Mathias Rust - Januar 2005    
Scharf hingeschaut –
diesmal in der Vor- Weihnachtszeit
 
     
 

Am 2. Dezember 2004, einen Monat vor Hartz IV, fand im Rahmen eines "ZEIT- Forums der Wirtschaft" eine Diskussion zum Thema "Globalisierung der Wirtschaft - Wohin wandert die Arbeit?" statt. Ort der Veranstaltung war das Quartier 110 in der Friedrichstrasse. Nun muß man sagen, das Quartier 110 ist wirklich eine sehr schöne und exquisite Location: zunächst seit 1937 ehemals repräsentativer Geschäftssitz der Allianz-Versicherung, später erste Adresse des DDR-Außenhandels, nach Restaurierung und innerer Umgestaltung nunmehr eine der ersten Geschäftsadressen der Hauptstadt. So kommt auch nicht jeder dort hinein, und deshalb bildete der Ort einen passenden Rahmen für die Thematik der Diskussion und das Panel. Nach Begrüßungen durch Eduard Thometzek, Vorstandsvorsitzender der Zürich Gruppe Deutschland, und Herrn Dr. Esser, dem Geschäftsführer des Zeitverlags, saßen unter der Leitung von Dr. Uwe-Jean Heuser, Ressortleiter Wirtschaft, DIE ZEIT, folgende Herren zusammen: Fritz Kuhn, MdB Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Dr. Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender Siemens AG, Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, Prof. Dr. Norbert Walter, Chef-volkswirt der Deutschen Bank. Ach ja... und Hartmut Meine, Bezirksleiter IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Wer das ist? Nun, jedenfalls niemand so bedeutendes, als daß die anderen näher sich mit ihm hätten beschäftigen müssen. Kurzum, es ging eigentlich nicht um die Arbeit, schon gar nicht um die Arbeitenden oder gar Arbeitslosen (jetzige und zukünftige), aber es fiel dann schon auf, daß hier vor reiner Heimspielkulisse auch im Publikum die einzelnen Schicksale der von den Entwicklungen zuvörderst Betroffenen ÜBERHAUPT nicht (mehr) die Rede war. Diesbezügliche Fragen des Gewerkschaftsvertreters wurden einfach nicht beantwortet oder in Antworten mit Nebensätzen dritten Grades abgeschoben. Es war eher, als beobachte man Generäle bei militärischen Modellgeländeübungen: da wurden Kontingente hin- und hergeschoben, vermehrte Effizienz wurde verlangt, Bevölkerungsgruppen wurden klassifiziert, Konsumentenverhalten wurde analysiert und beurteilt, Reformanstrengungen wurden verlangt - bis hin zu 70-/80-Stundenwochen, wenn die ostasiatische, osteuropäische usw. Konkurrenzsituation dieses denn notwendig mache. Selten wurde so deutlich ausgesprochen, was viele wissen. Und das Publikum applaudierte immer heftiger, die Damen im Nerz und die smarten Jungbanker. Für mich denn doch noch eine Überraschung am Abend, vielleicht weil es ja vor Weihnachten ist (Sie wissen schon: junges Ehepaar, ein Kind usw.) - das Schlusswort. Während die einen unisono Reformen verlangten, Freude an Reformen noch dazu ersehnten, Kraft zum Loslassen am alten etc. etc., einer an die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dachte (na, raten'se mal), überraschte Dr. Walter mit seinem Wunsch: Der Repräsentant der Deutschen Bank wünschte sich viele junge Ehepaare, die gemeinsam Kinder aufzögen und die zueinander stünden. Wie herzig, wie vor- weihnachtlich! Honni soit qui mal y pense (Geschmäht sei, der Schlechtes davon denkt).

 
     
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