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Unter
"Definitionen" versteht man laut Fremdwörterbuch die "genaue
Bestimmung des Gegenstands eines Begriffs durch Auseinanderlegung und
Erklärung des Inhalts."
Ich bin zwar kein Akademiker, aber mir ist klar, daß eigentlich
jede Wissenschaftlichkeit mit der Verständigung über grundlegende
Begriffe beginnt, um gegenseitige Mißverständnisse zu vermeiden.
Wenn jemand z. B. jegliche Neuerung als "Fortschritt" betrachtet,
obwohl schon Johann Gottfried Herder längst klugerweise darauf hingewiesen
hat, daß man als Fortschritt nur bezeichnen kann, was zu mehr Humanität
führt, dann wird das Problem deutlich: Wer hat die Macht, wer nimmt
sich das Recht heraus, den Inhalt von Begriffen zu definieren? Schon an
diesem kleinen Beispiel ist ersichtlich, daß es sich um ein fundamentales
Problem der Wahrheitsfindung, wissenschaftlicher Kommunikation und von
hoher geistig-philosophischer, praktisch-politischer Bedeutung handelt
und welche katastrophalen Folgen die Verfälschung des Begriffs "Fortschritt"
im bürgerlich-kapitalistischen Sinne gesellschaftlich gehabt hat.
Ein anderes Beispiel: Was ist Humanität? Was ist Humanismus? Der
Aggressionskrieg gegen Jugoslawien wurde in den konservativen Medien als
"humanitärer Interventionskrieg" definiert. Doch scheinbar
habe ich einen anderen Begriff. Offensichtlich wird hier ein positiver
ethischer Grundwert für manipulatorische Zwecke mißbraucht,
denn "humanistische Kriege", ausgenommen vielleicht ein Verteidigungskrieg,
kann es nicht geben.
Kein Geringerer als Prof. Klemperer, ein Romanist, wies in einer Schrift
des Kulturbundes der DDR mit dem Titel "Kämpferischer Humanismus"
einleitend darauf hin, daß der Begriff "Humanismus" im
Lateinischen zwei sprachliche Wurzeln hat, nämlich sowohl "homo"
(der Mensch - worunter die alten Römer allerdings in definitionsherrlicher
Machtvollkommenheit nur Männer verstanden), aber auch "humus"
(die Erde, der Boden). Alles, was sowohl dem Glück und der Entwicklung
des menschlichen Individuums förderlich ist, aber auch sinnvolle
Nutzung und nachhaltige Pflege des Bodens durch den Menschen sind demnach
Inhalt des Begriffes Humanität, was vielen nicht bewußt ist,
weil für sie der Begriff Humanismus nur verallgemeinernd "Menschlichkeit"
bedeutet, worunter ich mir alles mögliche vorstellen kann.
Zudem bringt dieser Begriff Humanismus auch zum Ausdruck, daß der
Mensch nicht nur ein gesellschaftliches Wesen ist, sondern auch Teil der
Natur ist, wovon man die Notwendigkeit realistischer, erdverbundener Denkweise
ableiten muß. Indem ich also den Begriff Humanismus "auseinanderlege",
seine sprachlichen Wurzeln untersuche, kann ich davon konkret die Bedeutung
des Begriffs ableiten.
Als Aufklärer, der nach der Devise handelt "habe den Mut, dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen", nehme ich mir das Recht heraus,
z. B. diesen Begriff zu definieren, aber ich stelle meine Definition nicht
als unabänderliche Wahrheit hin, sondern stelle meine Definition
zur Diskussion, denn Definitionen bedürfen der grundlegenden Erörterung
und Präzisierung.
Wir dürfen die Definitionsmacht, nämlich das Recht, Begriffe
zu definieren, nicht Scharlatanen, Wortverdrehern und Lügnern überlassen.
Denn es ist natürlich von größter gesellschaftlicher Bedeutung,
daß dieser wichtige, aber auch häufig mißbrauchte und
diffamierte Begriff (Humanitätsduselei, humanistische "Schwärmerei")
wissenschaftlich und möglichst präzise definiert wird.
Manche behaupten, daß "Humanismus" weiter nichts als eine
Mythologie, ein Märchen, eine Phantasterei, ein verschwommener Begriff
für spinnerte Idealisten sei, mit dem man nichts Ernsthaftes anfangen
könne.
