Dieter Kersten - Januar 1999    
Kein Kopftuch in den Unis  
     
 

Den nachfolgenden kleinen Text entnehme ich dem KURIER der Christlichen Mitte, Oktober 1998, einer fundamentalistischen "christlichen" Partei in Deutschland:
Während in Deutschland eine Muslima verbissen darum kämpft, ihr Kopftuch auch im Unterricht zu tragen und deshalb nicht in den Schuldienst übernommen wurde, ist jetzt in der Türkei vom kommenden Studienjahr ab auch an den Universitäten das Tragen eines Kopftuches verboten - in den Schulen gilt das Verbot schon lange.
Studentinnen, die ihr Kopftuch nicht ablegen, werden von den Universitäten ausgeschlossen, Dozenten, die Kopftücher in ihren Seminaren dulden, werden vom Dienst suspendiert.
Auch in Deutschland ist das Kopftuch ein Politikum, ein Zeichen, sich nicht integrieren zu wollen. deshalb mahnte das Bundesamt für Verfassungsschutz alle muslimischen Eltern, ihre Töchter ohne Kopftuch zur Schule zu schicken.

Bis zum letzten Krieg trugen in Deutschland die Frauen auf dem Land Kopftücher und die Damen in der Stadt Hüte. Für die Damen war es die sie beherrschende Mode, für die Frauen eine praktische Notwendigkeit, sich selber und ihr Haar vor den Unbilligkeiten der Natur zu schützen. Abgesehen davon, daß die Männer in christlichen Kirchen ihre Mützen oder Hüte abnehmen sollen und die Frauen in christlichen Gotteshäusern ihren Kopf bedecken mußten (in Südeuropa noch Sitte), sind mir keine christlichen Kopfbedeckungspflichten bekannt. Heute ist das Kopftuch ein Politikum, dann nämlich, wenn in Deutschland der Iman in einer Hinterhof - Moschee die muslimischen Eltern anweist, ihre Töchter mit Kopftuch in die Schule zu schicken. Diesem Iman geht es nicht um eine islamische Vorschrift, die es in dieser Form gar nicht gibt, sondern ihm geht es um eine islamische Gesellschaft Deutschland. Dieser Islam in Deutschland demonstriert und zeigt keine Integrationsbereitschaft. Auch bei der von vielen Seiten verständnisvoll in Schutz genommenen Muslima, die in Baden - Württemberg Lehrerin mit Kopftuch werden wollte, ging es um eine politisch - muslimische Position in Deutschland.. Um nicht in den falschen Geruch zu kommen, zu verallgemeinern, will ich durchaus zugestehen, daß es Muslime gibt, die erstaunlich weit in unsere Kultur integriert sind und diesen Anspruch auch nicht mehr erfüllen wollen. Es gibt auch viele islamische Religionsgelehrte, die rigerose Ansprüche ihrer heiligen Schrift anders interpretieren.
Wie ich es persönlich in der Kopftuch - Affäre halte n würde, wenn ich z.B. Schuldirektor wäre, das will ich offen lassen. Auf der einen Seite sehe ich das politisch - zerstörerische in solchen merkwürdigen Religions - Demonstrationen in Deutschland, auf der anderen Seite ist es eine Sache der politisch - kulturellen Kraft unseres Kulturkreises, wie lange die Mädchen mit Kopftüchern herumlaufen und die Jungen mit einer Art Rosenkranz. Es ist sicher besser, wenn ich konsequent deutsche Kultur vermittle, indem ich den muslimischen Mädchen und Jungen einen exzellenten Deutschunterricht biete, zusammen mit einem spannenden Gemeinschaftkunde/Lebenskunde - Unterricht, anstatt Nerven bei einem formalen Streit über Kopftücher zu lassen. Aber - vermutlich ist die deutsche Obrigkeit kulturloser als die iman - gebundenen Muslime. Wenn wir Deutschen nichts zu bieten haben, dann wird eine andere Kultur gewinnen.
Und noch etwas: die Türkei ist seit Atatürk und in ihrer jetzigen politischen Verfassung eine menschenverachtende Diktatur besonderer Art. Militarismus, Chauvinismus und Nationalismus sind in einem laizistischen Staatswesen vereint. Deshalb nimmt es Wunder, daß ausgerechnet eine deutsche politische Gruppe, wie die Christliche Mitte (siehe Rahmen), die, bezogen auf Deutschland, alles andere ist, aber nicht laizistisch, eine Nachricht über die Kopftücher an türkischen Universitäten veröffentlicht. Dieses Kopftuch - Verbot in der Türkei ist nämlich eine Herrschaftsgebärde, die aus dem ebenfalls kulturlosen Gepräge der laizistischen Türkei entstanden ist. Ich kann genauso formulieren: es ist die verkorkste Denkweise einer politischen Oligarchie, die Andersdenkende und Andershandelnde in das Abseits drängt. Da treffen sich dann mit einem Mal Christliche Mitte und türkische Oligarchie und sind ein Herz und eine Seele.
