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Entstehung
Der spätere Gründer und Leiter des Jungdeutschen Ordens, Artur
Mahraun, wurde am 30.12.1890 in Kassel als Sohn des späteren Geheimen
Regierungsrates Hans Mahraun aus Königsberg und seiner Frau Elisabeth,
geb. Wohlgemuth, aus Danzig, geboren. Der Vater, Hans Mahraun, hat die
Familiengeschichte bis in die Zeit des deutschen Ritterordens im 16. und
17. Jahrhundert zurückverfolgen können. Er hat die Ergebnisse
1926 in einem im Selbstverlag gedruckten Buch "Geschichte der Familie
Mahraun" niedergelegt. In von ihm eingesehenen Schriften des Deutschen
Ordens finden sich schon früh Hinweise auf Mitglieder der Familie
Mahraun. Dies dürfte die Erklärung dafür sein, weshalb
Artur Mahraun seine Organisation Jungdeutscher Orden nannte und manche
Gebräuche und Begriffe des Deutschen Ritterordens übernahm.
Mit 18 Jahren trat Artur Mahraun in die preußische
Armee ein und wurde aktiver Offizier. Als solcher nahm er am ersten Weltkrieg
teil und erhielt viele Auszeichnungen. Das Kriegsende erlebte er nach
einer Verwundung während eines Genesungsurlaubs in Kassel, wohin
sich die Oberste Heeresleitung nach dem Waffenstillstand zurückzog.
Hier sammelte Mahraun Freiwillige und gründete am 10.01.1919 die
Offiziers-Kompagnie Cassel (OKC), eine Zeitfreiwilligen-Organisation.
(Freikorps).
Anläßlich des 1. Stiftungsfestes der OKC am
10.01.1920 wurde der Jungdeutsche Orden gegründet, und am 22.02.1920
wurde Mahraun zu dessen Hochmeister gewählt, was im Rechtssinne einem
ersten Vorsitzenden entsprach. Mahraun wollte die Frontkameradschaft des
ersten Weltkrieges zur Überwindung der Standes- und Klassengegensätze
in das zivile Leben übertragen. Seine Gründung erwies sich auch
insofern als klug vorausschauend, als am 23.02.1920 die Auflösung
der Zeitfreiwilligenformatio-nen bis zum 31.03.1920 verfügt wurde.
Am 15.05.1920 wurde Mahraun als Hauptmann d. R. Aus dem Heeresdienst entlassen.
Der Jungdeutsche Orden beteiligte sich weder am Kapp-Putsch
im März 1920 noch am Hitler-Putsch im November 1923. Als sich die
Ballei (D.K.: eine Gliederungsbezeichnung des Jungdeutschen Ordens) Franken
dennoch beteiligte, schloß Mahraun sie aus dem Orden aus. Im Süden
und Südwesten Deutschlands wurde der Orden auch in Zukunft nie sehr
stark. Nördlich der Main-Linie wuchs er dagegen sehr schnell. In
den turbulenten Jahren nach dem ersten Weltkrieg mit ihrer Verelendung
vieler Menschen, der Inflation und anderen Folgen der harten Bedingungen
des Versailler Friedensdiktats verschärften sich auch die inneren
Gegensätze. Der Jungdeutsche Orden, der in diesen Jahren seinen eigenen
Weg suchte, geriet sowohl mit den so genannten Vaterländischen Verbänden,
mit Offiziersorganisationen und anderen Teilen der so genannten nationalen
Bewegung in scharfe Konflikte als auch mit der sich erst langsam festigenden
Republik, von deren Organen er mehrfach verboten wurde. Durch die Inflation
stand er vor einem finanziellen Zusammenbruch, der gerade noch abgewendet
werden konnte. Zuwendungen von Wirtschaftskreisen jedoch lehnte der Orden
sowohl in diesen als auch in allen späteren Jahren konsequent ab.