Begriffsverwirrung, mißbräuchliche Verwendung edler Begriffe
für hinterhältige Lügen, Manipulierung mit Hilfe von Worten
ist ja eine beliebte Art der Volksverdummung. Da ist von "Reformen"
die Rede, die gesellschaftlichen Rückschritt und soziale Abzockerei
verschleiern oder rechtfertigen sollen. Interessant ist, daß die
USA meines Wissens dem von der UNO definierten Begriff "Aggression"
nicht zugestimmt haben. Die wissen natürlich genau warum.
Die Nazis nannten sich "Nationalsozialisten". Sie gaben vor,
national und sozialistisch zu sein, obwohl sie nationalistisch -chauvinistisch
und Knechte von kapitalistischen Großbanken und imperialistischen
Konzernen und Militaristen waren. Noch heute werden sie in der Bundesrepublik
in den Geschichtsbüchern als "Nationalsozialisten" bezeichnet,
nicht als Faschisten, Willensvollstrecker des Großkapitals.
Auch der Begriff "Faschismus", von vielen verwendet, ist nicht
klar definiert. Entstanden ist der Begriff laut Agnoli in Süditalien.
Großgrundbesitzer, deren rechtlose Landarbeiter am Ende des 1. Weltkrieges
Landbesetzungen vorgenommen hatten, warben unter den heimkehrenden Kriegsgefangenen
Söldner an, bewaffneten sie und bildeten sie aus, um, nationalistisch
getarnt, diese Landbesitzer, ihre eigenen "Klassengenossen"
vertreiben und umbringen zu lassen. Heute noch lebt diese Tradition in
Süd- und Mittelamerika fort in Form der Todesschwadronen.
Die "Fascis" waren ein Geheimbund, finanziert und initiiert
durch Großgrundbesitzer, die natürlich schlau im Hintergrund
blieben. Ähnlich in Deutschland, wo das Großkapital Hitler
an die Macht brachte, die Demokratie zerstörte, die gefährlichsten
Gegner imperialistischer Revanchepolitik einsperren oder umbringen ließ,
aber sich selbst die Hände nicht schmutzig machte, um ungestört
die Wiederaufrüstung und die Vorbereitung des 2. Weltkrieges durchführen
zu können, natürlich unter ständigen Friedensbeteuerungen.
Dimitroff definierte Faschismus als die "offene terroristische Diktatur
der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen
Elemente des Finanzkapitals mit dem Ziel der Erhaltung der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse. Ferner stellt das Lexikon des VEB Bibliographischen
Instituts Leipzig von 1954 fest: Der Faschismus stützte sich ideologisch
auf die Rassentheorie und verfolgte die Politik der Vorbereitung und Durchführung
von Eroberungskriegen zur Unterjochung unabhängiger Völker und
Errichtung der Weltherrschaft der imperialistischen Bourgeoisie.
In der Bundesrepublik wird diese Definition regierungsamtlich als falsch
bezeichnet. Auf alle Fälle ist durch diese wenigen Beispiele schon
bewiesen, wie hoch brisant das Thema "Definitionsmacht" ist.
Wer die politische Macht hat, macht auch die Definitionen, und wir ersehen
daraus, daß Definitionen den jeweiligen Wissensstand, aber auch
den politischen Standpunkt des Definierers zum Ausdruck bringen.
Wenn ich für die basisdemokratischen Kräfte auch den Kampf um
Definitionsmacht fordere, dann geht es uns dabei um Wahrheitsfindung.
Darum, daß Begriffe nicht zur Manipulation und Irreführung
mißbraucht werden, sondern im Sinne der Aufklärung wissenschaftliche
Grundlage für Diskussionen und Verständigung werden.
Verfolgte nicht auch Diderot mit seiner Enzyklopädie, die natürlich
weit über Begriffsbestimmungen hinausging, dieselbe Absicht, indem
Begriffe nach fortschrittlichem, bürgerlichem Verständnis neu
definiert wurden - nämlich den Feudalen die Definitionsmacht zu entreißen?
Wenn ich dieses Problem zur Sprache bringe, dann nur, um Denkanstöße
zu geben. Meine wenigen Beispiele könnte man noch eine Menge anderer
hinzufügen: Staat, Demokratie, Gut und Böse, Politik, Linke,
Volk, usw.
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