Dieter Kersten - Januar / Februar 2012    
 

Theater: Neil Simon: "Roses Geheimnis"
Theater: Sean O’Casey "Das Ende vom Anfang"
Oper: W. A. Mozart "Die Zauberflöte"

 
     
 

(D.K.)  Die Sommerzeit ist vorbei und die Theaterzeit beginnt. Die Theaterzeit hatte - für mich - ihren Start in dem vielleicht kleinsten Theater Berlins, im KLEINEN THEATER in Berlin-Friedenau am Südwestkorso.

Ich sah am 7. September das Theaterstück Roses Geheimnis, Originaltitel Rose and Walsh des us-amerikanischen Autors Neil Simon. Im Internet, bei Wikipedia, wird er als einer der populärsten Dramatiker der USA beschrieben. Die Welt-Premiere des Stückes Roses Geheimnis fand am 5. Februar 2003 statt. Wo? Ich konnte es nicht ermitteln.

Die Geschichte des Stückes ist die zweier Liebes-Beziehungen. Die eine Liebesbeziehung besteht über den Tod hinaus, wird sozusagen außerirdisch, die andere Liebesbeziehung ist und bleibt irdisch. Die Idee ist spaßig:  Die erfolgreiche Schriftstellerin Rose ist seit vielen Jahren dem ebenso berühmten Kriminalautor Walsh in inniger Liebe verbunden. Die beiden sind das perfekte Paar: Sie diskutieren miteinander, lieben und streiten sich, bezeugen sich jeden Tag gegenseitig ihre Zuneigung. Was tut es da zur Sache, daß Walsh schon seit fünf Jahren tot ist und ihn außer Rose niemand sehen kann?  Für Rose ist Walsh immer noch da. Sie unterhält sich mit ihm. Für sie ist er sichtbar. Die Dialoge finden zwischen einem Geist und einer irdischen Person statt, was bei  Gavin und Arlene Verwirrung erzeugt.

Eines Tages beschließt der tote Walsh, nun endgültig und für immer zu gehen. Diese Entscheidung bringt Rose aus dem Gleichgewicht. Unabhängig von dieser Entscheidung warten große finanzielle Schwierigkeiten auf sie. Walsh hat einen unvollendeten Roman hinterlassen. Er empfiehlt den jungen Autor Gavin. Er soll Rose helfen, den Roman zu vollenden. Das gelingt, aber auch seine Liebe zu Arlene, der Tochter von Rose. Rose stirbt. Ein fröhliches Geister-Ehepaar steht auf der Bühne einem fröhlichen irdischen Paar gegenüber.

Es ist eine amüsante Komödie, flott und gut gespielt. Auf der Webseite wird das Stück als  ein tragikkomisches Liebesspiel bezeichnet. Von den 99 Plätzen des Theaters waren ca. 60 Plätze besetzt. Schade, ich hätte dem Theater ein volles Haus gewünscht.

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(D.K.) Es tut mir ausgesprochen leid, aber was sein muß, muß sein. Es ist nicht alles Komödie, was in der Komödie am Kurfürstendamm aufgeführt wird und es ist nicht alles wirklich sehenswert, was der irische Dramatikers Sean O’Casey (1880 - 1964) herausgebracht hat. Der letzte Halbsatz könnte sich jedoch auf die spezielle Inszenierung beziehen, die ich am 28. September 2011 gesehen habe.

Es handelt sich um das Stück Das Ende vom Anfang von Sean O’Casey. Die beiden Hauptfiguren werden von Florian Martens und Achim Wolff gespielt, zweibekannten Film- und Fernsehschauspielern, die der Komödiesicher auch als Kassenmagnet dienen.

Ein Bauern-Ehepaar streitet sich, wer von beiden am meisten arbeiten muß. Schließlich übernimmt sie, die Bäuerin, die Feldarbeit und er, der Bauer, den Haushalt. Er bekommt Besuch von einem stark kurzsichtigen Freund, der ihm helfen will. In „Dick und Doof“-Manierund mit reichlich viel Klamauk wird der ganze Haushalt durch-einander gebracht. Mir hat das keinesfalls gefallen; das Publikum hat reichlich geklatscht und gejubelt.

Das Ende vom Anfang trägt das Erscheinungsdatum 1937. Das kleine Stück gehört zur Gattung der Farce, die im englischen Theater des 18. und 19. Jahrhunderts einem längeren Schauspielabend als Ouvertüre (Curtain raiser) oder als satyrspielartiger Abschluß (After-piece) zugeordnet war.