Dieser Kommentar wurde im Oktober 1998 geschrieben. Inzwischen, das war Anfang November, hat das Oberverwaltungsgericht in Berlin der Islamischen Föderation den Status einer Religionsgemeinschaft und damit das Recht zugesprochen, an den Berliner Schulen Islamunterricht zu erteilen. Erst einmal begrüße ich eine solche Entscheidung. Es ist nicht einzusehen, daß die christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden als Organisationen das alleinige Privileg für Religionsunterricht haben. Damit aber das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird, sollte das Recht auf Erteilung von Religionsunterricht erweitert werden. In Berlin, das schrieb ich schon vor Jahren, sind mindesten 50 % unserer türkisch - stämmigen Mitbürger Alewiten, eine besonders tolerante Kulturform, die aus dem Islam und den vom Islam bekämpften Vorreligionen Vorderasiens hervorgegangen ist. Diese Alewiten führen seit Jahrhunderten einen Kulturkampf gegen einen islamischen Fundamentalismus, der auch in den islamischen Gemeinden in Deutschland Urständ feiert. Deshalb muß den Alewiten das gleiche Recht auf Religionsunterricht an den Schulen eingeräumt werden. Außerdem ist bereits in den Medien kritisiert worden, daß mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Unterschied zwischen Schiiten und Sunniten nicht beachtet worden ist. Weshalb ich auf diese islamischen Details eingehe? Die, hoffentlich, friedlichen Auseinandersetzungen der Kulturen sollten mit aller Offenheit ausgetragen werden, damit sich keiner benachteiligt fühlt. Ich bin der Auffassung, daß ein islamischer, sunnitischer, schiitischer bzw. alewitischer Religionsunterricht in deutscher Sprache stattfinden muß, und zwar schon deswegen, um die Integration der Kinder in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern, und, natürlich, um dem religiösen Extremismus Einhalt zu gebieten. Die Imane, oder wie die Religionslehrer heißen mögen, haben sich an das deutsche Grundgesetz zu halten. Das ist der Maßstab!
Rechtsprechung in Deutschland ist übrigens eine sehr schwierige Angelegenheit. Die Islamische Föderation gilt als fundamentalistisch und rechtsradikal und erfreut sich keinesfalls eines großen Zuspruches unserer türkischen Mitbürger. Der Türkische Bund Berlin hat gefordert (Dezember 1998), Islamkunde als Teil eines Schulfaches Ethik in den Unterricht einzuführen. Ein beachtlicher und im besten Sinn liberaler Vorschlag.
Die Diskussion über die Staatsbürgerschaft bzw. der doppelten Staatsbürgerschaft, insbesondere unserer türkisch - stämmigen Mitbürger, ist gottseidank, durch den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, wieder in Gang gekommen. Ich begrüße, daß die in Deutschland geborenen ausländischen Mitbürger eine vereinfachte Möglichkeit erhalten, deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Trotzdem wird nach wie vor die Diskussion mit einer Einseitigkeit geführt, die das Vorhaben der Integration nachhaltig gefährdet. Es ist Aufgabe der deutschen Politik, nachdrücklich, bestimmt und effizient, bei der türkischen Regierung mit dem Ziel vorstellig zu werden, das türkische Staatsbürgerrecht zu ändern. Türken in Deutschland, die auf das türkische Staatsbürgerrecht verzichten wollen, müssen ohne Komplikationen ein Recht darauf haben. Dieses Recht wird aber von der türkischen Gesetzgebung eingeschränkt, die einen Türken nicht aus der Staatsbürgerschaft entläßt, wenn er z.B. nicht seinen Wehrdienst in der Türkei abgeleistet hat - ganz egal, ob der Betroffene in der Türkei geboren und aufgewachsen ist oder nicht. Die deutsche Regierung muß einen nachhaltigen Druck auf die türkische Regierung ausüben, damit diese Praxis geändert wird. Ein doppoltes Staatsbürgerrecht ist eine einseitige Bevorzugung einer Bevölkerungsgruppe. Ein Deutscher mit deutschem und türkischem Paß kann die Vorteile beider Staatsangehörigkeiten ausnutzen. Er kann sich sowohl in Ankara wie Berlin niederlassen. Ein Deutscher nur mit einem deutschen Paß wird in der Türkei stärker diskriminiert, als die Türken nur mit einem türkischen Paß in Deutschland.. Es ist unerträglich, daß deutsche Ehefrauen türkischer Männer in der Türkei fast gar keine Rechte haben, noch nicht einmal ein Aufenthaltsrecht nach einer Scheidung oder nach dem Tod ihres Mannes. Die deutsche Ehefrau wird unter Umständen geduldet, ja, das ist alles. Mehr nicht.
