Dieter Kersten - Januar / Februar 2011    
 

Theater: Thomas Bernhard:
"Einfach kompliziert"
Oper: Giacomo Puccini "La Bohème"

 
     
 

(D.K.) Am 25. Mai sah und hörte ich im Berliner Ensemble (Theater am Schiffbauer Damm, Bertold-Brecht-Theater) das Stück von Thomas Bernhard Einfach kompliziert, eine Koproduktion mit dem Burgtheater Wien. Es hatte am 12. Februar 2011 Premiere im Akademietheater Wien und am 17. Februar 2011 im Berliner Ensemble. Das Stück ist von Thomas Bernhard dem Schaupieler Bernhard Minetti zum 80. Geburtstag am 26. Januar 1985 gewidmet.

„Er, ein alter Schauspieler“wird von Gert Voss gespielt. Es ist ein Ein-Personen-Stück, sieht man davon ab, daß ein neunjähriges Mädchen, „Katharina“ genannt, Milch bringt und ein paar piepsige Sätze aufsagt.

Gert Voss ist Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und Kammerschauspieler.1995 wurde Gert Voss von der Times zum besten Schauspieler Europas gekürt.

Einfach kompliziert war eine sehr kraftvolle Aufführung, die, ich muß es schreiben, alle meine Erwartungen übertraf. Meine geringen Erwartungen betrafen eigentlich mehr Thomas Bernhard, den ich mit einem mir nachherein als merkwürdig empfundenen Vorurteil bedachte. Ich bin nun aufgeklärt worden.

Das Bühnenbild zeigt ein etwas heruntergekommenes Zimmer, vermutlich in einem Altenheim. “Der alte Schauspieler“, ist damit beschäftigt, Mäuselöcher zuzunageln und erinnert sich in Monologen an die Rollen und Texte, die er im Theater gespielt und gesprochen hat. Er nutzt dabei alte Requisiten mit ausgesprochener Eleganz.

Ich habe mich, mit Hilfe des Internets, mit Thomas Bernhard beschäftigt. Er ist am 9. Februar 1931 in Heerlen, Niederlande; geboren und starb am 12. Februar 1989 in Gmunden, Österreich. Er ist ja besonders in Österreich umstritten, weil er an den politischen Trägern der Republik „kein gutes Haar“ lies. Seine Bitterkeit kam auch aus seiner persönlichen Geschichte.

Ich entnehme Wikipedia: „Thomas Bernhard wurde als uneheliches Kind in Heerlen (Niederlande) geboren, wo seine Mutter Herta Bernhard (1904–1950) als Dienstbotin arbeitete. Herta Bernhard war die Tochter Anna Bernhards und des Schriftstellers Johannes Freumbichler. Thomas Bernhards Vater war der Tischler Alois Zuckerstätter. Ab Juli 1932 lebte Thomas Bernhard bei seinen Wiener Großeltern. ... Seinen leiblichen Vater, der im Jahr 1940 in Berlin durch eine Gasvergiftung starb, wobei man Suizid vermutet, hat Bernhard nie kennen gelernt. Seine Mutter heiratete 1936 den Friseurgesellen Emil Fabjan, mit dem sie 1937 nach Traunstein übersiedelte. 1941 wurde Bernhard nach Konflikten mit der Mutter in ein nationalsozialistisches Erziehungsheim im thüringischen Saalfeld geschickt, wo er traumatische Erfahrungen machte. Ab 1943 wurde er im NS-Internat „Johanneum“ in Salzburg untergebracht. ... Nach den schweren Bombenangriffen auf Salzburg verbrachte Bernhard einige Zeit beim Großvater in Traunstein, kehrte jedoch noch 1945 ins nunmehr katholische „Johanneum“ zurück .... In seinen oft verschachtelten Sätzen spürt man die Atemlosigkeit, unter der er infolge seiner Lungenkrankheit Zeit seines Lebens zu leiden hatte. Seine Erregungen, seine innere Wut, die Ausdruck immer wieder erlittener Verletzungen und Enttäuschungen des jungen Bernhard sind, kommen in den Monologen seiner Theaterfiguren und den Gedanken seiner Ich-Erzähler in den Prosatexten oft zum Vorschein ... als Bettnässer hatte ihm die Mutter das uringetränkte Leintuch unter die Nase gerieben und dann am Balkon aufgehängt.

Das Theater war gut besucht. Es wurde begeistert geklatscht.

Das Programm-“Heft“ ist ein Programmbuch (Berliner Programmbuch Nr. 127) und kostet € 5,-. Es enthält den Text der Aufführung, Lebensbilder und Eine Theatergeschichte Bernhards in Bildern.