Die Anrede der Mitglieder war "Bruder" uns "Schwester".
Anstelle des förmlichen "Sie" trat das "Ihr".
Uniformen wurden damals von rechten wie von linken Organisationen getragen.
Im Orden wurde der feldgraue Soldatenrock durch die Windjacke ersetzt.
Rangabzeichen gab es nicht. Die Ortsgruppe nannte man "Bruderschaft",
die der Frauen "Schwesternschaft". Junge Mitglieder zwischen
10 und 15 Jahren wurden in Jungtrupps, solche zwischen 16 und 19 in Junggefolgschaften
zusammengefaßt. Mehrere Bruder- und Schwesternschaften bildeten
eine "Ballei", die Balleien eines Landes bzw. In Preußen
einer Provinz bildeten eine "Großballei". Die Führer
der vorstehend genannten Einheiten wurden gewählt, mußten aber
von dem jeweils übergeorneten Führer bestätigt werden.
Diesen Vorgang nannte man die "Kur". Die Führer der Bruderschaften
hießen Großmeister, die der Balleien "Komtur", die
der Großballeien "Großkomtur". Die Großkomture
bildeten das "Hochkapitel", dem der Hochmeister vorstand. Es
war das höchste Beschlußgremium des Ordens. Es ließen
sich noch eine Reihe von Gebräuchen aufzählen, die von anderen
Organisationen abwichen, jedoch sei in dieser Kurzfassung darauf verzichtet.
Die Aktivitäten in den zwanziger Jahren
Durch die Einrichtung von so genannten "Geusenküchen",
die kostenlos Essen an Verarmte ausgaben, leistete der Orden einen Beitrag
zur Linderung der unmittelbaren Not. Als eine Dauerlösung, die produktive
Arbeit an die Stelle unproduktiven Militärdienstes setzen sollte,
strebte der Orden eine allgemeine gleiche Arbeitsdienstpflicht an. Eine
Schrift Mahrauns hierzu erschien im März 1924. Der Orden strebte
ein Volksbegehren zur Einführung an, das jedoch scheiterte.
Ab 1. Juni 1924 erschien "Der Jungdeutsche"
als Tageszeitung. Bis dahin gab es unter verschiedenen Namen nur eine
Zeitschrift. Im Februar 1925 übersiedelte die Ordensleitung nach
Berlin.
Im Gegensatz zu den meisten Organisationen der "nationalen Bewegung"
orientierte sich der Orden außenpolitisch nach Westen und lehnte
die damals noch sehr verbreiteten Revanchegelüste gegen den so genannten
"Erbfeind" Frankreich ab. Mahraun schlug vielmehr ein konsequentes
Zusammengehen mit Frankreich auf allen Gebieten vor. Außenminister
Stresemann berief sich bei seiner Verstän-digungspolitik gern auf
diese Einstellung des Ordens, wenn ihm bei Konferenzen die Revanche-gedanken
nationaler Verbände vorgehalten wurden. Am 20.11.1926 erschien die
Schrift "Der nationale Friede am Rhein" von Artur Mahraun. Mahraun
und der Orden wurden beschimpft und die Politik des Ordens als "Franzosenpolitik"
verleumdet. Es gab Beleidigungsprozesse und Absplitterungen. Die Letzteren
endeten aber alle bald und meist gingen deren Mitglieder in den "Stahlhelm
/ Bund der Frontsoldaten". Erst dadurch wurde der "Stahlhelm"
der mitgliederstärkste Verband außerhalb der Parteien.
