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Der 13. August
1961 als schwarzer Tag der deutschen Geschichte.
Vor 37 Jahren wurde am 13. August die Berliner Mauer errichtet. Die Spaltung
Deutschlands wurde damit auch nach außen hin endgültig vollzogen.
Zu viele Menschen waren aus der DDR in den Jahren zuvor über West-Berlin
in den Westen geflohen. Hätte die Fluchtbewegung angedauert, wäre
die Wirtschaft der DDR zusammengebrochen, was die sowjetische Besatzungsmacht
natürlich nicht dulden konnte. Daß es zum schwarzen Tag der deutschen
Geschichte gekommen war, lag jedoch letzten Endes an den Zentralfiguren
der deutschen Spaltung, nämlich an Konrad Adenauer (CDU) und Walter
Ulbricht (SED). Sie bedingten sich gegenseitig und konnten sich insgeheim
aufeinander verlassen, wie der unabhängige Publizist und unermüdliche
Streiter für die deutsche Einheit, Wolf Schenke, immer wieder feststellte.
Ist das nicht eine ungeheuerliche Behauptung? Adenauer und Garant der deutschen
Spaltung? Wie das?
Initiativen der Sowjets zur deutschen Wiedervereinigung aufgrund
der russischen Staatsräson (1952 bis 1955)
Anfang der 50er Jahre zeichnete sich für die Sowjetunion eine beunruhigende
Stimmung ab: 400.000 deutsche Soldaten mit Rußlanderfahrung an der
Seite der amerikanischen Atommacht und die drohende Remilitarisierung
Westdeutschlands konnten die Russen schon um den Schlaf bringen. Da wagte
Stalin einen Befreiungsschlag: In seiner Note vom 10. März 1952 machte
der sowjetische Diktator ein für uns Deutsche geradezu traumhaftes
Angebot, nämlich Wiederherstellung der deutschen Einheit, Abzug der
Besatzungstruppen innerhalb eines Jahres nach Abschluß eines Friedensvertrages,
keinerlei Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen, Gestattung einer
300.000 Mann Armee, wenn auch ohne Abc-Waffen, für das 357.000 qkm
große Rumpfdeutschland (zum Vergleich: Im Versailler Diktat von
1919 war dem 470.000 qkm großen Deutschen Reich nur eine Reichswehr
von 100.000 Mann zugestanden worden). Einzige und an sich leicht zu erfüllende
Bedingung: Das wiedervereinigte Deutschland durfte keinem Militärbündnis
beitreten, das gegen einen ehemaligen Kriegsgegner Deutschlands gerichtet
sei, d. h., daß es blockfrei bleiben müsse. Da Adenauer Verhandlungen
über die Stalinnote ablehnte, besserten die Russen nach: Auf der
Berliner Außenministerkonferenz vom 25.01. bis zum 18.02.1954 boten
sie zusätzlich noch den Verzicht auf Reparationen an (geradezu unglaublich,
wenn man bedenkt, daß BRD und DDR von 1945 bis 1990 ca. 300 Milliarden
DM an Reparationen bezahlt haben) sowie die Nichtbindung aller Abmachungen
der beiden deutschen Teilstaaten (also u. a. auch die Vereinbarung zwischen
DDR und Polen vom 06.07.1950 über die sog. "Oder-Neiße-Friedensgrenze",
über die lt. Spiegel Nr. 24/1983 nach Äußerungen des russischen
Hochkommissars Wladimir Semjonow in Gesprächen mit bürgerlichen
DDR-Politikern das letzte Wort noch nicht gesprochen war). Den letzten
Streitpunkt räumten die Russen im Januar 1955 aus, indem sie sich
mit gesamtdeutschen freien Wahlen unter internationaler Kontrolle einverstanden
erklärten. Alle diese Zugeständnisse machten die Sowjets, ehe
es zu ernsthaften Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung
gekommen war. Bedauerlich für uns Deutsche hatten die Russen keinen
Erfolg damit. Adenauer paukte am 8. Mai 1955 im Bundestag den NATO-Beitritt
durch, was die Russen am 14. Mai 1955 mit der Gründung des Warschauer
Paktes (einschließlich der DDR) beantworteten. Die Chance zur Wiederherstellung
der deutschen Einheit war von Adenauer (absichtlich, wie sich später
herausstellte) vertan worden. Die nächste Chance wurde wenigstens
von Helmut Kohl 1990 wahrgenommen. Die Spaltung Deutschlands hatte damit
leider und unnötig 35 Jahre zu lange gedauert, mit verheerenden Folgen
für die ehemals blühende mitteldeutsche Wirtschaft und die geistig-seelische
Verfassung der Menschen im östlichen Teil unseres Landes.
