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Am
2. Dezember 2004, einen Monat vor Hartz IV, fand im Rahmen eines "ZEIT-
Forums der Wirtschaft" eine Diskussion zum Thema "Globalisierung
der Wirtschaft - Wohin wandert die Arbeit?" statt. Ort der Veranstaltung
war das Quartier 110 in der Friedrichstrasse. Nun muß man sagen,
das Quartier 110 ist wirklich eine sehr schöne und exquisite Location:
zunächst seit 1937 ehemals repräsentativer Geschäftssitz
der Allianz-Versicherung, später erste Adresse des DDR-Außenhandels,
nach Restaurierung und innerer Umgestaltung nunmehr eine der ersten Geschäftsadressen
der Hauptstadt. So kommt auch nicht jeder dort hinein, und deshalb bildete
der Ort einen passenden Rahmen für die Thematik der Diskussion und
das Panel. Nach Begrüßungen durch Eduard Thometzek, Vorstandsvorsitzender
der Zürich Gruppe Deutschland, und Herrn Dr. Esser, dem Geschäftsführer
des Zeitverlags, saßen unter der Leitung von Dr. Uwe-Jean Heuser,
Ressortleiter Wirtschaft, DIE ZEIT, folgende Herren zusammen: Fritz Kuhn,
MdB Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Dr. Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender
Siemens AG, Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburger
Weltwirtschaftsarchivs, Prof. Dr. Norbert Walter, Chef-volkswirt der Deutschen
Bank. Ach ja... und Hartmut Meine, Bezirksleiter IG Metall Niedersachsen
und Sachsen-Anhalt. Wer das ist? Nun, jedenfalls niemand so bedeutendes,
als daß die anderen näher sich mit ihm hätten beschäftigen
müssen. Kurzum, es ging eigentlich nicht um die Arbeit, schon gar
nicht um die Arbeitenden oder gar Arbeitslosen (jetzige und zukünftige),
aber es fiel dann schon auf, daß hier vor reiner Heimspielkulisse
auch im Publikum die einzelnen Schicksale der von den Entwicklungen zuvörderst
Betroffenen ÜBERHAUPT nicht (mehr) die Rede war. Diesbezügliche
Fragen des Gewerkschaftsvertreters wurden einfach nicht beantwortet oder
in Antworten mit Nebensätzen dritten Grades abgeschoben. Es war eher,
als beobachte man Generäle bei militärischen Modellgeländeübungen:
da wurden Kontingente hin- und hergeschoben, vermehrte Effizienz wurde
verlangt, Bevölkerungsgruppen wurden klassifiziert, Konsumentenverhalten
wurde analysiert und beurteilt, Reformanstrengungen wurden verlangt -
bis hin zu 70-/80-Stundenwochen, wenn die ostasiatische, osteuropäische
usw. Konkurrenzsituation dieses denn notwendig mache. Selten wurde so
deutlich ausgesprochen, was viele wissen. Und das Publikum applaudierte
immer heftiger, die Damen im Nerz und die smarten Jungbanker. Für
mich denn doch noch eine Überraschung am Abend, vielleicht weil es
ja vor Weihnachten ist (Sie wissen schon: junges Ehepaar, ein Kind usw.)
- das Schlusswort. Während die einen unisono Reformen verlangten,
Freude an Reformen noch dazu ersehnten, Kraft zum Loslassen am alten etc.
etc., einer an die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dachte (na, raten'se
mal), überraschte Dr. Walter mit seinem Wunsch: Der Repräsentant
der Deutschen Bank wünschte sich viele junge Ehepaare, die gemeinsam
Kinder aufzögen und die zueinander stünden. Wie herzig, wie
vor- weihnachtlich! Honni soit qui mal y pense (Geschmäht sei, der
Schlechtes davon denkt).
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