Der Orden vertrat seine Bündnis-Gedanken mit Frankreich
nicht nur in Deutschland, sondern auch in öffentlichen Versammlungen
in Frankreich. Der Außenpolitiker des Ordens, August Abel, hatte
in jungen Jahren der französischen Fremdenlegion angehört und
sprach französisch wie seine Muttersprache. Einer dieser Vorstöße
geschah auch in England. Am 13.06.1928 sprach August Abel auf einer Veranstaltung
des Frontkämpferverbandes "The British Legion" in London-Westham
über Sicherung des Friedens durch ein "deutsch-französisch-englisches
Bündnis". Vom 09. bis 11.09.1928 beteiligte sich der Orden als
einziger deutscher Frontkämpferverband an der internationalen Frontkämpferkonfe-renz
in Luxemburg, die einen Jungdeutschen, Generalleutnant a. D. Fritz Salzenberg,
zum Präsidenten wählte.
Für den Osten des Reiches schlug der Jungdeutsche
Orden um die gleiche Zeit die in den Folgejahren im In- und Ausland viel
diskutierte "litauische Lösung" vor. Danach sollte der
damalig "polnische Korridor" von Polen an Deutschland zurückgegeben
werden, Polen aber international garantierte Transitrechte erhalten mit
Freihafen in Danzig und weitgehenden Rechten in Gdingen.. Litauen sollte
sich durch die Erneuerung der "historischen Union" an Polen
anschließen. Dem Vereinigten Litauisch-polnischen Staat sollte der
Hafen von Memel zufallen. Schließlich sollte der neue Staat Transit-
und Hafenrechte erhalten.
Staatspolitische Ziele
Kernstück aller jungdeutschen Bestrebungen war zweifellos die Weiterentwicklung
der Republik von Weimar zu einem "wahren Volksstaat". Am 18.
Dezember 1927 wurde in Berlin in einer öffentlichen Kundgebung das
wichtigste Werk Artur Mahrauns in den zwanziger Jahren, "Das Jungdeutsche
Manifest", herausgegeben. Es trägt den Untertitel: "Volk
gegen Kaste und Geld - Sicherung des Friedens durch Neubau der Staaten".
Es enthält einen kompletten Staatsvorschlag, aufgebaut auf Nachbarschaften
von je ca. 500 beieinander wohnenden Wahlberechtigten, deren gewählte
Vertreter den Gemeinde- oder Stadtrat bilden sollten, der wiederum aus
seinen Reihen den Gemeindevorsteher oder Bürgermeister wählen
sollte, diese aus ihren Reihen den Landrat, diese aus ihren Reihen den
Regierungspräsidenten, die ihrerseits die Landtage bilden sollten
und deren Vorsteher den Reichstag, der dann den Reichspräsidenten
zu wählen hätte. Jeder Gewählte sollte von dem Nächsthöheren
bestätigt werden müssen. Das war das Prinzip der "Kur",
wie es vorstehend schon für den Orden selbst geschildert wurde. Wir
haben hier heute geläufige Begriffe eingesetzt, um den Staatsvorschlag
in dieser Kürze verständlich machen zu können. Es wurden
im "Jungdeutschen Manifest" noch viele weitere Gestaltungsvorschläge
gemacht - so zur Neugliederung des Reiches, die schon damals auf eine
Aufgliederung des das Reich beherrschenden Preußen hinausliefen.
Ferner wurden eine Wirtschafts-, eine Frauen- und eine Kulturkammer vorgeschlagen
u. a. m.
Gegner
Schärfster Gegner war in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre
der Hugenberg-Konzern. Hugenberg, späterer Vorsitzender der Deutschnationalen
Volkspartei und Wirtschaftsminister im ersten Kabinett Hitler, hatte es
verstanden, einen Medienkonzern aufzubauen, dessen verheerende Wirkungen
auf die öffentliche Meinung für heutiges Verständnis am
besten mit denen des Springer-Konzerns zu vergleichen sind, wenngleich
die Gegenstände der Beeinflussung unvergleichbar sind. Damals machte
die Hugenberg-Presse die Nationalsozialisten erst "hoffähig",
während deren eigene pöbelhaften Parteizeitungen kaum über
die Parteimitglieder hinauswirkten. Der vehemente Kampf des Jungdeut-schen
Ordens ging den so ungleich mächtigeren und vor allem finanzstarken
Konzernherren so an die Nerven, daß von der Deutschnationalen Schriftenvertriebsstelle
in Berlin eine Flugschrift "Gegen die Angriffe des Jungdo (Für
unsrer Diskussionsredner)" herausgegeben wurde (1928). Auch die Nationalsozialisten
sahen sich bereits 1927 genötigt, sich mit einer von ihrem Chef-Ideologen
Alfred Rosenberg verfaßten Schrift "Nationalsozialismus und
Jungdeutscher Orden - Eine Abrechnung mit Artur Mahraun" gegen den
Orden zu wehren.
