Dieter Kersten / Dezember 2003    
Deutschland braucht Ideen  
     
  In der Wochenzeitschrift JUNGE FREIHEIT vom 17. Oktober wurde ein Beitrag von Doris Neujahr unter der Überschrift Deutschland braucht eine politische Idee abgedruckt. Untertitel: Lage der Nation: Die derzeitige Krise kann nur überwunden werden, wenn die politischen Lager wieder Kraft aus Visionen schöpfen. Na endlich, dachte ich, fleißig stolpernd über die Einzahl >Idee< und die Einschränkung >politische<. Wenigsten eine Idee haben sie, die Konservativen.. Also, ich fing an zu lesen.
Um es kurz zu machen, außer Polemik gegen die Regierung ist nichts Neues in dem Beitrag von Doris Neujahr zu finden. Der Satz > Rotgrün hat sich diskreditiert, nachdem es fünf Jahre lang das Land fröhlich auf Verschleiß gefahren hat < stimmt so nicht. Alle Regierungen der Vergangenheit haben ihren Anteil an dem Verschleiß, insbesondere die der bleiernen Zeiten der Kohl-Herrschaft von 1982 bis 1998. In diesen Zeiten sind nicht nur die internationalen Globalisierungs - Entscheidungen gefallen - es sind auch wesentliche handwerkliche Fehler bei der Übernahme ("Eingemeindung") der DDR gemacht worden. Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland alt und der DDR ist eine Geschichte von Aneinanderreihungen wirtschafts- und sozialpolitischer Lügen, Lügen, die die immer satter werdenden Oligarchien der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen DDR ständig Futter gaben und den jeweiligen Staatsvölkern vorgaukelten, ständiges wirtschaftliches Wachstum bringe das Paradies auf Erden. Die Folge waren und sind Schulden über Schulden.
Auch die Schröder-Regierung schreit nach Wachstum. Wachstum wohin? Die einkommensschwachen, und unter ihnen die immer weniger werdenden kinderreichen Familien, die Einzigen, bei denen der Konsum noch wachsen könnte, bleiben innerhalb des turbokapitalistischeen Wirtschafts- und Steuersystems einkommensschwach. Diejenigen also, die einkommenschwach sind, können zum Wachstum nicht beitragen. Die Anderen sparen und spekulieren. Investiert wird nur dort, wo die Gewinnzusagen besonders hoch sind.
Die Lage der Nation ist eindrucksvoll schlecht wie kurios: der mittelständische Bürger spart, woran? - am Konsum! Die guten alten Sparkonten erleben ein Wachstum wie nie zuvor. Der Bürger spart aus Angst, sozial abzusteigen, durch Arbeitslosigkeit zum Beispiel. Gleichermaßen nehmen Firmen - und Privat- Insolvenzen zu und es steigt die Arbeitslosigkeit. Mit der Arbeitslosigkeit steigen die Defizite in Renten- und Krankenkassen. Die Bundesanstalt für Arbeit (das Arbeitsamt) braucht ständig Zuschüsse aus unserer aller Steuersäckel. Die Lohnnebenkosten sollen nicht erhöht werden, weil dann angeblich die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Wirtschaft sinkt.
Zusammenfassung: unser Geld- und Bankensystem macht es möglich, daß der Wohlstandsbürger das Geld dem Wirtschaftskreislauf entziehen kann, durch das Sparen und das Spekulieren. Dabei ist Geld keine Ware, genauso wenig wie Grund- und Boden. Geld ist das Blut der Wirtschaft und Blutsauger sind in erster Linie diejenigen, die diesen Tat- und Sachbestand leugnen, den Bestand ihrer Sparkonten erhöhen und spekulieren. Sie verhindern "als brave Leute" damit auch, daß die mediale Öffentlichkeit die wirtschaftspolitischen Ideen von Rudolf Steiner und Silvio Gesell diskutiert, und daß eine moderne Wirtschaftswissenschaft entwickelt wird, die den Wirtschafts- und Geldkreislauf in Zukunft stabil hält.Das Versagen der hochbezahlten Wirtschaftswissenschaftler wird mit jedem Arbeitslosen immer deutlicher. Wir leisten uns an den Universitäten, Hochschulen und Instituten ein Heer von Versagern. Wie lange noch?
