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Verkehrspolitik ist
ein sehr altes Thema. Anfang der 70iger Jahre war ich einer der Initiatoren
für das Bürgerkomitee Verkehrspolitik im damaligen West-Berlin:
Jedes zweite Auto ist zuviel war unsere Parole; wir hatten
es schon damals satt, vom Lärm und Gestank und vom ständigen Straßenbau
belästigt zu werden. Die meisten West-Berliner gehörten nicht
zu den Bevorzugten der Vorstädte und die meisten Berliner von heute,
wie auch andere Großstädter, gehören nicht zu den Bevorzugten
einer zersiedelten Landschaft, wo, auf Kosten der Steuerzahler, insbesondere
derjenigen, die es sich nicht leisten können, durch Direktinvestitionen
und Steuervorteile, ein Einfamilienhaus nach dem anderen verkehrsberuhigt
gebaut wird. Bei diesen Siedlungen kalkuliert die Autoindustrie mindestens
zwei Autos pro Familie, weil, von einigen Ballungsgebieten abgesehen, sich
die Deutsche Bahn immer mehr aus dem Verkehrsangebot zurückzieht.
Einiges von unserem nunmehr über dreißig Jahre alten historischen
Bürgerkomitees Verkehrspolitik bzw. der Umweltfront finden Sie in der
Broschüre von Heinz Paarmann, die ich schon lange in der Bücherliste
anbiete. Ich habe das Angebot noch einmal in die Rubrik NEU in unserem
Anbot aufgenommen.
Hartmut Mehdorn, der Vorstandsvorsitzende der zur Zeit noch bürgereigenen
Deutschen Bahn AG., ist es gelungen, durch Ausdünnung des Angebots
und durch den gezielten Fahrpreisbetrug, den mobilen Menschen noch mehr
als sonst in das Auto zu zwingen. Damit folgt Mehdorn, so scheint es, sowohl
seinen eigenen Interessen als auch denen des Autokanzlers Schröder.
Sein Vertrag ist deshalb vom Aufsichtsrat im Auftrag der Bundesregierung
bis 2008 verlängert worden. Würde Herr Mehdorn vor Ablauf des
Vertrages entlassen werden, muß die Deutsche Bahn ihm eine Abfindung
in unbekannter Höhe zahlen. So eine Zahlung erfolgt auch dann, wenn
sich endlich herausstellen würde daß Manager Mehdorn unfähig
ist, ein sozial und politisch so sensibles Unternehmen zu führen.
Corell Wex schreibt in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 30. Mai, nach der
Pressekonferenz, auf der, auf Druck der Bürger hin, einige der schlimmsten
Fahrpreis-Hindernisse für potentielle Bahnbenutzer beseitigt worden
sind, unter der Überschrift Noch keine Weichenstellung u.a. folgendes:
> Wenn die Deutsche Bahn tatsächlich mehr Kundenfreundlichkeit
und mehr Service leisten will, müßte sie nicht nur handwerkliche
Fehler beseitigen, sondern grundsätzlich ihren Kurs überdenken.
In der Vergangenheit wähnte man den Luftverkehr als Hauptkonkurrenten
und konzentrierte sich auf die angeblichen Hauptstrecken, ohne zu bedenken,
daß 90 Prozent der Fahrten im Nahverkehr bis 50 Kilometer stattfinden.
Die Systemvorteile der Bahn, die gerade im spontanen Fahren liegen, gingen
verloren, und so wurde die Bahn gerade nicht das, was sie hätte sein
können - eine attraktive Alternative zum Auto. Statt solche Marktbedürfnisse
angemessen zu berücksichtigen, konzentrierte sich der Vorstand auf
Fernverbindungen im Personen-und Güterverkehr und auf teure Neubaustrecken
für Geschäftskunden. Andere Fahrgäste dagegen warteten vergebens
auf Verbesserungen, etwa die Beseitigung der nach wie vor bestehenden 2000
Langsamfahrstellen. Statt dessen nutzte man das Elbehochwasser, um einige
Nebenstrecken nicht mehr aufzubauen. Auch die Personalentlassungen der vergangenen
Jahre, bei Lokomotivfahrern und beim Reparaturpersonal, verlangen ihren
Tribut. Betroffen sind besonders die 36 bundesdeutschen Verknüpfungspunkte,
die immer wieder für Verspätungen sorgen. Statt die Probleme
ernsthaft anzugehen, wollte man offenbar die Kunden den Bedürfnissen
der Bahn anpassen. Das neue Preissystem sollte vor allem der optimalen
Auslastung der Züge dienen und nicht den Wünschen der Reisenden.