Adenauer und Ulbricht, die geheimen Spaltungspolitiker
Ehe die Westmächte die an sie gerichtete Stalinnote vom 10.03.1952
beantwortet hatten, verwarf Adenauer schon sechs Tage danach am 16.03.1952
in Siegen vor evangelischen Frauen diese Note als einen "Fetzen Papier",
das wenig Neues bringe, sich gegen die Westintegration richte und Gesamtdeutschland
neutralisieren wolle. Neutralisierung aber würde das freie Deutschland
zusammen mit der Ostzone in die Sklaverei führen. Die Westmächte
verhielten sich abwartend. Aber wenn sie gelegentlich Neigung zeigten,
über die Wiedervereinigung unseres Landes zu verhandeln, setzte Adenauer
alles daran, sie davon abzuhalten, mit Argumenten wie "Störfeuer,
um uns vor dem Eintritt in ein starkes westliches Lager abzuhalten",
Neutralisierung wäre Selbstmord", "Europa würde russisch
werden". Zum wiedervereinigungsfreundlichen französischen Ministerpräsidenten
Mendés-France erklärte er laut Newsweek vom 30.08.1954: "Sie
verlieren nichts, wenn sie die deutsche Wiedervereinigung opfern, aber
ich. Doch wir " (hier sprach Adenauer wohl im Pluralis Majestätis)
"sind bereit, sie zu opfern, wenn wir in ein starkes westliches Lager
eintreten können." Wie der Abteilungsleiter am Deutschen Historischen
Institut in London, Joseph Forschepoth, feststellte, hat Adenauer 1955
in einer streng vertraulichen Mitteilung dem britischen Außenministerium
erklärt, er habe kein Vertrauen in das deutsche Volk. Er fürchte,
daß eine künftige deutsche Regierung unter Führung der
Sozialdemokraten sich eines Tages mit Rußland auf Kosten Deutschlands
verständigen könnte. Folglich sei er der Meinung, daß
die Integration Westdeutschlands in den Westen wichtiger als die Wiedervereinigung
sei. Über die Geheimhaltungsbedürftigkeit heißt es weiter,
daß es natürlich ganz verheerend für seine (Adenauers)
Stellung sein würde, wenn die hier offen mitgeteilten Ansichten in
Deutschland bekannt würden (Nordwestzeitung OL vom 13.03.1986). -
Stand diese Haltung im Einklang mit dem Amtseid Adenauers, wonach er sich
verpflichtete, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren und es vor Schaden
zu bewahren? Verstieß Adenauer damit nicht auch gegen die verpflichtende
Bestimmung der Präambel des Grundgesetzes, wonach das gesamte deutsche
Volk aufgefordert bleibt, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit
Deutschlands zu vollenden?
Im Bundestagswahlkampf 1953 ließ sich Adenauer auf Wahlplakaten
mit erhobener Schwurhand und den Worten abbilden:" Diesen Schwur
lege ich ab für das ganze deutsche Volk: ´Wir werden nicht
ruhen und nicht rasten, bis ganz Deutschland wieder vereint ist in Frieden
und Freiheit`". Wahrlich ein geradezu klassisches Beispiel einer
Wahlkampflüge, bei der ein sogar beschworenes Versprechen und das
tatsächliche Handeln diametral auseinanderklafften! Aber ein Wahlvolk
- und das wohl nicht nur in Deutschland - will offenbar verdummt werden.