Mitgliederstärke
Sie ist nicht zuverlässig zu ermitteln. Mahraun selbst nennt in seiner
1949 erschienenen Schrift "Deutschland ruft" die Zahl von 37.000
Mitgliedern als Höchstzahl. Dagegen weist das jungdeutsche Liederbuch,
von dem es unwahrscheinlich ist, daß es etwa von vielen Nichtmitgliedern
erworben worden wäre, schon 1925 das 181. - 210. Tausend aus, und
1928 erschien eine weitere, wesentlich erweiterte Auflage. Weihnachten
1931 erschien die - soweit bekannt - letzte (9.) Auflage dieses Liederbuches.
Der Flaggenstreit
Wir können uns heute kaum noch vorstellen, mit welcher Verbissenheit
in den 20er Jahren der Streit zwischen Schwarz-rot-gold und Schwarz-weiß-Rot
(den Farben des Deutschen Reiches von 1871 - 1918) geführt worden
ist. Dabei stand Schwarz-rot-gold für die Republik, Schwarz-weiß-rot
für Nationalismus, Monarchie, Konservatismus bzw. Reaktion. Mahraun
umschrieb das mit "Weimar" und "Potsdam" und suchte
eine Synthese. Sie gelang am 16.06.1929 in der Dortmunder Westfalenhalle,
die mit 20.000 Menschen voll besetzt war. Das Rednerpodium war mit je
einer schwarz-rot-goldenen und schwarz-weiß-roten Flagge geschmückt
und es sprachen u. a. ein Führer der republikanischen Organisation
"Reichsbanner Schwarz-rot-gold", der spätere Bundesminister
Ernst Lemmer, und Artur Mahraun für den Veranstalter, den Jungdeutschen
Orden. Das war damals ein sensationeller Durchbruch.
Der Kampf bis zum Ende der Republik
Obwohl der Jungdeutsche Orden bis dahin gegen die Parteien eingestellt
war und deren Herrschaft als "Parteiismus" bekämpfte, entschloß
er sich angesichts der wachsenden Gefahr des Nationalso-zialismus, selbst
in den Parteienkampf einzugreifen. Am 2. November 1929 erging ein Aufruf
zur Gründung der volksnationalen Reichsvereinigung, die in den ersten
Monaten einen guten Mitgliederzulauf hatte. Sie beteiligte sich an mehreren
Landtagswahlen und gelangte in die Landtage von Sachsen und von Braunschweig.