Zwischenbemerkung: ein polnischer Staatsangehöriger deutscher Herkunft, der kein Wort deutsch spricht, hat, unter bestimmten Voraussetzungen ein Anrecht auf einen deutschen Pass. Nach den Informationen, die ich habe, sind das inzwischen 70 000 Menschen, die diese Rechtslage ausnutzen. Diese 70 000 polnischen Bürger, Doppelstaatler, mit deutschem Paß haben ein Recht, in Deutschland zu arbeiten. Sie pendeln hin und her und nutzen beide Staatsanghörigkeiten nachhaltig aus. Während unsere türkischen Mitbürger zum Teil schon 30 Jahre fleißig in Deutschland arbeiten, wird unter dem Begriff Volksdeutscher oder ähnlich, bestimmte Rechtspositionen durchgedrückt, die natürlich von der CDU/CSU und anderen rechten Parteien nicht kritisiert werden.
Deshalb also: auf jeden Fall sollte in Deutschland eine Volksabstimmung über ein neues Staatsbürgerrecht stattfinden.
Die christliche Heilslehre hat, vertreten durch ihre Organisationen und geduldet durch die Gläubigen, unendlich viel Leid über die Menschen dieser Erde gebracht. Das geschah, obwohl das Neue Testament, Grundlage dieser christlichen Heilslehre, alles verbietet, was sich die Christen in ihrer gewaltsamen Besitznahme von Eigentum und Seelen der Völker dieser Erde angemaßt haben. Natürlich gab es zu aller Zeit Christen, die dieser unchristlichen Praxis widersprochen haben. Sie waren aber Außenseiter, die meistens nicht gehört wurden. Die Heilslehre Mohammeds hat ebenfalls viel Leid für viele Menschen auf dieser Erde gebracht, wenn auch nicht auf allen Kontinenten Das geschah, weil die Anwendung von Gewalt zur Verbreitung des Islam Inhalt des Korans, der heiligen Schrift der Muslime, ist. Trotzdem gab und gibt es im Islam immer wieder Menschen, die keine Außenseiter waren, und die den Koran mit seinen verwirrenden Handlungsanweisungen in einen kulturellen Gesamtzusammenhang gestellt haben. Kein anderer als der Christ Lessing hat in Nathan der Weise beispielhaft in der Ringparabel einen kulturellen Fingerzeig gegeben, den wir alle beachten sollten.
Das ist nämlich die Crux der Integration. Wir hatten in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Einwanderungswellen in das jetzige deutsche Staatsgebiet. Darunter waren auch viele anderssprachige Völker. Sie sind alle assimiliert worden. Sie waren aber auch in der überwiegenden Mehrzahl Christen. Nun kommen aber Menschen anderen Glaubens, die einen ganz anderen kulturellen Hintergrund haben. So kommt der Sprache, mehr als in der Vergangenheit, eine besondere Aufgabe zu. Jeder Mensch, der die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten will, müßte eine Prüfung über die Beherrschung der deutschen Sprache und eine Prüfung über seine Kenntnisse über deutsche Kultur und Geschichte ablegen. Das ist übrigens, bezogen auf die englische Sprache und amerikanischer Geschichte, us - amerikanischer Standard, auf den sich die Deutschen sonst so gerne berufen. Ausgeschlossen von dieser Prüfung sind natürlich die Kinder der 2. Generation, denen wir ohnehin einen exzellenten Deutschunterricht zu bieten haben.
Von ganz anderer Qualität ist die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht. Unsere türkisch - stämmigen Mitbürger sind mit deutscher, also mit unserer Hilfe eingewandert. Da beißt keine Maus den Faden ab. Wir haben damals, nach dem sogenannten deutschen Wirtschaftswunder, den Wohlstands - Hals nicht voll bekommen und haben in vielen Ländern Europas und auch in der Türkei regelrecht Arbeiter angeworben. Offensichtlich war den Deutschen damals nicht klar, daß diese Arbeiterinnen und Arbeiter auch Menschen sind, die ihre Familien schließlich nachgezogen haben. Das gehört zu den Menschenrechten, die jeder Deutsche auch in Anspruch nehmen will. Der Großteil dieser Arbeiterinnen und Arbeiter waren ungelernt und wurden bestenfalls angelernt. Die Elektronisierung und die damit verbundene Rationalisierung und Globalisierung in Industrie und Verwaltung hat diese ungelernten Arbeiterinnen und Arbeiter (auch Deutsche) als erste arbeitslos werden lassen. Nun möchte man meinen, daß die Deutschen den Trend der Zeit rechtzeitig erkannt und ihr (Aus-) Bildungssystem für den Nachwuchs in ihrem Land so gut entwickelt haben, daß es in Deutschland kein Fachkräftemangel gibt - ?! Aber - wo wir hingucken, es werden Fachkräfte gesucht, der Bedarf steigt und wird trotz der hohen Arbeitslosigkeit nicht gedeckt.