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(D.K.) Es ist das erste Mal, daß ich ein Programmheft (fast) vorbehaltlos loben kann, und zwar das zu der Oper La Bohème von Giacomo Puccini in der Inszenierung von Andreas Homoki, Musikalische Leitung Patrick Lange, an der Komischen Oper in Berlin. Gesehen und gehört habe ich die 42. Aufführung am 17. Juni 2011 (Premiere am 6. April 2008). Das Programmheft erklärt die moderne Aufführungs-Praxis, den leicht modernisierten Inhalt (Text) und den ideologischen Hintergrund.

Giacomo Puccini wurde am  22. Dezember 1858 in Lucca geboren und starb am 29. November 1924 in Brüssel.

Giacomo Puccini
Giacomo Puccini

Das Libretto (Text) für La Bohème wurde von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach dem Roman „Les scènes de la vie de bohème“ von Henri Murger verfaßt. Die Uraufführung fand am 1. Februar 1896 im Teatro Regio in Turin unter Arturo Toscanini statt. Die deutsche Erstaufführung am Deutschen Opernhaus in Berlin dirigierte Ignatz Waghalter.

Die nachstehende Erklärung für das Wort Bohème stammt aus dem Internet (Wikipedia): Der Begriff „Bohème“ stammt ab von der französischen Bezeichnung bohémien (ab dem 15. Jahrhundert) für die aus Böhmen kommenden Zigeuner. Der Charakter der Herkunftsbezeichnung verlor sich im Französischen wie im Deutschen, so daß bohémien wie auch "Zigeuner" Ausdruck unordentlicher, liederlicher Sitten und nicht mehr ethnischer Zugehörigkeit wurde. Deutsche und österreichische Prostituierte wurden unter dem gemeinsamen Titel „Böhminnen“ im 19. Jahrhundert in Italien, der Levante und dem Orient gehandelt. Die Bedeutung als abwertende Bezeichnung für "fahrendes Volk" behielt der Begriff bis Mitte des 20. Jahrhunderts.

Giacomo Puccini hat, dem Sprachgebrauch seiner Zeit entsprechend, La Bohème auf die Künstler bezogen, die, teilweise arm, einen besonderen freizügigen Lebensstil zelebrierten.

Vier Künstler, Freunde, darunter ein Dichter, alle „freischaffend“, ohne Geld, feiern Weihnachten. Der Dichter Rodolphe lernt Mimi kennen. Beide verlieben sich ineinander. Mimi hustet; sie hat Tuberkulose. In der Dramatik des Stückes trennt sich Rodolphe von Mimi. Am Schluß des Stückes, ein halbes Jahr später, will die todkranke Mimi Rodolphe noch einmal sehen. Sie stirbt  neben einem reich gedeckten Tisch, höchst dramatisch, an ihrer Krankheit.

Die Tränen im Saal flossen reichlich.

Die aktuelle deutsche Textfassung der jetzigen deutschen Inszenierung stammt von Bettina Baartz und Werner Hintze. Deshalb wird auf der Bühne in deutscher Sprache gesungen. Text und Inhalt unterscheiden sich ein wenig vom Original und haben sich dem modernen Bühnenbild angepaßt. Es wird in üblicher Straßenkleidung gespielt.

Es ist Homoki gelungen, seiner Inszenierung den italienischen Flair zu bewahren und den Spannungsbogen der Oper zu erhalten. Dabei spielt mit Sicherheit die dramatisch/anheimelnde Musik Puccinis eine wesentliche Rolle. La Bohème ist und bleibt eine italienische Oper. Inhalt und Sprache passen zusammen. Das läßt sich nicht wegloben.

Meine „alte“ Kenntnis von La Bohème geht auf den Besuch einer Aufführung vor ungefähr 35 Jahren in dem inzwischen leider abgebrannten alten Opernhaus in Venedig zurück. Die Aufführung damals war sehr eindrucksvoll. Auf der Bühne agierte ein junges Ensemble mit unverbrauchten Gesangsstimmen und im Zuschauerraum saßen fast nur Italiener. Es ist  nicht zu beschreiben, was für eine Begeisterung in diesem ausverkauften Opernhaus mit La Bohème erzeugt wurde. Diese Begeisterung war die Eintrittskarte wert, abgesehen davon, daß mich die jungen Sängerinnen und Sänger und das flotte Spiel sehr beeindruckten.

Auch am 17. Juni waren viele junge Menschen im Zuschauerraum der Berliner Komischen Oper. Der Applaus war überzeugend. Nur ausverkauft war das Haus nicht. Da frage ich mich, warum?

 
     
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