Als aber 1930 der Reichstag aufgelöst und Neuwahlen für der
14. September 1930 angesetzt wurden, verstärkte Mahraun seine schon
1929 begonnenen Bemühungen, eine starke Sammelpartei der Mitte zu
schaffen. In dieser Hinsicht hatte man große Hoffnungen auf den
Reichs-außenminister und Vorsitzenden der Deutschen Volkspartei,
Gustav Stresemann, gesetzt. Leider war dieser - erst 51-jährig -
am 03.10.1929 verstorben. Er wäre wahrscheinlich die Integrationsfigur
gewesen, die das Vorhaben zum erfolg geführt hätte. So aber
verschloß sich die Deutsche Volkspartei und verschlossen sich andere
Mittelparteien allen Vorschlägen Mahrauns. Nur die Deutsche Demokratische
Partei, Teile der Jugendbewegung und Einzelpersonen aus anderen Parteien
bildeten mit der Volksnationalen Reichsvereinigung die Deutsche Staatspartei,
die am 27.07.1930 gegründet wurde. Trotz eines sehr intensiven Wahlkampfes
war das Ergebnis enttäuschend: nur 20 Abgeordnete der Deutschen Staatspartei
darunter 6 Jungdeutsch-Volksnationale, zogen in den am 14.9.30 gewählten
Reichstag ein. Die Nationalsozialisten sprangen dagegen von 12 Abgeordneten
1928 auf 107 Abgeordnete 1930. Die zu schwachen und auch zu ungleichen
Kräfte der Deutschen Staatspartei gingen bald wieder auseinander.
Die 6 volksnationalen Abgeordneten verließen am 7.10.30 die Fraktion
und bildeten im Reichstag bis zu dessen Neuwahl am 31.7.32 eine eigene
Gruppe. Danach beteiligten sich die Jungdeutschen nicht mehr an Parlamentswahlen.
In der der Reichstagswahl vom 14.9.1930 hatte die Deutsche
Staatspartei 1.328.028 Stimmen erhalten. Nach dem Ausscheiden der Volksnationalen
aus der Deutschen Staatspartei kam diese in der darauffolgenden Reichstagswahl
am 31.7.1932 nur noch auf 373.338 Stimmen und in der am 6.11.1932 stattgefundenen
Reichstagswahl nur noch auf 339.613 Stimmen. Die NSDAP sank von 13,7 Millionen
Stimmen am 31.7.1932 auf 11,7 Millionen am 6.11.1932. Hätte man sie,
die nahezu pleite war, doch weiter auf diesem Verliererpfad laufen lassen!
Aber diese historische Chance wurde durch den Unverstand der Konservativen
in Politik und Wirtschaft verpaßt, die der NSDAP finanziell und
in der öffentlichen Meinung wieder auf die Beine halfen.
Als 1932 die Neuwahl des Reichspräsidenten anstand,
setzte sich der Jungdeutsche Orden energisch für Hindenburg ein.
Es verdient festgehalten zu werden, daß der ebenfalls für das
Reichspräsidenten-amt kandidierende Adolf Hitler in dieser direkten
Volkswahl nicht zum Reichspräsidenten gewählt wurde, was bei
heutigen Diskussionen um Volksabstimmungen gern vergessen wird. Gewählt
wurde vielmehr im zweiten Wahlgang am 10.4.32 der seit 1925 amtierende
Hindenburg, von dem zu diesem Zeitpunkt niemand erwarten konnte, daß
er den von ihm abschätzig so titulierten "böhmischen Gefreiten"
Adolf Hitler am 30.1.33 zum Reichskanzler berufen würde.
Der Jungdeutsche Orden konzentrierte sich außerparlamentarisch auf
scharfen Kampf gegen den Nationalsozialismus. Vor allem aber griff er
seinen schon 1923/24 vorgelegten Arbeitsdienstplan wieder auf und setzte
sich für einen freiwilligen Arbeitsdienst ein. Am 3.8.31 erließ
die Reichsregierung eine erste Verordnung zur Einführung des freiwilligen
Arbeitsdienstes. Bereits am 25.8.31 begann das erste jungdeutsche "Freikorps
der Arbeit" bei Bautzen in Sachsen seinen Einsatz. Viele andere Verbände
folgten dem Beispiel. Im Herbst 1932 gab es 285.000 Arbeitsfreiwillige.
