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Die
IHKs (Industrie-und Handelskammern) sind "Anstalten des öffentlichen
Rechts" und, darauf legen sie selber sehr großen Wert, eine
"demokratische Selbstorganisation (bzw.-verwaltung) der Deutschen
Wirtschaft". Jede IHK hat ihren Amtsbezirk. In Deutschland gibt es
82 IHKs.
In diesem Jahr fanden wieder Wahlen zur IHK-Vollversammlung Berlin statt.
Dazu gab es sogar einen "Wahlkampf" innerhalb der einzelnen
Wahlgruppen. Jörg Schaeffer, Vorstandsmitglied einer kleinen mittelständischen
Aktiengesellschaft, hatte sich diesmal um einen Sitz beworben und ist
sogar gewählt worden. Es standen 14 Kandidaten zur Wahl. Jörg
Schaeffer hat den 1. Platz in seiner Wahlgruppe errungen. Dort stand auch
das Siemens-Vorstandsmitglied Jürgen Radomski zur Wahl. Herr Radomski
fiel durch. Er bekam lediglich 41 von 848 Stimmen. Das ist der 12. Platz.
Die Wahlgruppe hat sechs Vertreter in der Vollversammlung gewählt.
Die IHK-Vollversammlung Berlin wählt das Präsidium. Was Jörg
Schaeffer sofort auffiel, daß war die als selbstverständlich
erwartete Einmütigkeit bei der Wahl. Gegenvorschläge für
das Präsidium sind nicht vorgesehen. Das alte Präsidium schlägt
das neue Präsidium vor. Die Demokratie besteht darin, daß die
Vollversammlung diese Praxis bestätigt. Ähnlichkeiten mit der
vergangenen DDR sollen rein zufällig sein.
Die Satzung der IHK sieht vor, daß bis zu 12 Mitglieder in die Vollversammlung
kooptiert werden können. Das könnte unter Umständen gut
sein, wenn es notwendig sein sollte, Fachleute für bestimmte, wichtige
Wirtschaftsgebiete in Entscheidungsprozesse einzubinden.
Jörg Schaeffer wies mich darauf hin, daß es eine ganze Anzahl
von Ausschüssen gibt, in die auch Nicht-Vollversammlungsmitglieder
berufen werden. Der fachliche Sachverstand kann also auch auf diese Art
eingebunden werden.
Was ein demokratisches Stück aus dem Tollhaus ist, daß ist
die Absicht, das durchgefallene Siemens-Vorstandsmitglied nach der Kooption
in die Vollversammlung in das Präsidium zu wählen welches ihn
dann zum Vizepräsidenten der IHK wählen will. Ein Schlag ins
Gesicht derjenigen Mehrheit, die Herrn Radomski nicht gewählt haben.
Es scheint nicht so zu sein, daß Herrn Radomski diese Geschichte
peinlich ist - was soll's auch: Demokratie ist das, was die Herren (meistens
sind es Männer) beschließen.
Über Jürgen Radomski habe ich nichts weiter gefunden, weder
im Internet noch anderswo. Der Manager wohnt mit Familie in Erlangen.
Frau Radomski ist offensichtlich in die Erlanger Kulturszene eingebunden.
In der Berliner Morgenpost vom 13. August 2004 schreibt Robert Schwaldt
unter der Überschrift Siemens stärkt Standort Berlin und unter
der Unterüberschrift Vertriebszentrale für Deutschland zieht
in die Hauptstadt - Vorstand Radomski wird IHK-Präsident u.a. folgendes:
> Der Siemens-Konzern bündelt seinen Deutschland-Vertrieb in Berlin.
Die neue Vertriebsorganisation soll mit Beginn des kommenden Geschäftsjahres
am 1. Oktober 2004 starten. Etwa 120 Mitarbeiter müssten von anderen
Standorten nach Berlin umziehen, heißt es in Unternehmenskreisen.
Wer die Deutschland-Organisation in der Hauptstadt führen soll, steht
noch nicht fest. In Berliner Wirtschaftskreisen wird davon ausgegangen,
dass in Zukunft auch wieder ein Mitglied des Zentralvorstands von Siemens
in der Hauptstadt residiert, wofür es aber keine Bestätigung
gab. < Der letzte Absatz des Artikels gehört der Sache nach natürlich
nicht zu dem Anspruch von Jürgen Radomski, Vizepräsident der
IHK zu Berlin zu werden, ist aber sehr interessant. Er lautet: > Das
Hausgerätewerk von Bosch-Siemens in Nauen (Havelland) baut unterdessen
Personal ab. Wie viele Mitarbeiter betroffen sind, ist nach Angaben von
Geschäftsführer Herbert Exler noch offen. Im Schnitt würden
in Nauen vor allem mit der Produktion von Wäschetrocknern und Waschmaschinen
pro Jahr 630 Mitarbeiter beschäftigt. Bis zu 150 könnten gekündigt
werden, weil die Fertigung von Wäschetrocknern 2005 auslaufe. Produziert
werde künftig in Polen. Der Standort Nauen bleibt aber erhalten.
