und ehemaligen Geliebten umbringen. Die Bewohner, gerade frisch mit der BRD (alt) „wiedervereinigt“, mit den Idealen Demokratie und Freiheit versorgt, moralisieren und zieren sich, diese Mordtat gegen Geld zu vollbringen, bis sie dann doch geschieht.
„Clara, die schöne Frau“ verlangt Gerechtigkeit“. Auch eine schöne Vokabel, die heute sehr viel benutzt (und mißbraucht) wird.
Die Dramatik der Handlung, eingeengt durch die verringerte Zahl der Akteure, wird durch leises Sprechen (wenig) und sehr lautes Sprechen - kreischen - (sehr oft) - vermeintlich unterstützt. Die Sprache und die Wörter gehen dabei verloren.
Gesungen wird übrigens auch, das scheint die neueste Theatermasche zu sein. Will man auf diese Art die Operette wieder stilbestimmend machen?
Fast beim ersten Kreischen einer Akteurin auf der Bühne verließ eine Dame den Zuschauerraum. Ansonsten war das Maxim-Gorki-Theater gut besucht. Es gab viel Applaus.
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(D.K.) Am Sonnabend, den 13. März 2010, sah und hörte ich in der Komischen Oper in Berlin, die Opera seria in drei Akten, Orlando, von Georg Friedrich Händel. Wenn Sie sich aufführungsneutral über das Stück im Internet informieren wollen, dann rufen Sie bitte die Wikipedia-Seite von Georg Friedrich Händel auf und tippen in der Aufstellung seiner Opern Orlando an. Ich habe das, bevor ich mir die Oper ansah, getan und war beim Lesen des Inhaltes der Oper Orlando fast entsetzt über die Primitivität des Märchens.
Wenn Sie im Internet nur Orlando auswählen, dann kommen seitenweise Informationen über die US-Stadt Orlando/Florida und über einen Vergnügungspark in Kalifornien.
Sie können sich vielleicht entsinnen, daß ich bereits in der Ausgabe Juli/August 2009 über Orlando Paladino von Joseph Haydn berichtet habe. Es geht immer wieder um die Geschichten mit Ritter Roland, der jahrhundertelang in der Kulturgeschichte Europas eine große Rolle gespielt haben muß.
Georg Friedrich Händel, den ich jetzt gehört habe, ist am 23. Februar 1685 in Halle a. d. Saale, Herzogtum Magdeburg, geboren und am 14. April 1759 in London gestorben. Er war ein deutsch-englischer Komponist in der Epoche des Barocks. Sein Hauptwerk umfaßt 46 Opern und 25 Oratorien – darunter den Messias mit dem bekannten Chorwerk „Halleluja“ – sowie zahlreiche Werke für Orchester und Kammermusik. Händel, dessen künstlerisches Schaffen sich auf alle musikalischen Genres seiner Zeit erstreckte, war gleichzeitig als Opernunternehmer tätig. Er gilt als einer der fruchtbarsten und einflussreichsten Musiker überhaupt. Händels Werke gehören seit mehr als 250 Jahren ununterbrochen zum Aufführungsrepertoire, länger als die jedes anderen Komponisten.
Auf der Bühne der Komischen Oper kam die „Märchenoper“ Orlando nicht so primitiv daher, wie die schnöde Inhaltsangabe im Internet suggerierte. Der Musikalischen Leitung durch Alexandro De Marchi, der Inszenierung durch Alexander Mørk Eidem und dem Bühnenbild von Erlend Birkeland gelang es, der Handlung von Liebe, Eifersucht und Intrige den richtigen Rahmen zu geben. Es wurde auf Deutsch gesungen (deutsche Textfassung von Werner Hintze). Die Rollen von Orlando und Medoro wurden von Frauen gesungen, was offensichtlich damit zu tun hat, daß zu Händels Zeiten Kastraten diese Rollen sangen. Ich finde, daß solche Rollen von Tenören gesungen werden sollten. Hinzu gedichtet wurde „Isabella, Zarathustras Assistent ...“, tatsächlich aber eine „Assistentin“, eine Freudsche Fehlleistung im Programm, auch von einem Mann gespielt. Die Rolle des Zarathustra wurde von dem Tenor Wolf Matthias Friedrich gesungen. Zarathustra gibt dem Stück Struktur und Spannung. Von Beginn an verfolgt Zarathustra, für Vernunft und maßvolle Gefühle plädierend, nur ein Ziel: Orlando von seinem Liebeswahn zu heilen und wieder auf seinen Beruf als Ritter zurückzuführen.
Das Orchester der Komischen Oper Berlin bedarf einer besonderen Erwähnung. Es wurde zum Barockorchester, mit so seltenen Musikinstrumenten wie Theorbe, Erzlaute und Viola d’amore. Es ist ein besonderes Musikerlebnis, ein originales Barockorchester zu hören.
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