Es glaubt Wahllügen, die mit überzeugender Stimme und großen
Medienaufwand als Wahrheit verkauft werden. Hirtenbriefe der römischen
Kirche taten ein übriges. Als man im September 1956 den vier Mächten
mit großem propagandistischen Aufwand ein Memorandum zur Frage der
Wiederherstellung der deutschen Einheit gab, beschwichtigte der Adenauer-Vertraute
Prof. Wilhelm G. Grewe die Westmächte, daß das nicht so ernst
zu nehmen sei. Es müßte nur der Austausch von Noten bis zur
Bundestagswahl (1957) fortgesetzt werden, um den Eindruck zu erwecken,
daß die Regierung aktiv die Wiedervereinigung betreibe. Der Franzose
Francois Poncet erkannte schon 1953: "Einer der größten
Fehler der Deutschen ist, nicht glauben zu wollen, daß ihre Regierung
auch lügen kann." Dabei war Adenauer letzten Endes nur mit französischer
Hilfe im Jahre 1949 an die Macht gekommen: Im Juli 1949 empfahl er in
Genf dem französischen Ministerpräsidenten Bidault in Gegenwart
von Dr. Kindt-Kiefer - der dieses später aus persönlicher Verärgerung
über Adenauer ausplauderte -, daß das von ihm als "heidnisch"
bezeichnete Berlin mit seiner SPD-Mehrheit kein Bundesland werden solle
(Deutsche Informationen vom 07.07. 1959). Frankreich legte tatsächlich
ein Veto gegen Berlin als Bundesland ein. Die Westberliner Abgeordneten
(größtenteils SPD-Leute) hatten daraufhin im Bundestag in Bonn
kein Stimmrecht, und Adenauer wurde so im September 1949 mit einer Stimme
Mehrheit (seiner eigenen) zum Bundeskanzler gewählt.
Adenauer selbst war jedoch auch daran interessiert, ob die Stalinnote
vom März 1952 mehr als ein Propagandamanöver war, und ließ
sie von einem unabhängigen Gutachter, dem früheren Leiter der
Ostabteilung im Reichsaußenministerium Richard Meyer von Achenbach,
prüfen, der feststellte, daß die Note ernst gemeint und die
aus dem Osten drohende Gefahr relativ gering sei. Adenauer war über
das Gutachten schockiert. Er wußte sich jedoch zu helfen, erklärte
es kurzerhand für geheim und unterband damit eine weitere Diskussion.
Zum Ergebnis, daß es sich um eine ernst gemeinte Note handelte,
kamen auch die Westmächte. Den Franzosen gefiel hierbei vor allem
nicht, daß die Sowjets eine eigene deutsche Streitmacht von 300.000
Mann vorschlugen. Was könnte geschehen, wenn die Deutschen eines
Tages, wie 1922 in Rapallo, sich zu einer engen Zusammenarbeit mit den
Russen bereit fänden? Schließlich konnten diese mit dem Faustpfand
der Oder-Neiße-Grenze wuchern, wenn Polen in ihrem Machtbereich
blieb.
In ihrer Zone versuchte ab 1953 der Deutschlandexperte und spätere
Botschafter in Bonn, Wladimir Semjonow, als Hochkommissar und damit erster
Mann Moskaus in der DDR die Entwicklung zur Volksdemokratie zurückzudrehen
und damit Adenauer an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die vermehrten
Kontakte Semjonows zu bürgerlichen DDR-Politikern blieben Ulbricht
nicht verborgen. Er mußte zu Recht um seine Machtposition in einem
wiedervereinten Deutschland fürchten und blieb nicht untätig:
Mit unerträglichen Normen trieb er die ostdeutschen Arbeiter zum
Streik, der zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953 führte. Semjonow
mußte den Aufstand mit russischen Panzern niederschlagen und die
Kontakte zu seinen bürgerlichen Gesprächspartnern abbrechen.
Ulbricht hatte damit seine Machtposition gestärkt und einen - im
Vergleich zu Adenauer - "bescheidenen" Beitrag zur deutschen
Spaltung geleistet. Gerettet war das SED-Regime dadurch aber noch nicht
endgültig. SED-Funktionäre äußerten daher damals:
"Nur Adenauer kann uns noch retten". Daß Adenauer das
getan hat, ist inzwischen nicht nur durch massive Indizienbeweise, sondern
auch durch Dokumente erwiesen. Hätte Adenauer die Stalinnote ausgelotet
und mit seinen überragenden Fähigkeiten sich für die Wiedervereinigung
eingesetzt, hätten die Russen Ulbricht schließlich wie eine
heiße Kartoffel fallen lassen, d. h. ihm das Schicksal beschert,
das Erich Honecker 35 Jahre später zuteil wurde.
