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(D.K.) Mit dieser Theaterkritik befinde ich mich in Konkurrenz mit unendlich vielen, langen und kurzen, Texten aus dem Internet. Das Theaterstück ANDORRA von Max Frisch scheint deutschlandweit in den Schulen ein beliebtes Thema zu sein und hat dementsprechend viele „Schularbeiten-Hilfsseiten“. Auch am 22. März war das BERLINER ENSEMBLE (Brecht-Theater = Theater am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte) mit Schulklassen gut gefüllt.
Wie fast immer werde ich mich mit den schauspielerischen Leistungen an diesem Abend nicht befassen. Ich würde nur Kritik üben, wenn ich nach meiner Meinung eine besonders herausragende oder schlechte Leistung bemerke. Der Regisseur des Stückes ist der bekannte Theatermann Claus Peymann.
Weshalb das Stück ANDORRA heißt? Das Theaterstück hat mit dem Pyrenäen-Staat nichts zu tun, außer, daß das real existierende Andorra so schön weit weg liegt und Max Frisch nicht zu fürchten brauchte, irgendwelche Empfindlichkeiten zu erzeugen.
ANDORRA wurde am 2. November 1961 im Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Kurt Hirschfeld uraufgeführt und als eines der wichtigsten Theaterstücke nach dem Zweiten Weltkrieg gefeiert.
Es geht in dem Stück um einen jungen Mann, der Andri heißt, und dessen Herkunft unklar zu sein schien. Auf diesen jungen Mann, aufgezogen von einem Lehrer, projizieren sich alle abartigen Phantasien der gelangweilten und unterentwickelten, aber dennoch „zivilen“ Gesellschaft des fiktiven Dorfes Andorra. Andri wird als „Jude“ bezeichnet, zumal er über einige (positive!) Fähigkeiten zu verfügen scheint, die ein Durchschnittsbürger von Andorra nicht hat. Wie fast immer bei diesen Bezeichnungen - es gibt keinen Juden im Ort, keiner kennt einen Juden, alle wissen aber genau, was ein Jude ist!!?? Na, klar, da gibt es überhaupt keine Ausrede!
Andri hat die Markierung als „Jude“ so verinnerlicht, daß er selbst glaubt, ein „Jude“ zu sein.
Ein „Jude“ zu sein, heißt anders zu sein, sagt er.
Andri ist, so stellt es sich heraus, der uneheliche Sohn des Lehrers, gezeugt mit einer Frau aus dem Nachbardorf, mit dem es nicht näher bezeichnete Händel gibt.
Die inneren und äußeren Konflikte häufen sich und führen zu einem gewaltsamen Tod von Andri.
Meine Inhaltsangabe ist nicht komplett. Es gibt dreizehn Mitwirkende, die alle was zu sagen und zu spielen haben.
Mich interessierte am meisten die Markierung des Andri als „Jude“. Die aktuelle, weitgehend anonyme Internet-“Blogger-Welt“ der Jetztzeit (der „Nach-Frisch-Zeit“), mit ihrem sehr oft geäußerten Haß auf Andersdenkende, Besserverdienende und Glücklichere, erfüllt heutzutage die Funktion des Prangers, der öffentlichen Verleumdung, welcher Andri ausgeliefert war. Wer ist „Jude“ heutzutage? Wer wird heute an den Pranger gestellt, verehrte Leserin, verehrter Leser und natürlich auch verehrte Schülerin und verehrter Schüler? Ist die Anonymität nicht noch schlimmer als der offizielle, „mittelalterliche“ Pranger, wo jeder für jeden erkennbar war?
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(D.K.) Ich sah und hörte am Montag, den 30. April 2012 in der Deutschen Oper Berlin, die Oper Rienzi, der Letzte der Tribunen von Richard Wagner (* 22. Mai 1813 in Leipzig; † 13. Februar 1883 in Venedig im Palazzo Vendramin-Calergi). Es war die 9. Aufführung seit der Premiere am 24. Januar 2010.
Das Libretto für die Oper Rienzi ist von Richard Wagner selbst geschrieben worden. Rienzi ist die dritte vollendete Oper Richard Wagners und sein erster musikalischer Erfolg, mit dem er seinen Durchbruch erreichte.
Die Uraufführung des Rienzi fand am 20. Oktober 1842 am Königlichen Hoftheater in Dresden statt. Die Oper ist Friedrich August II., König von Sachsen gewidmet.
Musik und Text beschreiben den Aufstieg und Fall eines im 14. Jahrhundert lebenden römischen Politikers und Volkstribunen, der zum Schluß von seinen ehemaligen Anhängern gelyncht wurde. Adel und Kirche spielen ihre Rolle wie das beeinflußte Volk. Das Volk wird beeindruckend von zwei Chören dargestellt. Alle Gesangsrollen stellen eine große Herausforderung dar.
Es wird übermittelt, daß Rienzi eine der Lieblingsopern Adolf Hitlers war. Zu seiner Freundin Winifred Wagner soll er über eine Aufführung des Rienzi, die er als Jugendlicher in Linz erlebt hatte, einmal gesagt haben: „In jener Stunde begann es!“ Aber Richard Wagner und Adolf Hitler haben sich gar nicht kennengelernt. Sie waren zu unterschiedliche Jahrgänge. Es kann durchaus sein, daß sie sich nicht verstanden hätten. 1848 stand Richard Wagner mit den Arbeitern und Handwerkern in Dresden auf den Barrikaden der einzigen bürgerlichen Revolution in Deutschland. Wagner wurde steckbrieflich gesucht und mußte in die Schweiz fliehen.
Auf der Bühne der aktuellen Inszenierung von Rienzi wehen die Fahnen, mit einem großen, stilisierten R, weil das Hakenkreuz nicht erscheinen darf. Eigentlich wäre ja, wenn schon die neuere Geschichte bemüht werden muß, Benito Mussolini an der Reihe gewesen.
Trotzalledem ist an der aktuellen Inszenierung nichts auszusetzen. Die Musik und ihre Interpreten war sehr gut. Das Opernhaus war gut besucht, der Applaus überwältigend.
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