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Nein,
keine Angst, ich will an dieser Stelle nicht das wiedergeben, was ohnehin
jeder aufmerksame Medienbeobachter in den letzten Monaten dazu aufnehmen
konnte. Behalten wir an dieser Stelle nur eins mal kurz im Hinterkopf:
der Charakter von Hartz IV ist ein grundlegender Paradigmenwechsel in
den sozialen Sicherungssystemen, denn das Arbeitslosengeld II ist eine
reine Fürsorgeleistung, deren Zuteilung von den individuellen Lebensumständen
abhängig gemacht wird. Übrigens - meine Oma in den fünfziger
Jahren kannte schon den Begriff > Fürsorge <, und in der DDR
kannte man ihn auch. Nur wir im Westen lernen ihn jetzt erst kennen. Aber
wieso kannte ihn denn meine Oma schon? Ist er vielleicht gar nicht so
neu? Werfen wir doch einmal einen erhellenden Blick in die Geschichte
.....
Am 01. September 1919 schrieb der General von Lüttwitz
- ja, genau der, der später mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch traurige
antidemokratische Bekanntheit erlangte - der schrieb also an den Reichswehrminister
u.a. >... Die Versuche, das Volk mit Milde und Zureden zur Annahme
von Arbeit zu bewegen, sind vergeblich gewesen. Nur Zwang wird das Volk
zur Arbeit bringen. Daraus ergeben sich folgende Notwendigkeiten ... Vernünftiger
Abbau der Arbeitslosenunterstützung. Der Grundsatz: Wer nicht arbeitet,
soll auch nicht essen, muß wieder wie früher zur Geltung kommen
... (Die) Arbeitslosenunterstützung ....als Stütze der Faulheit
ist ... ein Verbrechen.< Und dann das Jahr 1927. Ein Historiker: >
Zusammen mit dem System der Tarifverträge stellte das Gesetz (über
die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung; d.A.) die Krönung
des sozialpolitischen Werkes der Weimarer Republik dar <. Schauen wir
uns das Gesetz vom 07. Juli 1927 doch kurz an, lassen die damaligen monetären
Zahlenwerte beiseite und geben wir dem Fachhistoriker wieder das Wort.
> Das Gesetz ... brachte die volle Durchsetzung des Versicherungsprinzips,
aber auch des Rechtsanspruchs. Die lange umstrittene Bedürftigkeitsprüfung
fiel weg ... Die Unterstützung wurde 26 Wochen lang gezahlt, konnte
aber bei ungewöhnlich schlechten Arbeitsmarkverhältnissen auf
39 Wochen ausgedehnt werden. Wer dann immer noch arbeitslos war, wurde
ausgesteuert und blieb auf die Krisenfürsorge angewiesen, die das
Reicharbeitsministerium durch Verordnung regelte, wobei die Mittel vom
Reich und den Gemeinden aufgebracht wurden und die Bedürftigkeitsprüfung
weiterbestand .... Die Arbeitslosenversicherung .... (wurde institutionell
getragen) von der Reichanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenfürsorge
(RafAuA), die sich in eine Hauptstelle, 13 Landesarbeitsämter und
363 Arbeitsämter gliederte. Ihre Aufgabe war neben der Arbeitslosenunterstützung
auch die Arbeitsvermittlung .....<
Also jetzt mal wirklich: Ich dachte bisher, ich erlebe
mit Hartz IV den Rückfall in die fünfziger Jahre, aber bittschön
Herr Hartz: Sie und ihre famose Kommission haben ja nur abgeschrieben!
Und Herr Schröder und Herr Clement: Kann ich annehmen, Sie haben
bei Ihrem bekannten historischen Kenntnis- und Bewußtseinsstand
nicht gewußt, daß Sie in ihren öffentlichen Äußerungen
(so z. B. Schröder im April 2001: > Es gibt kein Recht auf Faulheit:
Wer arbeitsfähig ist, aber einen zumutbaren Job ablehnt, dem kann
die Unterstützung gekürzt werden.<) und gesetzlichen Handlungen
einerseits auf den General von Lüttwitz und zum andern auf das Jahr
1927 zurückgehen (oder etwa doch?!?)? Fakt ist: ganz prima stehen
wir also wieder da in Deutschland, so etwa um 1927 ..... Danke, meine
Herren, klasse gemacht. Wer hätte das gedacht?
Nachtrag: Laut "Berliner Morgenpost" vom 10.
01. 2005 fordert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
...> die Bezieher von ALG II sollten wie in der Zeitarbeit an Betriebe
verliehen werden. Die Unternehmen zahlten im Gegenzug eine individuell
vereinbarte Gebühr von drei bis vier Euro an die Arbeitsagentur.
Die Arbeitslosen erhielten ihr ALG II plus ein Euro die Stunde, und die
Arbeitsagenturen erhielten den Rest, um einen Teil ihrer Zahlungen zu
refinanzieren.< (Bisher) lehnen SPD und GRÜNE das ab... Noch Fragen,
Hauser? Nein, Kienzle!
Die historischen Zitate wurden entnommen meinem 11.Klasse-Geschichtslehrbuch
aus der Reihe Edition Zeitgeschehen: Die Weimarer Republik, hrsg. von
Walter Tormin, Hannover 1976 (11. Auflage), S. 107 und S. 159. Wenn Herr
Schröder und Herr Clement noch Fragen haben, können sie mich
jederzeit anrufen und das Buch bei mir einsehen! |
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