Eine Warnung an die Sparer: die hohen Staatsschulden Deutschlands und anderer Euro- Länder und der ruinöse Zinsendienst für diese Schulden werden kurz über lang zu einer wesentlich größeren Inflation führen, als wir Deutsche es bislang gewöhnt sind. Bis zu drei Prozent Inflation waren in der alten Bundesrepublik durchaus üblich; was uns erwartet, wenn wir keine neue Geld- und Wirtschaftspolitik einführen, das ist eine Inflation von vielleicht 30 % im Jahr oder mehr, viel wirksamer als jede Vermögenssteuer, die den Sparer enteignet, den Mittelstand ruiniert und die Herrschaft der multinationalen Großkonzerne erhöht.
Eine Einschränkung, die vielleicht wichtig ist: auch multinationale Konzerne wollen ihre Autos: ihre Verbrauchsgüter, ihre Baumaterialien verkaufen. Wenn die Raffgier zu groß ist, werden auf Jahrzehnte Märkte zerstört. Aber wissen das die Blutsauger?
Die Lage der Nation in den Rentenkassen ist ebenfalls katastrophal. Die Rentenkassen waren immer solidarisch angelegt, über 100 Jahre lang. Dieses solidarische Prinzip ist auf jeden Fall besser, als die so genannte "Riester"-Rente, die, steuergeld - unterstützt, vom Kapitalmarkt abhängig sein wird. Der Kapitalmarkt ist aber eine Hure mit sehr vielen anonymen Zuhältern. Die "Riester"-Rente wird, solange Globalisierung und Spekulation Deutschland, Europa, die gesamte Erde beherrschen, wesentlich unsicherer sein als ein soldarisches Prinzip. Was hat die Rentenkassen ruiniert: eine falsche Familienpolitik, der unsolidarische Auschluß der Beamten, die weitgehend geld-deckungslose Hereinnahme der ehemaligen DDR-Bevölkerung in das solidarische System, wie auch der in die Hunderttausenden gehenden russischen Zuwanderer, die angeblich Deutsche sind. Und natürlich auch der sich fortsetzende Niedergang der deutschen Wirtschaft? Das Fragezeichen soll nur Aufmerksamkeit hervorrufen, denn das Kapital, insbesondere das von deutschen Sparern und deutschen Spekulanten in Aktien und Fonds festgelegte Geld, ist dem Geld- und Kapitalgeber entglitten. Es wird anonym mißbraucht. Kein Arbeitsplatz mit sozialer Bindung entsteht durch dieses anonyme Kapital aus Deutschland oder aus anderen Ländern Diese Erkenntnis gehört in eine Diskussion um ein neues Geld- und Wirtschaftssystem.
