|
Es sind die größten
Überschwemmungen in der Geschichte Chinas, die in diesem Jahr das Land
heimsuchen.. Die Fernsehbilder, die wir sehen und die nur einen kleinen
Ausschnitt des äußerlichen Geschehens wiedergeben, zeigen nahezu
archaische Zustände bei dem Kampf gegen die Wassermassen.
Wenn ich es noch richtig im Ohr habe: es ist gar nicht lange her, da haben
China - Spezialisten die durch die Jahrtausende alte Geschichte gebündelte
Weisheit des chinesischen Volkes und insbesondere die seiner Führer
und, herausragend, die von Mao Tse Tung, über den grünen Klee
bejubelt.
In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 7. August beschreibt Torsten Wöhlert
unter der Überschrift Die Drachenbändiger die unregelmäßig
wiederkehrenden meteorologischen Erscheinungen in China und fährt dann
fort: Daraus resultierende Flutkatastrophen sind jedoch das Werk von
Menschen, die dem Wasser den nötigen Raum nehmen. Wie zum Beispiel
am Dongtin-See westlich der bedrohten Stadt Wuhan. Der einst größte
See Chinas mündet in den Yangtze und diente dem Hochwasser lange Zeit
als natürliches Ausgleichsreservoir. Zu Beginn der Ming-Dynastie (1368-1644).
so lokale Chroniken, bedeckte der See eine Fläche von 14 000 Quadratkilometern.
Damals kam es im Schnitt nur alle 83 Jahre zu Hochwasserkatastrophen. Während
der Ming-Dynastie, die sich unter anderem auch durch einen Aufschwung der
chinesischen Landwirtschaft dank Bewässerungsbauten und Brachlandgewinnung
auszeichnete, schrumpfte der Dongrin-See auf 6 200 Quadratkilometer - und
der Yangtze trat nun im Abstand von 20 Jahren über seine Ufer. Anfang
der achtziger Jahre unseres Jahrhundert betrug die Fläche des Sees
nur noch etwas über 2 500 Quadratkilometer. Seitdem sind >>Jahrhunderthochwasser<<
die Regel. Allein in der Provinz Hubei, die der Volksmund >> Provinz
der tausend Seen << nennt, verschwanden seit Gründung der Volksrepublik
China über 600 solcher natürlichen Wasserreservoire von der Landkarte.
.... Getreu der Maoschen Losung >>Getreide in der Mitte von Seen und
auf den Gipfeln von Bergen anzubauen<<, wurden seit den siebziger
Jahren die Berghänge an den Oberläufen des Yangtze und seiner
Nebenflüsse abgeholzt und terrassiert.. Die Folge der dadurch reduzierten
Wasserspeicherkapazität sind 40 Prozent des Yangtze-Einzugsgebietes
von Bodenerosionen betroffen. Die abgespülten Erdmassen lagern sich
auf dem Grund des Flusses ab, der mittlerweile die drittgrößte
Schlammfracht der Welt transportiert. ...
600 Jahre permanente Unfähigkeit der Führungspersonen, mit dem
besonderen I-Punkt Mao Tse Tung, seiner Clique und seiner Nachfolger, führen
zu einer menschlichen, ökologischen, ökonomischen Katastrophe
und möglicherweise politischen Krise, die dann die Solidargemeinschaft
Erde zu bewältigen hat.
In dem gleichen Artikel wird auch über den geplanten Dreischluchten
- Stausee des Jangtze berichtet. Es heißt da u.a.: Bis zum Jahre
2003, wenn das Wasser im Stausee eine Höhe von 135 Meter erreicht hat,,
müßten weitere 500.000 ihre angestammte Heimat verlassen. Am
Ende sollen es 1,3 Millionen sein. Mit Ausnahme weniger Vorzeige-Umsiedler,
verlieren die Menschen nicht nur ihre angestammte Heimat, sondern erhebliche
Teile ihres Hab und Guts. Zwar gibt es Kompensationszahlungen, doch die
reichen längst nicht aus, Verluste und Kosten der Umsiedlung ganzer
Dörfer und Kleinstädte zu tragen. Verarmung und Massenelend sind
die Folge, weil es weder genügend Arbeitsplätze, noch genügend
Ackerland für die Umgesiedelten gibt. Korruption und Repression tun
ein übriges.
Noch einmal: wenn ich es noch richtig im Ohr habe ... wird die Abwehr ausländischer
Kritik mit dem Stolz der Chinesen auf ihre alte Kultur beschrieben. Der
Kaiser des Reiches der Mitte empfing die Fremden, die einen Kotau
vor ihm machen, sich vor ihm hinwerfen mußten. Die Kaiser machten
keine Staatsbesuche, sie empfingen nur welche. Noch Mao hielt sich für
so groß, daß er nur Stalin seine Aufwartung machte. Die vermutlich
Jahrtausende alte Praxis führte zu der merkwürdigen Erstarrung,
man würde als Volk und als Einzelner sein Gesicht verlieren, wenn man
einer Kritik von außen Raum geben würde. Dennoch ist das chinesische
Volk genauso wenig wie jedes andere Volk ein auserwähltes Volk.
Der vom Hochwasser betroffene einzelne Chinese wird das vielleicht ahnen,
die politische Klasse und wahrscheinlich ein großer Teil der Intellektuellen
wollen es nicht wissen. Angesichts des ebenfalls "auserwählten"
US - Amerikanismus, der eigentlich den Widerstand der Völker und Kulturen
braucht, ist das aus der Historie gewachsene chinesische Hochwasser eine
die menschlichen und materiellen Verluste übersteigende Weltkatastrophe.
Es gibt noch einen weiteren Grund, das chinesische Volk als ein Volk unter
Völkern zu sehen: genauso wenig wie die technisch entwickelten anderen
Völkern gelingt es weder den Intellektuellen des chinesischen Volkes,
noch den politisch Verantwortlichen und dem Volk selber, neue Ideen der
ökonomischen Wissenschaften, der Naturwissenschaften und der Staatswissenschaften
aufzunehmen. Das Argument, welches für den Dreischluchten - Staudamm
verwendet wird, nämlich die Energiearmut Chinas, kann mit ökologischen
und dezentralen Energieinnovationen begegnet werden. Daß die herrschende
Klasse davon nichts weiß und die mit ihr in gegenseitiger Abhängigkeit
verbundenen Wissenschaften davon nichts wissen wollen, und daß das
Volk das duldet, stellt das chinesische Volk mit allen anderen Völkern
gleich. |
|