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Dieser
Satz stammt aus einem Beitrag von Hilary Wainwright, der im Rahmen der
Berichterstattung über das Weltsozialforum in Porto Alegre, Januar/Februar
2005, in der Wochenzeitschrift FREITAG erschienen ist. Der Artikel trägt
die Überschrift > Das Weltgewissen als Supermacht < und ist
ein positives Resümee einer Weltbewegung gegen Globalisierung und
politischer Bevormundung. Ich möchte aus diesem Beitrag drei Absätze
zitieren, weil in ihnen der Kampf um Demokratie sehr gut fokussiert ist.:>
In den vergangenen 30 Jahren hat eine Revolution im Denken gegen mechanische
Modelle der Aktion und des Wissens stattgefunden. In solchen Modellen
erschien die Gesellschaft als riesige Maschine, die vom Zentrum - dem
Staat - aus gelenkt wird, und das Wissen, das der Politik zugrunde lag,
war das Wissen um lineare Gesetze von Ursache und Wirkung. Das neue Denken
über Wissen und Gesellschaft versteht die kreative, unvorhersehbare
Rolle des menschlichen Agierens und die nicht-linearen, nicht-instrumentalen,
sogar die nicht-rationalen Dimensionen. Die Politik im Allgemeinen wie
auch des konventionellen linken Denkens im Besonderen - hat nur langsam
zu dieser veränderten Methodologie gefunden. - Während kapitalistische
Managementtheoretiker die Kreativität des Chaos zu schätzen
wissen und Netzwerke nutzen, um praktisches Know-how zu übertragen
und über das "Gold" in den Köpfen der Arbeiter sprechen,
haben traditionelle linke Parteien lange so getan, als könnte Wissen
zentralisiert und die Mitgliedschaft mit Instruktionen "angeleitet"
werden. Die Basis wurde nicht als kreativ empfunden, sondern als "Unterstützer",
als Wahlfutter oder - in einer weiteren militärischen Analogie -
als in "Reih und Glied". Deshalb haben linke Regierungen eine
riesige Quelle kreativer Macht nicht genutzt. Einsam an der Spitze stehend,
sind sie zu schwach, um mit der extrapolitischen Macht und dem Insiderwissen
von Oligarchie und Besitzbürgertum fertig zu werden. - Markenzeichen
sowohl der neuen Bewegungen als auch der älteren, die von unten gewachsen
sind, ist dagegen ein grundsätzliches Vertrauen in die Wichtigkeit
praktischen, eingeborenen, persönlichen Wissens. Tatsächlich
sind die horizontalen Netzwerke, in denen sich diese Bewegungen organisieren,
die beste Art, dieses Wissen zu teilen. Diese egalitäre, dezentrale
Kooperation führt zu einem größeren gemeinsamen Verständnis
als jede Zusammenfassung verstreuten Wissens von oben herab. Menschen,
die es ablehnen, einem System zu gehorchen, dessen Fortbestehen auf ihrer
Komplizenschaft beruht, geben den neuen Bewegungen auch Vertrauen in die
Macht organisierter individueller Rebellion. Das bedeutet, daß Menschen
in sich selbst eine Macht zur Veränderung haben. Gewiss brauchen
sie oft unterstützende, größere Netzwerke, um dieses Potenzial
zu verwirklichen. Aber wer gelernt hat, daß man auch von ganz unten
den Lauf der Welt beeinflussen kann, wird nicht mehr nach Politikern schreien,
die für die Menschen handeln, oder nach einer Avantgardepartei, die
den Weg zur Revolution ebnet.<
In diesem Beitrag habe ich mir auch noch einen Satz angestrichen: >
Dahinter steht das Prinzip einer tieferen, partizipativen Demokratie.
<
Nichts anderes steckt hinter meinem Vorschlag, Nachbarschaften von ca.
500 Wahlberechtigten zu bilden. Ich werde in diesem Beitrag nicht alles
wiederholen, was ich zum Thema Demokratie schon geschrieben habe. Sie
finden übrigens in der Bücher-Bestelliste unter den Stichwort
Artur Mahraun einige Drucksachen zu den Themen Demokratie und Nachbarschaften.
Im RBB Inforadio hörte ich dieser Tage, daß einige Berliner
Verwaltungsbezirke planen, ihr Gebiet in vier bis fünf "Kreise"
aufzuteilen und in diesen "Kreisen" "Kommissionen"
zu bilden, die über die Verwendung der "freien Gelder"
(also das Geld, was den Bezirken zur freien Verwendung zur Verfügung
steht) (mit)entscheiden sollen. Noch sollen die Mitglieder der "Kommissionen"
ernannt werden. Kämpfen wir dafür, daß die Berliner Bezirke
in Nachbarschaften der dort wohnenden Bürger aufgeteilt werden und
ihnen ein aktives, fruchtbares Mitbestimmungsrecht gegeben wird.
Sonst müssen wir leider zugeben, daß die Chancen für
eine partizipative Demokratie in Deutschland sehr gering sind.
So stellt Michael Jäger im FREITAG vom 10. September 2004 mit Blick
auf die geforderte Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei
zur EU fest, daß das Desinteresse der Bundesbürger am Thema
Plebiszit schon an dramatischeren Fragen als der der EU-Verfassung vorhanden
war.. und führt weiter aus ... Sogar die Einführung des ungeliebten
Euro haben sie hingenommen, ohne daß eine plebiszitäre Volksbewegung
entstanden wäre ....