Anfang Oktober bekam ich eine Pressemitteilung zugeschickt, mit der eine deutsche Beraterfirma, Zimmermann & Sieber GbR, darauf aufmerksam macht, daß die us - amerikanische Regierung das siebte Mal 55 000 Greencards (Arbeitserlaubnisse für die Vereinigten Staaten) verlost. Neben einer Vielzahl von Bestimmungen schreibt die Beraterfirma: Einzige weitere Voraussetzung ist ein der amerikanischen High School vergleichbarer Abschluß (zwölfjährige Schulbildung) oder eine abgeschlossene zweijährige Berufsausbildung. Ein solches Verfahren halte ich auch in Deutschland für möglich. Ich denke, daß das sogar noch ausgefeilt werden kann: nur Menschen mit einer bestimmten Berufsausbildung bekommen eine Arbeitserlaubnis und können einwandern. Die Familien werden bei den Greencard - Gewinnern nicht ausgenommen, d.h. die Familienangehörigen bekommen gleiches Arbeits - und Aufenthaltsrecht.
Damit habe ich schon Antwort gegeben: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Die Einwanderung muß jedoch bedarfsorientiert sein. Für die deutschstämmigen Mitbürger hat das Auto und das Reisen absoluten Vorrang vor Kindern. Deswegen findet auch Kinderpolitik nur halbherzig statt. Die Mehrzahl der Deutschen empfindet Kinder als Last. Ich fürchte, selbst die Erhöhung des Kindergeldes um das fünffache oder mehr wird nicht zu mehr Kindern bei den Deutschen führen. Deshalb muß neues Blut nach Deutschland, Das schreibe ich insbesondere denjenigen in ihren deutschen Stammbaum, die ihr Deutschsein vom Blut her bestimmen - abgesehen davon, daß ich feststellen mußte, daß ein Großteil der lautesten Schreier auch nur "Schrumpfgermanen" sind. Es müssen junge Leute nach Deutschland, die den Deutschen. auch den selbstzufriedenen Arbeitslosen, soviel Dampf unter dem Hintern machen, daß dieses Volk eine ideenfleißiges Volk wird. Dazu gehört die Neudefinition von Wohlstand (ohne Wachstum !).
Asylpolitik ist keine Einwanderungspolitik. Es kann sich, selbst bei bester deutscher Außenpolitik, immer wieder ergeben, daß wir kurzfristig verfolgten Menschen Asyl gewähren müssen. Aber - verfolgen wir eine Außenpolitik, die weitgehend verhindert, daß es Asylsuchende gibt? Nein, leider nicht! Dabei werden auch in Deutschland die viel zitierten Menschenrechte nicht eingehalten. Das Beispiel, welches ich auf dieser Seite als Rahmentext bringe, ist ein zufälliges Beispiel. Es kann durch tausend andere Beispiele ersetzt werden. Außer ein paar Abenteurern verläßt kein Mensch freiwillig und leichtfertig seine Heimat. Heimat bedeutet Familie und eine besondere Wärme und Geborgenheit, die die Fremde nicht bieten kann. Die fremden Kulturen mögen das anders nennen und die Gewichtung der einzelnen Aspekte mögen unterschiedlich sein. Der Mensch unterscheidet sich nicht so grundsätzlich.
Die sozialen Verhältnisse, die der Weiße als Kolonialherr, als Vertreter des internationalen Kapitals und des Internationalen Währungsfonds, durcheinander oder "auf den Hund" gebracht hat, müssen wieder in Ordnung gebracht werden. Wo sind z. B. die außenpolitischen Bemühungen der deutschen Regierung, die "nachrichtenlosen" Konten von Morbuto, Kabila und Co. in der Schweiz. in Südafrika und anderswo aufzuspüren, Konten, auf denen auch deutsches Steuerzahlergeld, aber auch das vom zairisch - kongolesischen Volk erarbeitetes Geld gelandet ist? Liegt die mörderische Gleichgültigkeit der deutschen Regierung vielleicht daran, daß der ehelmalige us-amerikanische Präsident Bush im Kongo besondere Interessen hat? Während eine große Aufregung über Nazigold, Lebensversicherungen von Holocaust - Opfern und Bankkonten herrscht, kümmert sich weder ein deutscher Politiker noch ein New Yorker Rechtsanwalt um die aktuellen Menschenquälereien und Vernichtungen bzw. den Tätern, deren Ausmaße einschließlich der dahinterstehenden Gesinnung durchaus dem Holocaust gleichen. Wir Deutsche tun uns selber etwas sehr Übles an, wenn wir den Versuch, Asyl in Deutschland, so beamtenmäßig behandeln, wie es diesem Priester (siehe Rahmen) ergangen ist.. Der Ideenreichtum, der uns innenpolitisch fehlt, den brauchen wir auch außenpolitisch. Mit den standardisierten diplomatischen Methoden kommen wir nicht weiter.
Schily, Kanther, Mechtersheimer und Andere lösen die Probleme nicht, wenn sie populistische Sprüche dreschen, wie das Boot ist voll. Solche Sprüche verkleistern das Gehirn, beinhalten keine Lösungen und führen zu keinem Frieden.