Vergeblicher Kampf der gesamtdeutschen Opposition
Gegen Ende des zweiten Weltkrieges waren ca. 13 Millionen deutsche Männer
Angehörige der Wehrmacht, SS und paramilitärischer Hilfsverbände
(z. B. Bautruppen der Organisation Todt). Der überwiegende Teil von
ihnen geriet in Kriegsgefangenschaft. Viele von ihnen, die das Kriegsende
gesund erlebt hatten, verschmachteten in sowjetischen oder französischen
Lagern. Auch die Amerikaner gingen mit ihren deutschen Gefangenen auf
den Rheinwiesen nicht zimperlich um. Etwa 500.000 Soldaten und Zivilisten
lieferten sie an die Rote Armee aus. Wer in ihre Lager schließlich
kam, konnte die an sich sympathischen Spruchbänder lesen, daß
die USA dafür sorgen werde, daß ihre deutschen Gefangenen nie
wieder Soldaten werden müßten. Aber schon fünf Jahre danach
war der kalte Krieg so weit vorgeschritten, daß Adenauer dem US-Hochkommissar
John Mc. Cloy am 29.08.1950 deutsche Truppen anbot. Mit seinen Ministern
hatte er zuvor nicht gesprochen. Innenminister Dr. Dr. Gustav Heinemann,
der spätere Bundespräsident von 1969 bis 1974, trat daraufhin
zurück. Ende 1950 entstand in Deutschland die "Ohne-mich-Bewegung".
Gesamtdeutsch eingestellte Männer und Frauen des geistigen und politischen
Lebens vereinigten sich aus der Befürchtung, daß der Irrweg
zu einem einseitigen Militärbündnis in der Spaltung Deutschlands
enden würde. Zu ihnen gehörten u. a. Konservative, Liberale
und Sozialisten, Katholiken und Protestanten, Offiziere und Pazifisten.
Sie forderten schon vor der Stalinnote ein neutrales Gesamtdeutschland.
Namentlich zu nennen wären hier neben Dr. Heinemann Kirchenpräsident
Dr. Martin Niemöller, Prof. Dr. Ulrich Noack mit seinem Nauheimer
Kreis, der am 04.12.1948 einen Aufruf zur Rettung des Friedens durch Neutralisierung
Deutschlands proklamierte, Joseph Wirth, der Rapallokanzler von 1922,
Rudolf Augstein (der Spiegel), Paul Sethe (FAZ) und der oben bereits erwähnte
Wolf Schenke.
Die SPD hat die Wiederaufrüstung jahrelang leider ohne Erfolg abgelehnt.
Sie verwarf den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft
(EVG), der am 27.05.1952 verabschiedet wurde, jedoch in der Schwebe blieb,
bis er schließlich durch die Ablehnung der französischen Nationalversammlung
am 30.08.1954 scheiterte. Danach wurde der NATO-Beitritt Westdeutschlands
aktuell. Dr. Heinemann versuchte mit Gesinnungsfreunden, zu denen u. a.
Johannes Rau, Erhard Eppler, Diether Posser und Helene Wessel gehörten,
mit einer 1953 gegründeten Partei, der gesamtdeutschen Volkspartei
(GVP) die Bundespolitik zu beeinflussen. Die Mittel dieser Partei waren
jedoch zu gering, um einen Bekanntheitsgrad zu erlangen, der die Überwindung
der 5%-Klausel bei der Bundestagswahl von 1953 ermöglicht hätte.
Bei einer Großkundgebung der GVP in Freiburg im Breisgau engagierte
sich der Verfasser dieser Zeilen damals aufgrund von sechs Jahren Kriegsteilnahme
und Gefangenschaft erstmalig politisch mit folgendem Wahlspruch:
Wählst du CDU, wirst du Soldat im Nu.
Wählst du Sozialdemokrat, wirst du später auch Soldat.
Wählst du die FDP, willst du die EVG.
Wählst du Kommunist, wirst du Rotarmist.
Doch ich will nicht zum Kommiß, ich will bleiben Zivilist, will
keinen Stahlhelm ziehen an. Drum wähl ich Dr. Heinemann!
