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Die internationalen
Schlagzeilen der letzten drei Monate des Vorjahres wurden von dem Fall
Pinochet bestimmt. Der ehemalige Militärmachthaber Chiles wird für
viele (politische) Morde während seiner Herrschaft (1973 bis 1989)
verantwortlich gemacht. Solche Morde sind ein Verstoß gegen die
Menschenrechte, verkündet am 10. Dezember 1948 durch die Vereinten
Nationen und festgelegt in verschiedenen Konventionen.
Welches Herz schlägt nicht höher, wenn einer der (uniformierten)
Mörder von Bosnien - Herzegowina bis Chile zur Rechenschaft gezogen
wird. Trotzdem haftet diesen spektakulären Aktionen immer ein merkwürdiger
Beigeschmack an: genauer betrachtet, haben diese Täter ihre Hinterfrauen
und - männer, in deren Auftrage sie handeln oder, ohne deren Unterstützung
sie ihre Untaten nie hätten vollenden können. Das gilt für
die Diktatoren der Geschichte wie die der Gegenwart.
Im Falle Pinochet und seiner üblen Herrschaft in Chile steht fest,
daß sich der Herr einer umfangreichen und nahezu liebevollen Unterstützung
z. B. der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der
Vereinigten Staaten von Amerika und, last not least, der Regierung Ihrer
Königlichen Majestät des Vereinigten Königreiches Großbritannien
sicher war. Wie wäre es denn, wenn die verantwortlichen Politiker
dieser Staaten mit vor Gericht gestellt würden?
Die veröffentlichte Meinung, insbesondere die der Pinochet - Gegner
Zuhause und im Exil, verdeckt, daß Menschenrechtsverstöße
unter der amtierenden, "demokratischen" Regierung Chiles nach
wie vor stattfinden. Ich fand in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 18. Dezember
1998 einen Artikel von Daniel Salamanca unter der Überschrift Im
Namen des Fortschritts und unter der Unterüberschrift Entwicklung
contra Umwelt und Menschenrechte - Ein umstrittenes Staudammprojekt zerstört
den Lebensraum indianischer Ureinwohner in Chile. Ich zitiere die Zusammenfassung
aus FREITAG: Das obere Bio-Bio-Tal, zirka 600 Kilometer südöstlich
der chilenischen Hauptstadt Santiago gelegen, ist seit Jahren Schauplatz
eines erbitterten Kampfes zwischen dem Volk der Pehuenches und der ENDESA,
dem größten Stromproduzenten des Landes. In dem malerischen Flußtal
an den Abhängen der Anden will der Energieriese eine Reihe von Wasserkraftwerken
errichten. Für das milliardenschwere Projekt sollten mehrere tausend
Hektar Land überflutet und die dort lebenden Pehuensches-Indianer vertrieben
werden. Dagegen wehrt sich eine chilenische Organisation, deren Gründer,
der Sänger und Ökologe Juan Paulo Orrego, in diesem Jahr mit dem
alternativen Nobelpreis geehrt wurde. Für diese Indianer gibt
es keine Entschädigung. Von einem befreundeten Chilenen, dessen Familie
im Süden Chiles lebt, weiß ich von dem latenten Rassismus in
der chilenischen Gesellschaft. Indianer gelten als Untermenschen, obwohl,
auch nach Meinung meines Gewährsmannes, die Indianer die einzigen Träger
originärer und zukunftsweisender Kultur in Chile sind. Diese Verstöße
gegen die Menschenrechte in Chile, getragen von einer Mehrheit des chilenischen
Volkes (es haben ja "demokratische" Wahlen stattgefunden), abgesegnet
u.a. von der Weltbank (die auch deutsche Steuergelder verteilt), vielleicht
sogar gestützt durch deutsche Gewerkschaften, die gerne z. B. Voith-Turbinen
aus Baden-Württemberg nach Chile verkauft sehen, finden keine Schlagzeilen
auf der ersten Seite der Medien.
Schlimm ist auch, daß vor allen Dingen deutsche Menschenrechtsorganisationen
nicht zur Kenntnis nehmen, daß es neben Sonnen - und Windenergie und
neben einer notwendigen Dezentralisierung (Kraftwärmekopplung) der
Energieversorgung noch andere Energieversorgungsmethoden gibt, die freilich
erst entwickelt werden müssen. Die Menschenrechtsorganisationen bekämen
allerhand Schubkraft wenn sie z.B. das Projekt Energie aus Umgebungswärme
(Werkstatt für Dezentrale Energieforschung e.V., Pasewaldtstraße
7, 14169 Berlin) nachhaltig unterstützen würden.
Wer kennt nicht Erich Kästners Das fliegende Klassenzimmer. Vor kurzem
schlief mein 10jähriger Patensohn Nils bei mir und bat mich, ihm
zum Einschlafen was vorzulesen. Ich nahm das Buch in die Hand und entdeckte
in der zweiten Abteilung des Vorwortes den nachstehenden Absatz.