Wortlaut der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 zur Staatsbürgerschaft:

7. Integration
Wir setzen uns mit Nachdruck für eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik ein, die die Genfer Flüchtlingskonvention und Europäische Menschenrechtskonvention beachtet. Ziel der gemeinschaftsrechtlichen Regelung muß eine ausgewogene Verantwortungs- und Lastenverteilung sein. Während der deutschen Ratspräsidentschaft werden wir vorschlagen, die Kompetenz für alle Fragen der Flüchtlings- und Migrationspolitik bei einem Mitglied der Europäischen Kommission zu bündeln.
Wir erkennen an, daß ein unumkehrbarer Zuwanderungsprozeß in der Vergangenheit stattgefunden hat und setzen auf die Integration der auf Dauer bei uns lebenden Zuwanderer, die sich zu unseren Verfassungswerten bekennen.
Im Zentrum unserer Integrationspolitik wird die Schaffung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts stehen. Dabei sind insbesondere zwei Erleichterungen umzusetzen:
Kinder ausländischer Eltern erhalten mit Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil bereits hier geboren wurde oder als Minderjähriger bis zum 14. Lebensjahr nach Deutschland eingereist ist und über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt.
Unter den Voraussetzungen von Unterhaltsfähigkeit und Straflosigkeit erhalten einen Einbürgerungsanspruch

