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Im
ARGENTINISCHEN TAGEBLATT vom 20. November 2004 fand ich den nachstehenden
Leserbrief zusammen mit der berühmten Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert.
Colin Powell mit Fürst Otto von Bismarck gleichzusetzen,
ist fast "Gotteslästerung". Wenn ich Powells Amtszeit Revue
passieren lasse und dabei nur die Kriege in Afghanistan, im Irak und im
Sudan betrachte, sehe ich nur traurige diplomatische bzw. politische Ergebnisse.
Jeden Tag werden Menschen für us-amerikanische Interessen abgeschlachtet.
Das unter "Blinden der Einäugige König" ist, das ist
nicht nur ein Sprichwort, sondern eine Menschheitserfahrung. Colin Powell
ist ein "einäugiges" Militär und einer der Wenigen
von der Sorte Mensch, die wenigstens eine blasse Ahnung davon zu haben
scheinen, daß Krieg eben nicht die Fortsetzung von Politik mit anderen
Mitteln ist. Trotz dieser Erkenntnis hat Colin Powell seinen Mund nicht
aufgemacht; noch nicht einmal ein Flüstern war spürbar - nur
ein blasser Hauch von Kritik. Außerdem hat er bei den Irak-Anhörungen
vor den UN-Sicherheitsrat faustdick gelogen.
Bismarck, Ministerpräsident von Preußen und
erster Kanzler des Deutschen Reiches ab 1871, war aus einem ganz anderen
Holz, sprich "Eisen", geschnitzt. Er versprach dem Deutschen
Volk "Blut und Eisen", schuf die Sozialgesetze, die wir jetzt
über Bord werfen (und für die er in einem konservativen Reichstag
sehr kämpfen mußte), und knüpfte, nachdem er ebenfalls
blutige, aber kurze, Kriege geführt hatte, ein Netz des Friedens.
Dieses Netz hielt 1890 immerhin neunzehn Jahre und nach seinen Abgang
noch immerhin vierundzwanzig Jahre.
„Der Lotse verläßt das Schiff“, Karikatur
von John Teniel aus dem >Punch<, März 1890
Colin Powell hat vergleichbares nicht erreicht. Er war angesichts der
Mehrheitsverhältnisse im Kongress und der Stärke des Präsidenten
und dessen Camarilla friedensunfähig. Möglicherweise ist Powell
selber zu sehr "ein Kind" der schrecklichen us-amerikanischen
Gesellschaft, als daß er sich Frieden mit anderen Völkern vorstellen
kann. Dennoch hat der Leserbriefschreiber recht. Durch Condolezza Rice
ist Frieden noch mehr in weite Ferne gerückt. Sie scheint dem Präsidenten
Bush sehr ergeben zu sein und hat ein aggressives Mundwerk. Dem Vernehmen
nach wird sie in einigen Kreisen der us-amerikanischen Hauptstadt Washington
"die Hexe" genannt.
Es folgt der Leserbrief von Enrique Heymann, Buenos Aires:
Die Entlassung oder besser gesagt, der Rausschmiß des amerikanischen
Außenministers Colin Powell ist der Verlust des letzten Hemmschuhs
für den siegestrunkenen Präsidenten Bush. Powell, Militär
und Staatsmann, hat mehrmals bewiesen, daß er absolut kein Säbelrassler
ist und eher nachdenkt als sich in Abenteuer zu stürzen.
Seine Nachfolgerin ist jung, energisch und liebt Präventivkriege,
also die richtige Dosis Aggressivität, welche Bush benötigt.
Er hat nun die ideale Regierung und kann entschlossenen Schrittes marschieren,
wohin, oh Gott?
Bismarck wurde 1890 entlassen. Er und Wilhelm II. waren
Feuer und Wasser. Der Kaiser war 29 Jahre alt, als er sein hohes Amt übernahm
und es mit dem wahren Regenten Bismarck (D.K. Bismarck war 1890 75 Jahre
alt) zu tun bekam, welcher es nicht gewöhnt war, Befehle zu empfangen,
geschweige, sie zu beachten und auszuführen. Ganz im Gegenteil. Er
befahl und regierte. So sah ihn auch die Welt. Er war der Lotse des Deutschen
Schiffes, des Deutschen Reiches. |
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