Die beiden verantwortlichen Vorstände (D.K. - von Mehdorn und
dem Aufsichtsrat entlassenen Vorstände) kamen von der Lufthansa
und übertrugen phantasielos die dort gelernten Rezepte auf einen völlig
anderen Verkehrs- träger. Die Vorteile eines großen (Anmerk.
D.K. - und vom Steuerzahler in hundertfünfzig Jahren mühsam finanzierten
Streckennetzes), gut getakten Netzes, in dem Verkehrsleistung vorgehalten
wird, wurden systematisch mißachtet, weil weder Politik noch Management
die eigentlichen Aufgaben der Bahn begriffen haben. Statt dessen ging es
seit der Bahnreform 1994 immer wieder darum, mit aller Macht ein börsentaugliches
"Unternehmen Zukunft" entstehen zu lassen. Daraus dürfte
nun auf längere Sicht nichts werden. <
Der Fettdruck im zitierten Text stammt von mir. Die entlassenen Lokomotivführer,
von der Deutschen Bahn kostenaufwendig und gut ausgebildet, sind zum Teil
zur Schweizerischen Bundesbahn gegangen, die, privatisiert, aber flächendeckend
vorhanden, Gewinne einfährt. Die Deutsche Bundesbahn, flächendeckend
schon lange nicht mehr vorhanden, hat Verluste = 493 Millionen Euro im Jahr
2002.
Nach meiner Meinung hat das Auto nur eine Aufgabe in der Zukunft: Zubringer
für Öffentliche Verkehrsmittel zu sein. Das Auto darf und kann
kein Wachstumsträger sein, da dort der Wirtschafts- und Umwelt - Kollaps
am wahrscheinlichsten ist. Ohne in diesem Beitrag mit Zahlen aufwarten zu
können: schon eine prozentual gleiche individuelle Nutzung eines Pkws
in der aufstrebenden Industrienation Volksrepublik China würde einen
weltweiten Umweltkollaps herbeiführen. Wir haben in Deutschland für
eine ebenfalls weltweite, beispielhafte und menschengerechte Verkehrspolitik
noch eine Chance. Es kommt auf den kulturell bewußten Umgang mit machbarer
Technik an.
Da der Luftverkehr in dem Text von Corell Wex eine Rolle spielt, gestatten
Sie mir bitte einige Bemerkungen dazu: ich bin dafür, den innerdeutschen
Flugverkehr abzuschaffen. Das Bedürfnis nach schnellen Reisen kann
auch von der Deutschen Bahn gedeckt werden, auch ohne Transrapid. Bestenfalls
sollte untersucht werden, ob es wirtschaftlich ist, einen Luftschiff-Verkehr
(Zeppelin) anzubieten. Der Zeppelin ist auf jeden Fall umweltfreundlicher
als die Düsenflugzeuge.
Der Transrapid ist deswegen eine "schlechte" Technik, weil er
eigene Trassen für den Betrieb benötigt. Die Verkehrsverantwortlichen
der Volksrepublik China, genauso technik-wie Transrapid-begeistert die Fans
bei uns, haben das, was wir noch erkennen müssen, längst erkannt.
Die Bahnstrecke Schanghai - Peking wird konventionell ausgebaut. Dann können
nämlich auch Güter transportiert werden. Es sind also immer praktische
Gründe, die zu einer menschengerechten Verkehrspolitik führen.
