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Die
nachstehenden gesundheitspolitischen Texte habe ich dm Mitgliederrundschreiben
vom 12. Dezember 2003 des DEUTSCHER BUNDES ZUR RETTUNG DES LEBENS e.V.,
Vorsitzender Hans-Jürgen Lange, Bundesgeschäftsstelle Gehrenshalde
40, 74427 Fichtenberg, entnommen.
Gesundheitspolitik und Solidarsystem Betrachtungen
aus der Sicht einer
Sozialpädagogin (FH)
Anne Hehl, Lembergstraße 12,
74235 Erlenbach
Die zwischen der SPD (Regierung) und der CDU (Opposition)
ausgehandelten Eckpunkte über eine Gesundheitsreform sind vollkommen
unsozial. Sie sind eine GROSSE KOALITION gegen unser Solidarsystem. Sie
entlasten einseitig die Arbeitgeber und belasten Arbeitnehmer bzw. die
Krankenversicherten und Patienten. Während die Arbeitgeber durch
die Senkung der Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung
tatsächlich entlastet werden, trifft dies für die Krankenversicherten
nicht zu. Ihnen wird das, was ihnen durch eine Senkung des Krankenkassenbeitrags
scheinbar gegeben wird, um ein Vielfaches wieder aus der Tasche geholt.
Von 23,1 Milliarden Euro, die eingespart werden sollen, werden die Versicherten
und Patienten mit 15,9 Milliarden Euro belastet.
Bei einer vierköpfigen Familie mit durchschnittlichem Einkommen wird
die Senkung des Krankenkassenbeitrages zwar rund 100 Euro jährlich
ausmachen, ihre Belastung, die sie aber künftig zusätzlich tragen
muß, wird bei rund 600 Euro liegen. Zu Recht bezeichnet U. Montgomery
vom MARBURGER BUND diese Gesundheitsreform als PAKT GEGEN DIE SCHWACHEN.
Nach der Teilprivatisierung der Gesetzlichen Rentenversicherung durch
die Riester-Rente und der Demontage der Arbeitslosenversicherung hat die
rot-grüne Regierung der dritten Säule unseres Solidarsystems
den entscheidenden Schlag versetzt. Ausgerechnet eine sozialdemokratische
Partei ist es, die mit dem Vorschlag, das Krankengeld künftig nur
noch durch die Versicherten finanzieren zu lassen, die Arbeitgeber aus
der hälftigen - der sogenannten paritätischen - Finanzierung
der gesetzlichen Krankenversicherung entläßt. Die SPD bricht
mit langjährigen sozialdemokratischen Positionen und selbst sozialreformerischen
Grundsätzen wie der staatlichen bzw. öffentlich-rechtlichen
Verantwortlichkeit für das Gesundheitssystem, der vollen Absicherung
der Gesundheitsrisiken durch die Beitragszahlung ohne finanzielle Zuleistungen
der Patienten, der wechselseitigen Unterstützung von kranken und
gesunden Versicherten, von Alten und Jungen.
Diese "Reform" wird auch nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung
führen, da sie die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger
weiter schwächen wird: Wer Hunderte von Euro jährlich zusätzlich
für eigenfinanzierte Versicherung des Zahnersatzes und des Krankengeldes,
für Praxisgebühr, Krankenhausgebühren, Medikamente usw.
ausgeben muß, hat weniger Geld für Konsum in der Tasche. An
der wirklichen Ursache der Probleme der Krankenversicherung geht diese
Reform vorbei. Ursächlich für die Probleme im Gesundheitswesen
sind nicht die Ausgaben, sondern die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen.
Es gibt keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen, wie versucht wird,
der Bevölkerung weiszumachen. Der Anteil der Gesundheitsausgaben
am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland liegt seit Jahrzehnten ständig
gleichbleibend bei etwa 6 %: 1980 lag er bei 6,1 %, 2001 bei 6,5 %. Das
Gesundheitswesen ist nur in dem Maße gewachsen wie die gesamte Volkswirtschaft.
Massiv zurückgegangen sind jedoch aufgrund von Massenarbeitslosigkeit
und gesunkenen Löhnen die Einnahmen der Krankenkassen. Eine wirkliche
Reform müßte deshalb auf der Einnahmeseite ansetzen.
Eine Lösung stellt daher die Wertschöpfungsabgabe dar, bei der
Sozialversicherungbeiträge nicht pro Arbeitnehmer erhoben werden,
sondern nach der Wertschöpfung eines Unternehmens. Dies wäre
auch für arbeitskräfteintensive Betriebe wie das Handwerk gerechter
als das derzeitige System. Eine andere Möglichkeit wäre eine
Erwerbstätigenversicherung bei welcher auch Selbständige, Freiberufler,
Beamte, Politiker und Gutverdienende Beiträge in die gesetzliche
Krankenversicherung einbezahlen. Damit würden die Beitragssätze
nach dem Kölner Wissenschaftler Professor Lauterbach, der im Sachverständigenrat
für das Gesundheitswesen sitzt, sinken, das derzeitige Leistungspaket
der gesetzlichen Krankenkassen bliebe aber erhalten. Es würden keine
Leistungen wie Krankengeld oder Zahnersatz ausgeschlossen. Solche sozial
gerechten Lösungen wird weder die derzeitige Regierung, noch die
Opposition realisieren, wenn nicht massenhafter Widerstand von den Betroffenen,
die ja schließlich die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen,
geleistet wird. Nach dem berechtigten Aufschrei bei den Müllgebühren,
sollten alle Bürgerinnen und Bürger täglich mit mehr Protest
gegen diese Politik im Gesundheitswesen anheben. Der Widerstand muß
ständig zunehmen, bis diese "Reform" reformiert wird. Die
Großdemonstration vom Samstag, dem 1. November 2003, in Berlin mit
über 100 000 Teilnehmern kann nur der Anfang und nur eine Form des
Widerstandes sein. Jetzt ist es an der Zeit, daß Sie als Bürger
dieses Landes und als direkt Betroffener eigene Konsequenzen und Aktionen
entwickeln und sich offensiv beteiligen.
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