Ich bin, ja, Sie lesen richtig, der Springer-Zeitung Berliner Morgenpost für die Überschrift der Theaterkritik 27. September 2011 sehr dankbar: > "Das Ende vom Anfang" - die Gag-Maschine stottert.< Auch ZITTY Das Hauptstadtmagazin meldet: > So steht es im Skript und so wird es erledigt. Chaos ohne Wahnwitz. Für ein lustvoll schweinigelndes Desaster sind die beiden Typen einfach zu nett.<

Ich fand das Spiel zu blöd, aber"Das Lachen ist eine fröhliche Erklärung des Menschen, daß das Leben lebenswert ist." (Sean O’Casey)
Das Theater war gut besucht.

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(D.K.) Wie schlecht doch das eigene Gedächtnis sein kann. Gefragt, wie lange es her ist, daß ich Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart (* 27. Januar 1756 in Salzburg; † 5. Dezember 1791 in Wien) gesehen und gehört habe, sagte ich in den Wochen vor dem 1. November v.J., „bestimmt“ vor 20 oder 30 Jahren. Es war aber am 3. Oktober 2003, die 182. Aufführung seit der Premiere am 24. September 1991. Es kommt noch schärfer: es ist auch die gleiche Inszenierung von Günter Krämer, die ich acht Jahre später, am 1. November 2011 gesehen habe - nunmehr die 272. Vorstellung.

Ich sah und hörte am 1. November 2011 die Oper im gleichen Opernhaus wie damals, und zwar in der Deutschen Oper in Berlin-Charlottenburg.

Sie können die „alte“ Besprechung unter „Kultur“ im Oktober 2003 auf der Webseite www.neuepolitik.com nachlesen.

Viel interessanter als diese Äußerlichkeiten ist der Inhalt meiner damaligen Besprechung. Unerfahrenheit, mangelnde Kenntnisse und Oberflächlichkeit haben mich zu schnellen Kritiken verführt. 

Es bleibt mir nichts anderes übrig, das Urteil über Sarastro, dem Oberpriester des Tempels von Isis und Osiris, zu revidieren. Er ist nicht der Böse in diesem Märchen Die Zauberflöte. Sarastro ist der italienische Name für Zarathustra und personifiziert somit den Hüter der Weisheit.

Das Bühnenbild habe ich 2003 als „märchenlos nüchtern“ bezeichnet. Ich kann dieses Urteil nicht mehr nachvollziehen.

Die Zauberflöte ist eine melodienreiche und ereignisreiche Oper, hier mit einem guten Chor und einer guten Statisterie.

Von den 17 Gesangssolisten  kamen am 1. November 2011 10 Solisten aus dem Ausland. Ich möchte es als ein Besetzungsdesaster bei einer Oper bezeichnen, die von Anfang an als „deutsche Oper“ vorgestellt wurde, um sich von den damals üblichen „italienischen Opern“ sprachlich, aber auch musikalisch abzusetzen. Es ist schon bei vielen deutschen Solisten ungemein schwer, den Text zu verstehen, weil, so nehme ich an, sie bei der Gesangsausbildung nicht gelernt haben, deutlich zu artikulieren. Die fremdsprachlich geschulten Solisten haben es - natürlicherweise - schwerer mit der deutschen Sprache, so wie es in der deutschen Sprache geschulten Sängerinnen und Sänger es schwer haben werden, in fremden Sprachen artikuliert zu singen.

Ich bedaure sehr, daß die deutsche Opernkultur anscheinend nicht mehr gepflegt wird. Sie ist für die Kulturen der Welt genauso wichtig wie beispielweise die russische, die französische und die spanische Opernkultur. Nur die Vielfalt schafft kulturelles Lebensglück.

Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 30. September 1791 in Wien im Theater im Freihaus auf der Wieden uraufgeführt. Das Libretto stammt von Emanuel Schikaneder.

Im Jahr 1816 wurde Die Zauberflöte zum ersten Mal in Berlin aufgeführt. Karl Friedrich Schinkel, der große preußische Baumeister und Künstler, schuf dafür zwölf fantastische Bühnenbilder orientalisierender Landschaften, Tempelanlagen, düsteren Gewölben und Sternenglanz beim Auftritt der Königin der Nacht mit Sternenkuppel und schmaler Mondsichel.

Schon in meiner alten Besprechung von 2003 wies ich auf das lesenswerte Programmheft hin. Abgesehen von dem vorzüglichen Inhalt des Heftes: es ist mit einer deutlich lesbaren Schrift gedruckt, was sehr wohltuend ist.
Die Vorstellung am 1. November 2011 war gut besucht.