Es ist nämlich gleichgültig, ob man wegen einer zerbrochenen
Puppe weint, oder weil man, später einmal, einen Freund verliert.
Es kommt im Leben nie darauf an, worüber man traurig ist, sondern
nur darauf, wie sehr man trauert. Kindertränen sind, bei Gott, nicht
kleiner und wiegen oft genug schwerer als die Tränen der Großen.
Keine Mißverständnisse, Herrschaften! Wir wollen uns nicht
unnötig weich machen. Ich meine nur, daß man ehrlich sein soll,
auch wenn´s weh tut. Ehrlich bis auf die Knochen.
+ + +
Bleiben wir in Lateinamerika und den Menschenrechten. Lateinamerika steht
ja zur Zeit im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit. Zum Beispiel
das ständige Auf und Ab der wirtschaftlichen Prosperität in
Brasilien; ein reiches Land, welches immer dann in das Visier multinationaler
Währungsspekulationen gerät, wenn es beginnen könnte, die
überaus großen sozialen Ungerechtigkeiten wenigstens annähernd
und zaghaft lösen zu wollen. Abgesehen davon, daß die inneren
Menschrechtsverletzungen, wie z.B. sklavische Abhängigkeit landloser
Bauern vom Großgrundbesitz, schwer genug sind, führt die multinationale
Spekulation zu so großen sozialen Nöten, daß auch dadurch
die Menschenrechte verletzt werden.
Ein besonderer Hit der umsatzgeilen Medien ist zur Zeit das Erdbeben in
Kolumbien. Dieses nicht steuerbare Naturereignis hat die ohnehin schon
arme Bevölkerung zusätzlich in Schwierigkeiten gebracht. Ich
hatte ursprünglich den nachfolgenden Text für die Zeitungs -
und Drucksachenschau vorgesehen, aber da ich die Menschenrechte nun zum
Thema mache, soll die Inhaltsbeschreibung einer beachtenswerten Veröffentlichung
bereits auf der zweiten Seite stehen. Es handelt sich um die Schrift Kein
Friede ohne Gerechtigkeit - Menschenrechte in Kolumbien; Herausgeber der
Broschüre ist die Kampagne für das Leben - Rüstungsexporte
stoppen, Bismarckring 3, 65183 Wiesbaden und Deutsche Menschenrechtskoordination
Kolumbien/ Kolumbiengruppe e.V., Postfach 1347, 72603 Nürtingen;
dazu kommen noch eine Reihe von Mitherausgebern; die Broschüre kostet
DM 6,00, hat 27 Seiten und ist DIN - A4 groß. Ich schrieb dazu folgende
Zusammenfassung: Kolumbien ist uns aus den Nachrichten hauptsächlich
als Drogenland bekannt. Mit der vorliegenden Broschüre erfahren wir
einiges mehr, z.B. über den Zusammenhang zwischen den seit Jahrzehnten
wütenden Bürgerkrieg, den us - amerikanischen Multis, den Waffenhandel,
auch der deutschen Waffenschmieden, und dem Versagen deutscher Diplomatie
(Politik). Ich bin nach der Lektüre dieser Broschüre mehr denn
je der Überzeugung, daß der Handel mit Drogen freigegeben werden
sollte, auch wenn das zu Konflikten mit der us - amerikanischen Politik
führen würde. Die Drogen Alkohol und Tabak erfreuen sich ja
auch weltweiter Akzeptanz und sind nicht minder schlimm. Das menschliche
Elend in Kolumbien, welches in meiner Zusammenfassung gar nicht so deutlich
geschildert wird, ist enorm. Nun könnten wir Deutschen sagen, was
geht uns das Elend anderer Völker an, sie sollen gefälligst
selbst dafür sorgen, daß sie ihre Rechte auf ein menschengerechtes
Leben gegenüber ihren Machthabern selber durchdrücken. Richtig
- aber wir Deutschen sind jedoch überall dort beteiligt, wo es darum
geht, die Rechte der Menschen noch mehr zu verschlechtern. Unser schlechtes
Gewissen versuchen wir dann immer durch Katastrophen - Einsätze und
Spenden zu beruhigen.