< Ersparen Sie mir bitte jeden Kommentar.
Herr Schaeffer berichtet mir, daß er als Mitglied der Vollversammlung
Änderungsanträge und Anträge zur Geschäftsordnung
vor Beginn der Versammlung einreichen muß. Während der Versammlung
hat er zwar begrenztes Rederecht, kann aber an den Abstimmungen nichts
mehr ändern. Wenn er z.B. Hern Radomski fragen will, wie viel Steuern
der Siemens-Konzern in Berlin zahlt und welche Nachhaltigkeit Investitionen
des Konzerns Siemens in Berlin haben, so muß er diese Fragen vorher
schriftlich einreichen. Das klingt sehr nach totalitären Systemen,
und nicht nach ergebnisoffenen Diskussionen.
Möglicherweise zahlt die Schaeffer AG mehr Steuern als die Siemens
AG mit allen ihren Geschäftsteilen in Berlin. Die Nachhaltigkeit
von Investitionen der Schaeffer AG ist mit Sicherheit größer,
weil die Investitionszulagen geringer sind. Die Schaeffer AG muß
ihr Risiko selbst tragen, die Firma Siemens und ihre angestellten Manager
schreien, wenn es hart kommt, nach dem Staat (Steuerzahler). Der Vorstand
der Schaeffer AG sind echte Unternehmer, Herr Radomski ist ein jederzeit
auswechselbarer angestellter Manager.
Jörg Schaeffer und ich gehören zu den IHK-Kritikern. Wir halten
die IHK als Zwangsanstalt der Wirtschaft für völlig überflüssig.
Viele hoheitlichen Aufgaben können von den vorhandenen staatlichen
Behörden übernommen werden. Die Beratungsfunktion, ohnehin mehr
schlecht als recht von der IHK erledigt, kann privatisiert werden. Die
Lehrlingsausbildung kann von den Fachverbänden übernommen werden.
Der IHK-Beitrag - quasi eine "Steuer" - empfinden viele Firmen
mit Recht als willkürlich und zu hoch. Die Festigung der IHKs als
"Anstalten Öffentlichen Rechts" habe sie den 3. Reich zu
verdanken.
In einer schon sehr weit zurückliegenden Auseinandersetzung um eine
Eintragung beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg warf ich dem zuständigen
Sachbearbeiter bei der IHK vor, nicht meine Interessen, also die des zahlenden
Mitgliedes der IHK, zu vertreten. "Ja" - gab er ohne den Anflug
von Peinlichkeit zu - "ja, wir sind der verlängerte Arm des
Amtsgerichtes".
Also nix von Wirtschaftsdemokratie. Wer im Präsidium der IHK sitzt,
hat das Ohr von Bürgermeistern, Senatoren und in Berlin vielleicht
noch das der Bundesregierung und gehört natürlich zum Berliner
Klüngel. Natürlich werden nicht immer Millionen Euros von Steuergeldern
verschoben, es wird auch mal was sinnvolles erkungelt. Das wird dann als
große wirtschaftspolitische Errungenschaft verkauft. Wie der Siemens-Umzug.
Nichts als Nebelkerzen-Werferei!
Nachtrag: Der Siemens-Manager Jürgen Radomski ist
auf der IHK-Vollversammlung am 16. September zusammen mit anderen zur
Kooption vorgeschlagenen Kandidaten in die Vollversammlung gewählt
worden. Bei der Wahl zum stellvertretenden Kammerpräsidenten hatte
Radomski eine Gegenstimme, und zwar die von Jörg Schaeffer. Das von
Jörg Schaeffer vorgeschlagene Diskussionsforum im Internet, auf dem
die Mitglieder der Vollversammlung sich über die anstehenden Themen
gedanklich austauschen können, wurde mit dem Hinweis abgelehnt, daß
ein solches Diskussionsforum kontrolliert werden muß. Der Zeitaufwand
wäre zu groß. Jörg Schaeffer hat beschlossen, von sich
aus ein solches Forum einzurichten und es seinen Kolleginnen und Kollegen
in der Vollversammlung anzubieten.
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