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(D.K.) In der Wochenzeitschrift DER SPIEGEL Nr. 43 wird unter Kultur am 24. Oktober 2011 über das neu erstandene bzw. rekonstruierte Bolschoi-Theater in Moskau berichtet. Zitiert wird Galina Wischnewskaja, Sopranistin,  von 1952-1974 die Primadonna assoluta des Bolschoi, Witwe des 2007 verstorbenen Mstislaw Rostopowitsch, russischer Cellist, Dirigent, Pianist und Humanist: Wenn man sie fragt, was für sie, die zwar Staatskünstlerin, aber auch Dissidentin gewesen ist, dagegen spricht,  Opern moderner zu zeigen, antwortet sie: „Ich weiß nicht, warum das nötig ist, in das Werk von Genies einzugreifen. Tschaikowski wußte, was er tat, Puschkin auch.“

Richard Wagner, *22. Mai 1813 in Leipzig; † 13. Februar 1883 in Venedig im Palazzo Vendramin-Calergi, auch?

An dieses Interview mußte ich mich erinnern, als ich am 21. Dezember 2011 in der Deutschen Oper Berlin (Charlottenburger Oper) Tannhäuser von Richard Wagner sah. Es war die 22. Aufführung seit der Premiere der Inszenierung von Kirstin Harms vom  30. November 2008.

Wagner hat mehrere Fassungen der Oper hinterlassen; bei der Fassung, die ich am 21. Dezember sah und hörte, soll es sich laut Prospekt um  die Dresdner Fassung handeln, also um die Fassung der Uraufführung am 19. Oktober 1845 in Dresden.

Wagner hat nicht nur komponiert, sondern er war auch sein eigener Librettist.
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg gehört zum deutschen kulturellen Erbe. Wagners Text beruht auf Märchen, Sagen, auf überlieferten historischen Begebenheiten aus dem deutschen Mittelalter und seinen Vorzeiten. Wenn man „Geschichte im Blut“ hat, wie ich es manchmal von mir behaupte, kann man sich stundenlang damit beschäftigen und sich im Thema verlieren. Ich habe zum Beispiel das Manuskript meines Vortrages über Walther von der Vogelweide, Minnesänger, *um 1170 (Geburtsort unbekannt); † um 1230, möglicherweise in Würzburg, der in dieser Oper als Teilnehmer des Sängerkrieges auftritt, hervorgeholt. Ich habe diesen Vortrag 1955 gehalten, 16 Jahre alt, und ziemlichen Ärger mit meiner Lehrerin gehabt. Lang ist es her!

Der aktuelle Tannhäuser ist eine Inszenierung der scheidenden Intendantin Kirsten Harms. Dem Programm ist eine Aufstellung aller Inszenierungen des Stückes in der Deutschen Oper seit 1915 beigefügt. Die Inszenierung von Kirsten Harms ist die erste Aufführung, in der die Partien der Venus und der Elisabeth von der gleichen Sängerin (am 21. Dezember: Petra Maria Schnitzer) gesungen werden. Nun ist, aus der heutigen Sicht, der Unterschied zwischen der angeblichen unerotischen Minne und der erotischen Liebe des Mittelalters nicht so groß, als daß wir uns daran festhalten sollten. Auch die Heilige Elisabeth wird eine erotische Ausstrahlung gehabt haben, sonst hätte Tannhäuser nicht beide Damen geliebt: Venus und Elisabeth. Es ist dennoch eine Abweichung von den Vorstellungen des Komponisten.

Die zweite Abweichung vom vorgegebenen Libretto (oder heißt es hier besser: von Regieanweisungen des Komponisten?) ist der berühmte Pilgerchor aus dem Tannhäuser, ganz zum Schluß, im letzten Akt der Oper. Der Chor der aus Rom zurückkehrenden Pilger liegt in Krankenbetten. Ja, Sie lesen richtig, die Bühne ist mit Krankenhausbetten vollgestellt, dicht bei dicht, so dicht, wie es heute selbst in unseren  heruntergekommenen Krankheitsdiensten nicht üblich ist.

Die Vorstellung war gut besucht. Alle Sängerinnen und Sänger haben gut und deutlich gesungen. Das Orchester war, wie immer, vorzüglich. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg verlangt einiges von den Interpreten  und dem Publikum: die Vorstellung dauerte von 18.30 Uhr bis 22.30 Uhr einschließlich zwei Pausen von je 30 Minuten.

 
     
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