Anmerkung 1: Am Freitag, den 18. Juli fuhr ich um Uhr 17.45
mit dem ICE 1518 nach Hamburg. Der Fahrkartenverkäufer, etwa ein Woche
vor der Fahrt, im Reisezentrum Berlin-Zoologischer Garten, bemerkte beim
Platzkartenkauf mit hochgezogenen Brauen, daß er nur noch einen Gangplatz
hätte. Der Zug wäre voll; es wäre eben Reisezeit. Real war
der Zug jedoch nur etwa zu einem Drittel besetzt, viele Fensterplätze
waren frei, und der Platz neben mir war zwar als "besetzt" gemeldet,
aber ebenfalls leer.
Am Montag, den 21. Juli fuhr ich um Uhr 11.00 mit dem EC 175 Alois Negrelli
zurück nach Berlin. Der Zug war zu 95 % ausgelastet; der reservierte
Platz gegenüber war nicht besetzt.
Die Züge hatten die übliche Deutsche- Bahn-Verspätung, aber
keine außergewöhnliche, wie für die Strecke nach und von
Hamburg von den Medien einen Tag vorher angekündigt. Was diese Fehlinformation
bedeuten sollte, weiß ich nicht.
Anmerkung 2: Am 30. Juli fuhr ich in den Urlaub. Der ICE
1515 hatte in Augsburg soviel Verspätung, daß der ebenfalls verspätete
ICE 119 nach Prien zwar noch erreicht werden konnte, aber auf einem anderen,
entfernten Gleis stand, wobei mir die nicht geplante Kofferschlepperei sehr
schwer fiel. Nichtautofahrer müssen so etwas eben ertragen; das haben
sie davon. Herr Mehdorn benutzt seinen Vorstands-Mercedes; da spielt das
alles keine Rolle. Seine Sichtweise ist eine ganz andere. Begründet
wurden diese Verspätungen mit dem "notwendigen Abschalten der
Neigetechnik". Kann mir jemand erklären, weshalb die Neigetechnik
in Italien funktioniert, aber nicht in Deutschland?
Auf der Rückfahrt stieg ich am 13. August in München in den ICE
1516. Dieser Zug hatte bei Ankunft in Berlin 60 Minuten Verspätung.
Als Grund wurde wieder das "Abschalten der Neigetechnik" angegeben,
aber, was das Schärfste war, es wurde behauptet, daß sich die
Schienen durch die Hitze verbogen hätten. Das Volk, welches rundum
im vollbesetzten Zug saß, glaubte dieser Angabe. Spöttisch kann
ich nur mutmaßen, daß die fleißigen Bahnmitarbeiter vorweg
liefen und mit großer Selbstaufopferung die Schienen wieder geradebogen,
denn der Zug fuhr ja weiter, mit längeren Standzeiten zwischendurch
. ..... Ich habe diese Geschichte einigen Leuten erzählt und ungläubiges
Erstaunen bis Belehrung geerntet. Die Belehrung: die modernen Züge
brauchen genaue Spurbreite (Spursicherheit). Das moderne Schienensystem
verträgt die große Hitze nicht. Abgesehen von meinen Zweifeln
an dieser Begründung - mir scheint dann aber, daß die Modernisierung
der Bahn von technischen Fehlentscheidungen begleitet worden ist. Siehe
die in Italien funktionierende Neigetechnik.
Ich habe versucht, über die Neigetechnik im Internet zu recherchieren.
Die Mehrzahl der Berichte sind Lobhudeleien, einige wenige teilen Schwierigkeiten
mit. Eine technische Auskunft habe ich nicht gefunden.
Reisen haben einen Lerneffekt!! Ich wußte z.B. nicht, daß es
bei der Deutschen Bahn in den einzelnen Bundesländern, insbesondere
in den Flächenländern, länderüberschreitende Ländertickets
gibt, die meistens 18 Stunden und für fünf Personen und u.U. mehr
gelten, und zwischen € 21,- und € 25,- kosten. Dieses Ländertickets
werden, so mein Eindruck, wenig beworben, sind deshalb nicht besonders bekannt
und werden nicht immer vom Bahnpersonal angeboten. Wenn Sie mit dem Bayernticket
für € 21,- nach München fahren, gilt es auch für die
öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt. Sie können mit den Bayerticket
auch nach Salzburg fahren. |
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