+ + +
Bleiben wir bei Lateinamerika. Ich meine, beobachten zu können,
daß die Zahl der Gruppen und damit auch die Zahl der Menschen in
Deutschland zunimmt, die die deutschen Verstrickungen in menschenrechtsfeindliche
Praktiken in Lateinamerika aufdecken und die dagegen, auch in Deutschland,
vorgehen. Die Veröffentlichungen nehmen zu. Vor mir liegen drei Ausgaben
der AUFBRÜCHE - Impulse aus dem gewaltfreien Kampf in Lateinamerika
und zwar zwei Ausgaben aus dem Oktober 1998 und eine Ausgabe aus November
1998. Herausgeber ist der Internationale Versöhnungsbund, Österreichischer
Zweig, Lederergasse 23/III/27, A-1080 Wien. Das Jahresabonnement
kostet DM 10,00. In den ersten beiden Ausgaben geht es um die wirtschaftlichen
und sozialen Menschenrechte die z.B. durch unsere großen Textil
- Handelshäuser bestimmt werden, die unter äußerst miserablen
Bedingungen in Lateinamerika fertigen lassen. Auch Sportschuhe z.B. werden,
mit Hilfe von Kinderarbeit, in Lateinamerika hergestellt. Die europäischen
Schnäppchenjäger, die Endverbraucher, müssen sich darüber
klar sein, daß für ein Billigangebot unter Umständen Menschen
in anderen Ländern förmlich "über die Klinge springen
müssen". In der Novemberausgabe wird der Waffenhandel und der
notwendige Schuldenerlaß thematisiert.
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Zum Schluß der unvollständigen Menschenrechtsbetrachtungen
komme ich auf ein Thema, welches mich persönlich emotionalisiert
hat, weil die Menschenrechtsverstöße in meiner Stadt geschehen.
Auch hier gibt es viele Menschen - nicht genug Menschen - die sich damit
befassen. Vor allen Dingen macht die Broschüre, deren Inhaltsangabe
ich auch ursprünglich für die Zeitungs - und Drucksachenschau
vorgesehen hatte, deutlich, daß solche Menschenrechtsverstöße,
ich schreibe, nach Worten ringend, in einer besonderen Atmosphäre
geschehen, z.B. der Atmosphäre der Bürokratenseelen, die, auch
durch den täglichen Papierwust, so abgestumpft sind, daß sie
gar nicht mehr bemerken (wollen), wie sie gegen die Menschenrechte verstoßen.
Die politischen Vorgaben sind darüber hinaus völlig unzulänglich.
Es handelt sich um die Broschüre Ausländische Kinder allein
in Berlin; herausgegeben von Pax Christi/Berlin, Asyl in der Kirche
und Internationale Liga für Menschenrechte; Adresse der Internationalen
Liga für Menschenrechte Berlin e.V. lautet: Oldenburger Straße
33, 10551 Berlin, Tel. (030) 396 21 22, FAX (030) 396 21 47; Preis der
Broschüre DM 10,00, 64 Seiten, DIN - A 5 groß. Ich schrieb
dazu: Diese verdienstvolle Broschüre beschreibt, auch mit Fallbeispielen,
den Leidensweg ausländischer Kinder durch den deutschen Behörden
- und Rechtsdschungel. Bei den ausländischen Kindern handelt es sich
hier um solche, die aus eigenen Antrieb alleine nach Deutschland kommen,
von ihren Eltern oder Verwandten geschickt werden oder mit "Hilfe"
von Schleppern zum Stehlen oder Straßenstrich (der Straßenstrich
hat auch deutsche Nutzer) nach Deutschland verbracht werden. Es handelt
sich fast ausnahmslos um Kinder aus Bürgerkriegsgebieten oder um
Kinder aus den ärmsten Ländern unserer Erde. Es sind Kinder,
also Menschen unter 18 Jahren, meistens sogar unter 16 . Der jüngste
Flüchtling in dieser Broschüre ist eine 12jährige Vietnamesin.
Sehr eindrucksvoll werden die Rechtsverstöße z.B. gegen die
Internationale Kinderkonvention, durch die deutschen Behörden einschließlich
durch die Gerichte geschildert. Die Kinder sind weitgehend, auch vor den
deutschen Gerichten, vogelfrei, d.h., die deutsche Justiz sanktioniert
eine Verwaltungs- und Rechtspraxis, die von einer menschlichen Gleichgültigkeit
ist, die kaum zu ertragen ist. Was für einen miesen Charakter müssen
die Amtsvormünder des zuständigen Berliner Bezirksamtes Treptow,
die Juristen und Polizisten haben, daß sie wissentlich gegen Gesetze
verstoßen, um sich an Kindern zu vergehen? Ich gebrauche diese Formulierung
absichtlich so, um eine direkte Beziehung zu dem sexuellen Mißbrauch
von Kindern herzustellen. Die psychischen Folgen des Amtsmißbrauches
sind nämlich ähnlich der Folgen eines sexuellen Mißbrauches.
Wir Deutschen erweisen uns einen Bärendienst, wenn wir mit Menschen
so umgehen. Die Bezirksverordneten - Versammlung von Berlin - Treptow
soll laut Broschüre mit Mehrheit die Bezirksverwaltung aufgefordert
haben, die Praktiken der Amtsvormünder zu ändern. Eine deutsche
Verwaltung scheint es nicht nötig zu haben, sich an Parlamentsbeschlüsse
zu halten. Der Bürger - nicht nur von Berlin - Treptow - ist gefragt,
ob er sich Menschenrechtsverstöße dieser Art leisten will.
Besorgen Sie sich die Broschüre! Sie bekommen einen ganz anderen
Blick auf die deutschen Behörden! |
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