Wer im Interesse der deutschen Einheit die Wiederaufrüstung und
einseitige Westbindung bekämpfte, wurde von den Adenauer-Separatisten
kriminalisiert. Er wurde als Dummkopf oder Verräter gebrandmarkt.
Oder es wurde ihm vorgeworfen, von den Sowjets gekauft zu sein. Organisationen
des gesamtdeutschen Widerstands wurden vom Verfassungsschutz oder später
auch vom militärischen Abschirmdienst (MAD) unterwandert, deren Angehörige
sogar Veranstaltungen mit Rednern der gesamtdeutschen Opposition anregten.
Die Verfolgung Andersdenkender ging so weit, daß z. B. die Wuppertaler
Historikerin Renate Riemeck Ende der 50er Jahre von Kultusminister Schütz
(CDU) aus dem Hochschuldienst entfernt wurde, weil sie 1948 auf Einladung
der Universität Leipzig einen Vortrag über den Westfälischen
Frieden anläßlich dessen 300-jährigem Jubiläum gehalten
hatte!
Die rivalisierende CDU-Gruppe aus Berlin um Ernst Lemmer und Jakob Kaiser
wurde gar von Adenauer selbst verdächtigt, über die Aufstellung
einer Schwarzen Reichswehr zu beraten. Es war Ernst Lemmer, der schon
im Mai 1952 vor der CDU-Fraktion beklagte, das Jahr 1952 werde als das
Jahr der historischen Teilung Deutschlands in die Geschichte eingehen.
Als die CDU/CSU nach der Bundestagswahl 1969 in die Opposition gehen mußte,
verlangte Wolf Schenke in der Neuen Politik und bei anderen Gelegenheiten
immer wieder, daß die sozial-liberale Koalition mit der Deutschlandpolitik
der Unionschristen abrechnen müsse, leider vergeblich. Ich verstand
nicht, warum sich die SPD dafür nicht vehement einsetzte. Sie hatte
schließlich hinsichtlich der deutschen Spaltung eine weiße
Weste, wenn auch nicht ihr Koalitionspartner, die FDP.
Vielleicht ist die von Schenke und anderen geforderte Abrechnung unterblieben,
um die Liberalen nicht zu sehr als Mitverantwortliche in Verlegenheit
zu bringen.
Die entscheidende Hilfe erhielten die Spaltungsfreunde um Konrad Adenauer
jedoch von der römischen Kirche. In Hirtenbriefen, die vor den Bundestagswahlen
1953 und 1957 von mehreren 1000 Kanzeln verlesen worden sind, wurde eine
massive Wahlwerbung zugunsten der CDU/CSU getrieben. Wen wundert das?
Die Bevölkerung der DDR bestand zu 80% aus Nicht-Katholiken. Der
Einfluß der römischen Kirche wäre daher im wiedervereinigten
Deutschland erheblich zurückgegangen.
Zur Frage der deutschen Ostgrenze (Exkurs)
Auf ihrer ersten Konferenz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges einigten
sich die Vertreter der drei Siegermächte, Stalin, Truman (USA) und
Churchill (Großbritannien) vom 17.7. bis zum 2.8.1945 im Potsdamer
Cäcilienhof u. a. über die Entmilitarisierung und wirtschaftliche
Schwächung Deutschlands. Ein besonderer Streitpunkt bildete dabei
aber auch die Festlegung der deutschen Ostgrenze. Stalin trat für
die Oder-Neiße-Grenze (Linie A) ein, wobei der Westteil von Stettin
zunächst noch deutsch bleiben sollte. Churchill wollte die "polnische
Gans nicht übermästen" und verlangte eine Linie D, nach
der Hinterpommern, Ostbrandenburg und Niederschlesien bei Deutschland
verblieben wären. Er vertrat damit eine Grenzziehung, die angelsächsische
Geheimzirkel schon im Jahr 1888 vorgesehen hatten, was nicht uninteressant
ist im Hinblick auf die angebliche deutsche Kriegsschuld am ersten Weltkrieg.