- Ausländerinnen und Ausländer mit achtjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt
- minderjährige Ausländerinnen und Ausländer, von denen wenigstens ein Elternteil zumindest über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügt und die seit fünf Jahren mit diesem Elternteil in familiärer Gemeinschaft in Deutschland leben
- ausländische Ehegatten Deutscher nach dreijährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren besteht.

In beiden Fällen ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abhängig. Wir werden Einbürgerungen auch dadurch erleichtern und beschleunigen, daß wir auf überflüssige Verfahren verzichten. Zur Förderung der Integration sollen auch die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzen, das Wahlrecht in Kreisen und Gemeinden erhalten.
Wir werden die im ausländerrechtlichen Vermittlungsverfahren nur unzureichend umgesetzte Reform des eigenständigen Ehegatten-Aufenthaltsrechtes zu Ende führen. Dazu werden wir die allgemeine Wartefrist von vier auf zwei Jahre herabsetzen und die Härtefallklausel so gestalten, daß unerträgliche Lebenssituationen der Betroffenen angemessen berücksichtigt werden können.
Im übrigen werden wir den Novellierungsbedarf im Ausländergesetz mit Rücksicht auf internationale Vereinbarungen überprüfen.
Die bisherige Anwendung des Ausländergesetzes hat in einer geringen Zahl von Einzelfällen zu Ergebnissen geführt, die auch vom Gesetzgeber nicht gewollt waren. Wir werden künftig alle gesetzlichen und administrativen Möglichkeiten (Paragraphen 32, 54, 30 Abs. 4 AuslG und die darauf bezogenen Verwaltungsvorschriften) nutzen, in solchen Fällen zu helfen. Sollte sich das geltende Recht als zu eng erweisen, werden wir eine Änderung des Paragraphen 30 Abs. 2 AuslG ins Auge fassen.
Die Dauer der Abschiebungshaft und des Flughafenverfahrens werden im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft. Wir wollen gemeinsam mit den Ländern eine einmalige Altfallregelung erreichen. Wir werden die Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel der Beachtung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe überarbeiten.

Den nachfolgenden Text entnehme ich einer Zeitungsanzeige in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 4. Dezember 1998.

Skandalöse Ermittlungsmethoden im Asylverfahren:
Gefolterter Priester mußte vorsingen!

"Mir wurde ein Revolver an die Stirn gehalten, oberhalb der Nase und danach hat man geschossen. Auch mußte ich mich nackt ausziehen, dann hat man den Revolver an meinen After gehalten, und es wurde ebenfalls gefeuert."
Dies berichtet ein 40jähriger Priester aus der Demokratischen Republik Kongo, als er auf dem Flughafen Frankfurt landet. Bei der Befragung durch den Bundesgrenzschutz gibt er an, Augenzeuge eines Massakers gewesen zu sein, das Truppen des Präsidenten Kabila an Hutu-Flüchtlingen verübten. Er habe daraufhin internationale Journalisten über die Greueltaten informiert und diese in seinen Predigten verurteilt.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge greift zu seltsamen Untersuchungsmethoden. Anstatt - wie es die Aufgabe des Amtes ist - die Angaben über die politische Verfolgung, erlittene Folter und Scheinhinrichtung aufzuklären, wird der Flüchtling gedemütigt. Seine Angabe, Priester zu sein, wird in Zweifel gezogen, und es findet ein entwürdigendes Schauspiel statt: Der Priester muß vor den Behördenvertretern auf lateinisch die Laudes vorsingen, alle Apostel aufzählen, die Namen der Stämme Israels nennen, den Gottesbeweis des heiligen Augustinus erläutern und Hegels Dialektik erklären.
Die Entscheidung des Bundesamtes nach diesen merkwürdigen Ermittlungmethoden ist erschütternd. Kein Wort zur Glaubwürdigkeit des Augenzeugenberichtes über das Massaker, kein Wort zur erlittenen Folter. Statt dessen eine Begründung, als deren Urheber man eher ein mittelalterliches Inquisitionsgericht vermuten würde: "Gerade das abgeschlossene Theologiestudium kann dem Antragsteller nicht geglaubt werden. (...) Der Antragsteller läßt selbst grundlegendes Wissen zu den Glaubensinhalten der katholischen Kirche vermissen." Der Asylantrag wird als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt - ohne auf die dargelegten Fluchtgründe einzugehen.
Ab diesem Moment ist höchste Eile geboten, denn die Abschiebung des Flüchtlings in den Verfolgerstaat steht unmittelbar bevor.
PRO ASYL schaltet das katholische Missionswerk MISSIO ein. MISSIO kann bestätigen, woran niemand außer dem Bundesamt zweifelt: Der genannte Flüchtling sei "in der Tat vom Berufsstand her Priester."
PRO ASYL geht an die Öffentlichkeit und macht sowohl den Fall als auch die Vorgehensweise des Bundesamtes publik.
PRO ASYL hilft bei der Einleitung weiterer juristischer Schritte.
Wie in vielen Fällen zuvor führt auch hier die Kombination von wirksamer Öffentlichkeitsarbeit und professioneller juristischer Hilfe zum Erfolg: Die Zurückweisung wird ausgesetzt, der Priester darf einreisen, über seinen Asylantrag wird neu entschieden. PRO ASYL unterstützt den Flüchtling im nun anstehenden Gerichtsverfahren und wird weiterhin alles unternehmen, um den Flüchtling wirksam zu schützen und sein Menschenrecht auf Asyl zu verteidigen.

 
     
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