Artur Mahraun verkündete 1932 seinen "Großen Plan"
wonach aus dem Arbeitsdienst eine Millionen neuer Bauernstellen auf Pleite-Großgütern
im Osten des Reiches entstehen sollten, was die wachsende Arbeitslosigkeit
entscheidend vermindert hätte. Bis Ende 1932 hatten 400.000 Arbeitsfreiwillige
die Lager durchlaufen. Allein der Jungdeutsche Orden hatte über 300
solcher Lager errichtet. Die Nationalsozialisten aber warteten ihre "Machtübernahme"
1933 ab und kassierten dann die geleistete Vorarbeit der anderen für
ihren militarisierten Reichsarbeitsdienst.
Der Jungdeutsche Orden im Widerstand
1933 wurde der Jungdeutsche Orden in allen Ländern außer Preußen
verboten. Dem Verbot in Preußen kam er durch selbstbeschlossene
Liquidation am 3.7.33 zuvor. Er ließ sich nicht "gleichschalten"
oder in eine nationalsozialistische Organisation eingliedern. Er ging
in den Untergrund und in den Widerstand. Artur Mahraun wurde am 11.7.33
verhaftet, schwer mißhandelt, schließlich aber auf Grund vieler
Bemühungen seiner Freunde am 8.9.33 entlassen. (D.K. Über den
Widerstand des Jungdeutschen Ordens im Dritten Reich berichtet - ausführlich
dokumentiert - das im Lohmüller-Verlag erschienene Buch von Robert
Werner: "Der Jungdeutsche Orden im Widerstand 1933 - 1945" Ich
biete es in der Bestelliste an.)
Mahraun und die Jungdeutschen nach dem 8. Mai
1945
Eine Wiederbelebung des Jungdeutschen Ordens lehnte Mahraun als nicht
mehr zeitgemäß ab. In seiner Schrift "Deutschland ruft"
(1949) hat er das näher begründet. Er forderte seine Anhänger
auf, politische Nachbarschaften ins Leben zu rufen. Das geschah zwar an
ca. 500 bis 600 Orten. Aber die ersten Nachbarschaften in Leck/Holstein
wurden von der britischen Militärregierung verboten, und die sich
restaurierende Parteienherrschaft ließ sich durch eine Art "Erfüllungspolitik"
in dem folgenden Jahrzehnt erlahmen, indem man Wünsche der Bürgerschaft
immer dort besonders vordringlich erfüllte, wo sich politische Nachbarschaften
gebildet hatten. Es mag hinzukommen, daß die meisten Jungdeutschen
zu unvorbereitet in diese Aufgabe hineingingen und ihr dadurch nicht voll
gewachsen waren.
Artur Mahraun schrieb noch eine staatspolitische Schrift:
"Der Protest des Individuums" (1949). Diese Schrift ist eine
Fortentwicklung seiner 1927er Vorschläge im "Jungdeutschen Manifest"
nach den Erfahrungen und Erkenntnissen der seitdem vergangenen zwei Jahrzehnte.
Nunmehr erkannte er an, daß die von den Parteien gebildeten Parlamente
die normale Legislative behalten sollten. In Stufenwahlen von den politischen
Nachbarschaften bis zur Staatsspitze aber sollte neben jedem Parteienparlament
eine zweite Kammer gebildet werden, die Selbstherrlichkeit und Machtmißbrauch
der Parteien zu verhindern hätte. Das 1957 von Ernst Maste erschienene
Buch "Die Republik der Nachbarn/ Die Nachbarschaft und der Staatsgedanke
Artur Mahrauns" und die 1986 erschienene Schrift von Dr. Dr. Helmut
Kalkbrenner "Die Staatslehre Artur Mahrauns" (siehe Bestelliste)
führen das näher aus.
Artur Mahraun starb am 27. März 1950 an den Spätfolgen
der Mißhandlungen, der Entbehrungen und des ständig auf ihm
lastenden Drucks in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Junge politische Kräfte erkennen zunehmend die Notwendigkeit, die
repräsentative durch eine direkte Demokratie zu vervollkommnen. Die
Reformideen Artur Mahrauns werden helfen, die richtigen Wege dafür
zu finden. |
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