Damit wären nach Churchill, dem Erfinder der Westverschiebung Polens,
mit Danzig, dem südlichen Ostpreußen und Oberschlesien "nur"
37.400 qkm zu Polen gekommen, ein Gebiet, das für die Aufnahme der
2,5 Millionen Polen völlig ausgereicht hätte, die aus dem sowjetischen
Gebiet östlich des heutigen Polens nach Westen umgesiedelt wurden
(zusammen mit 1,3 Millionen Volksdeutschen aus dem polnischen Staatsgebiet
von 1939 wurden aus dem Gebiet ostwärts der D-Linie noch ca. 3 Millionen
Deutsche vertrieben). Churchill wurde nach einem Wahlsieg der Labour-Partei
von Attlee abgelöst. Truman war ebenfalls neu im internationalen
Geschäft. Und so setzte sich Stalin mit seiner A-Linie durch. Von
der Vertreibung aus dem heutigen Polen waren daher rund 8 Millionen Deutsche
betroffen, eine schwere Verletzung der Menschenrechte, für die es
in der europäischen Geschichte kein Beispiel gibt, um so mehr, als
zu den eben erwähnten 8 Millionen ja noch weitere 4 Millionen Vertriebene
aus der Tschechoslowakei und Südosteuropa dazu kamen.
Da die USA und England eine Vertreibung in diesem Umfang nicht sanktionieren
wollten, fand man die Sprachregelung, daß die Gebiete östlich
der Oder und Neiße der polnischen Verwaltung unterstellt würden,
die endgültige Grenzziehung aber einem späteren Friedensvertrag
vorbehalten bliebe. Nachdem die Westmächte jedoch nicht gegen die
Massenvertreibung protestierten, konnte der Begriff "polnische Verwaltung"
de fakto nur eine polnische Besitznahme dieser Gebiete bedeuten.
Der rechtliche Schwebezustand weckte jedoch auf deutscher Seite Hoffnungen,
die mit zunehmendem Zeitablauf abnehmen mußten, während die
polnische Seite nicht sicher sein konnte, daß es eines Tages nicht
doch eine Grenzkorrektur geben würde. Ich erinnerte politische Freunde
schon Ende der 40er Jahre an die Nichtanerkennung Preußens durch
den Vatikan (weil König Friedrich I. sich ohne Befragung des Vatikans
1701 zum König in Preußen krönen ließ). Nach 99
Jahren wurde die Anerkennung dann doch ausgesprochen.
Wenn Hochkommisar Wladimir Semjonow in Gesprächen mit bürgerlichen
Politikern der DDR erwähnte, daß das letzte Wort über
die Oder-Neiße-Grenze nicht gesprochen sei (Der Spiegel Nr. 24/1983),
so wäre wohl schon damals (1953) eine wesentlich ungünstigere
Korrektur als die Churchillsche D-Linie möglich gewesen. Aber es
wurde ja nicht einmal über die Wiederherstellung der deutschen Einheit
ernsthaft verhandelt. Adenauer sah als einer der ersten die in Potsdam
geschaffene Sachlage nüchtern und realistisch. Zum SPD-Vorsitzenden
Erich Ollenhauer äußerte er z. B. 1955: "Die Gebiete östlich
der Oder und Neiße? Die sind weg; die gibt es nicht mehr."
Wer hätte sich denn auch für eine Grenzrevision einsetzen sollen?
Die Sowjets im kalten Krieg? Frankreich, das wie kaum eine andere europäische
Mittelmacht mit der Abtrennung der ostdeutschen Gebiete sehr einverstanden
war und auch vorsichtige Ansätze einer Grenzrevision schon blockiert
hätte? - Meinen Exkurs über die ehemals deutschen Gebiete jenseits
von Oder und Neiße möchte ich mit der Beurteilung des polnischen
Kardinals Wyschinski abschließen, der 1966 sagte: "Mit der
Wiedergewinnung der polnischen Westgebiete, mit der Vernichtung des preußischen
Staates und der Zerschlagung des Deutschen Reiches hat die Gegenreformation
ihr Ziel erreicht." Sie hatte dieses Ziel vor allem auch deshalb
erreichen können, weil Adenauer die Einbindung Westdeutschlands in
ein westliches Militärbündnis wichtiger war als die Einheit
unseres Landes. Nach dem NATO-Beitritt der BRD vom Mai 1955 konnten die
Polen ihre äußeren Westgebiete beruhigt endgültig in Besitz
nehmen. Sie wußten, daß eine Grenzrevision zugunsten von Deutschland
nunmehr bis auf den St.-Nimmerleinstag verschoben war.
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