Aber Michael Jäger beachtet nicht, daß der Weg zu einer demokratischen
Revolution weit und sehr steinig ist. Ich brauche nur auf die Dokumentation
des Beitrages in dieser Ausgabe von Thomas Ahbe Das Gelächter von
Magdeburg auf Seite 3 hinweisen.
Hinzu kommt noch, daß sich die Medien-Vertreter, insbesondere im
Fernsehen, als Oberlehrer der Nation benehmen. Gerade auch anläßlich
des miserablen NPD-Verhaltens im Sächsischen Landtag halte ich es
für notwendig, daß auch die NPD-Vertreter gewählte Volksvertreter
sind, die anläßlich der Wahlberichterstattung von einer Meinungsäußerung
nicht ausgeschlossen werden können. Desavouieren tun sich die NPD-Verteter
schon selber. Wir brauchen da keine altbundesdeutschen politischen "Kindergärterinnen
und Kindergärtner", die uns in altdeutscher Erziehungsmanie
das richtige politische Bewußtsein beibringen wollen.
In dem Zusammenhang muß ich Sie noch auf einen Artikel ebenfalls
in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 19. November 2004 hinweisen. Dieser
Beitrag von Christoph Werth trägt die Überschrift Wer nicht
spurt, wird ausgeladen und die Unterüberschrift Elchtest für
die A-Klasse: Journalismus auf dem Schoß von Politik und Wirtschaft.
Eigentlich genügt hier schon Überschrift und Unterüberschrift.
Ich will jedoch noch einen Satz aus dem Beitrag bringen: > Was Wirklichkeit
ist, bestimmen wir, und wer wir sind, bestimmen wir auch <. > Wir
<, das ist eine aus > Karrierekalkül und Bequemlichkeit <
entstandene unheilige Allianz zwischen den "staatstragenden Politikern"
und den (alles lenkenden?) Medien.
Kein Wunder, daß der Verein MEHR DEMOKRATIE am 19. Dezember 2004
folgendes mitteilen mußte: > Bei einem "Koalitionsfrühstück"
am 14. Dezember fiel die Entscheidung: In Deutschland soll es kein Referendum
zur EU-Verfassung geben. Die Spitzen von SPD und Grünen verständigten
sich darauf, ihren Gesetzentwurf für bundesweite Volksentscheide
vorerst nicht im Parlament einzubringen. Erst nach der Ratifikation der
Verfassung, also frühestens im Sommer 2005, soll das Projekt bundesweiter
Volksentscheid weiterverfolgt werden. Während die Grünen die
Entscheidung der Koalitionsspitze zu akzeptieren scheinen, proben die
Sozialdemokraten den Aufstand. 60 Abgeordnete fordern in einem Brief an
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, den Gesetzentwurf zur Einführung
bundesweiter Volksentscheide jetzt wie angekündigt im Bundestag vorzulegen.
Ob der Protest Erfolg hat, stellt sich vermutlich erst im Januar heraus.
Dann soll die Frage noch einmal auf einer SPD-Fraktionsklausur debattiert
werden. Mehr Demokratie wird weiter dafür werben, dass der Entwurf
eingebracht und ein Referendum zur EU-Verfassung auch in Deutschland möglich
wird. <
Das Editorial der Oktoberausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes
NEUE POLITIK hatte ich noch mit dem Hinweis auf den > überraschenden
Schritt der SPD zu mehr Demokratie - zur Volksabstimmung < begonnen
und dazu geschrieben:> Wenn ich nun reichlich Wasser in den guten deutschen
Wein gießen muß, dann hat es damit zu tun, daß schon
einmal ein SPD-Bundeskanzler, nämlich Willy Brandt, mit dem Slogan
Mehr Demokratie wagen einen Wahlkampf geführt, Stimmen gewonnen und
sein Wahlvolk schmählich in Stich gelassen hatte. Sein Nachfolger,
ebenfalls SPD, Bundeskanzler Helmut Schmidt, hat dann durch Stil und Praxis
demonstriert, daß er von Selbstbestimmung des Volkes gar nichts
hält. Damals ging ein großes Aufatmen durch die "politische
und wirtschaftliche Klasse": es war wieder einer der ihren an die
Macht gekommen. <
Wer hat uns verraten ??? Sozialdemokraten !!!! Wer hatte recht .....
Zum Schluß möchte ich Sie noch auf einen FREITAG - Artikel
hinweisen, und zwar nicht, weil ich Ihren Frust mit Deutschland und seinen
"staatstragenden" Parteien noch weiter erhöhen will, sondern
weil ich Sie auffordern will, kämpferisch mit allen demokratisch-revolutionären
Methoden für eine demokratische Neuordnung Deutschlands einzutreten.
Der Beitrag von Arno Klönne trägt die Überschrift >
Schleichender Umsturz < und die > Unterüberschrift Wandel im
System: Die Politik verabschiedet sich auf leisen Sohlen von dem, was
Demokratie wesentlich ausmacht und unterwirft sich dem Diktat der Wirtschaft.
Doch es lassen sich neue Formen der Partizipation finden. <
Da haben wir wieder den Begriff der "Partizipation" aus dem
Bericht über das Weltsozialforum in Porto Alegre.
Vielleicht sollte ich Arno Klönne noch vorstellen, der den jüngeren
Lesern gar nicht mehr bekannt sein wird: Prof. Dr. Arno Klönne lehrte
Soziologie an der Universität Paderborn und ist Autor von Büchern
über die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. In den 60er Jahren
war er einer der Sprecher der Ostermarschbewegung. Er ist Mitherausgeber
der Zeitschrift "Ossietzky". Im Oktober ist er aus der SPD ausgetreten.
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