Auch im Krankheitswesen bin ich für ein solidarisches System, aber nur dann, wenn ich die Freiheit habe, über meinen Körper, über meine Gesunderhaltung und die Methoden der Gesundung selbst zu bestimmen. Ich bin der Auffassung, daß die Krankenkassen verpflichtet werden müssen, noch mehr Vorsorge, als es zur Zeit geschieht, anzubieten und daß sie alle Vorsorge- und Heilmethoden gleichberechtigt nebeneinander akzeptieren sollten. Die Schulmedizin hat in einigen Bereichen, wie z. B. in der Unfallchirugie, erstaunliche Erfolge; in vielen anderen Bereichen versagt sie fast völlig. Eine jüngst durchgeführte Untersuchung ärztlicher, schulmedizinischer, Fähigkeiten und Kenntnisse Berliner Ärzte durch die Berliner Kassenärztlichen Vereinigung ist erschreckend negativ ausgefallen. Schlimmer kann es mit Heilpraktikern und Geistheilern auch nicht kommen, eher besser. Teile der Pharmaindustrie werden sehr schnell überflüssig werden, und das ist gut so. Das jetzige Krankheitssystem, der "Gesundheitskompromiß" zwischen Regierung und CDU/CSU schafft nur Kosten für den Versicherten. Die Herausnahme zahnärztlicher Leistungen aus dem solidarischen Versicherungsprinzip bedeutet, daß in Zukunft die Zahnärzte mit erhöhten, den privaten Honorarsätzen abrechnen werden, da die in Zukunft angebotenen Zusatzversicherungen, auch bei den gesetzlichen Krankenkassen, als private Versicherungen gelten. Deshalb sind die genannten Beitragssätze Lügen, nichts weiter. Die Zahnarztkosten werden exorbitant steigen und damit auch die Versicherungsprämien. Ärzte, Krankenhäuser und Pharmaindustrie haben durch den "Gesundheitskompromiß" keinen Cent Nachteil. Im Gegenteil - durch die stärker gewordene Bürokratisierung ist das System noch undurchsichtiger geworden, und damit für Ärzte, Krankenhäuser und Pharmaindustrie lukrativer, da manipulierbarer.
Natürlich sind die Probleme bei den Renten- und Gesundheitskassen schon seit Jahrzehnten bekannt. Immer wieder haben Bevölkerungswissenschaftler gewarnt. Immer wieder stand auch etwas in den Zeitungen. Aber die Klientelpolitk aller Parteien war stärker und hat zu dieser Schieflage geführt. Deutschland, Bundesrepublik alt und neu, ist zu einem extrem kinderfeindlichen Land mutiert. Gefördert durch das Primat des Materiellen hat sich eine Kultur der Raffgier und des Egoismus entwickelt. Wer nicht trickst, ist dumm. Anstatt Familien zu fördern, stand und steht einseitig die Emanzipation der Frauen und die Rechte der Lesben und Schwulen auf den politischen Agenden. Von Pflichten ist natürlich keine Rede. Kinder? Igitt, igitt. Die rauben uns doch nur unser Mittelklasse-Auto und unsere Reise nach den Malediven. Und die Wohnung - ohne Kinder - muß ja mindestens 80 qm groß sein. Die 100 qm mit Kind, die sind uns selbstredend zu teuer. Kinder als potentielle Beitragszahler sind also nicht im ausreichenden Maße geboren worden. Nun sollen die Renten gekürzt werden und die Krankenkassenbeiträge werden real erhöht. Das Geschrei wird immer größer, ändert aber nichts an den Tatsachen. Die Jungen, die ständig zahlen müssen, haben die Nase voll. Ich kann das verstehen, obwohl ich kein Junger mehr bin; ich bin nämlich auch ein Alter, kinderlos dazu. Ich bin bereit, meinen Obolus zu entrichten.
Deutschland braucht viele Ideen und die Lage der Nation: Demokratie ist in Deutschland Parteiendemokratie und Klientel-Demokratie. Parteiendemokratie ist Diktatur der Unfähigen und der Staats-Bürokratie. Wir müssen auf allen politischen Ebenen und in allen Vorgängen, die das Gemeinweisen betreffen, direkte Demokratie einführen. Volksbegehren und Volksentscheid sind die ersten, wichtigen Instrumente für eine direkte Demokratie. Der 2. Schritt sind Vorwahlen, die die Ab-geordneten-Kandidaten dem Votum des Volkes unterwerfen. Der 3. Schritt, das ist die Kontrolle der Parlamente durch die Nachbarschaften. Direkte Demokratie kostet Zeit und Mühe. Das ist aber eine Voraussetzung für eine Gesundung des Gemeinwesens. Die ewigen Jammerer, denen die Renten zu niedrig und die Steuern zu hoch sind, muß gesagt werden: kümmere Dich selbst darum. Wenn Du es nicht tust, dann hast Du auch kein Recht auf Jammern.
 
     
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