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Frankreich
sei Dank! Wenn auch die Motive der französischen Stimmberechtigten,
gegen die vorgelegte EU-Verfassung zu votieren, sehr unterschiedlich gewesen
sein mögen - die Franzosen haben am 29. Mai das geschafft, wozu wir
Deutschen bisher nicht fähig waren. Die Franzosen durften über
ein aus ca. 800 Seiten bestehendes Dokument abstimmen, in dem der Textteil,
der den eigentlichen Verfassungstext ausmacht, streng genommen nur aus
71 Seiten besteht.
Ebenfalls: Den Niederlanden sei Dank! Die Volksabstimmung
vom 1. Juni hat ein noch eindrucksvolleres Ergebnis - NEIN zur europäischen
Verfassung - gebracht. Ich folge den Kommentatoren in Presse, Rundfunk
und Fernsehen, die diesen beiden europäischen Völkern bescheinigen,
nicht europamüde oder gar europafeindlich zu sein, sondern, und das
sind nun meine Worte, sie sich gegen die Arroganz und soziale Ignoranz
der herrschenden Klasse gewandt zu haben. Die politische Klasse dort wie
hier, hat es versäumt, die Verfassung Europas von unten nach oben
wachsen zu lassen. Sie wurde uns, den Völkern, auferlegt. In Deutschland
ging die politische Klasse sogar soweit, uns Deutschen die Volksabstimmung
zu verweigern.
Die Politiker jeder Couleur haben in ganz Europa einhellig,
und ich behaupte, wider besseren Wissens, verbreitet, daß die Europäische
Einheit und die Globalisierung uns, den Völkern, soziale Sicherheit
und wirtschaftlichen Erfolg bringen wird. Besonders intensiv war diese
verlogene Propaganda in der Euro-Zone. Die Menschen in Frankreich und
den Niederlanden spüren jetzt am eigenen Leib, so wie wir Deutschen
auch, daß Arbeitslosigkeit, Lohnminderungen, Sozialabbau und Einschränkungen
kommunaler Angebote, wie Schwimmbäder und Kultureinrichtungen, ein
Ergebnis verfehlter nationaler und europäischer Politik sind. Wenn
ich persönlich auch der Meinung bin, daß die bundesdeutsche
Sozialsicherung auf Kosten der Allgemeinheit in weiten Teilen überzogen
war, stelle ich fest, daß diese Veränderungen ohne Teilnahme
des Bürgers berechtigterweise auf Widerstand stoßen muß.
Der Absatz 3 des Artikels 1-3 der Europäischen Verfassung
lautet folgendermaßen: Die Union strebt ein Europa der nachhaltigen
Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums
an, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft,
die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie
ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität.
Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.
Was bedeutet dieses Wortgeklingel, wenn wir den Absatz
3 des Artikels 1-40 lesen: Die Mitgliedstaaten stellen der Union für
die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile
und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung
der vom Ministerrat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedsstaaten,
die untereinander multinationale Streitkräfte bilden, können
diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
zur Verfügung stellen... Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird
ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische
Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf
zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur
Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und
technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese
Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung
einer europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung
zu beteiligen sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung
der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.
Die Aufrüstung findet präzise Worte, die wirtschaftliche
und soziale Sicherung ein Wortgeklingel. Und noch ein Hinweis: Es
gibt in der ganzen Verfassung keinen Abrüstungsparagraphen!
In dem Beitrag von Martin Rust Kanada und die
Globalisierung berichtet der Autor über einen Vortrag, in
dem über den Ausstieg von fast ganz Südamerika und Malaysia
aus der Globalisierung berichtet wurde.
Ein wichtiges Kriterium für ein Urteil über
die europäische Integration sind die ständigen Erweiterungen
der EU durch wirtschaftlich unterentwickelte Staaten und durch ein wirtschaftliches
Schwellenland, wie die Türkei. Die politische Klasse Westeuropas
hat uns in eine prekäre Lage manövriert. Alle Länder des
früheren Ostblocks müssen wirtschaftlich und sozial saniert
werden. Müssen nicht auch die betroffenen Völker eine Anstrengung
unternehmen, technischen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt zu
erreichen? Oder sind wir Alt-EUler verpflichtet, über eine Brüsseler
Bürokratie, die mit Sicherheit auch ein "Hort" der Korruption
ist, Osteuropa zu alimentieren? Ist das Dienstleistungsentsendegesetz,
welches unsere nationalen Gesetze über Qualität, Leistung und
kostengerechter Bezahlung aushebelt, nur ein "handwerklicher"
Fehler einer unzureichenden Bürokratie zuzurechnen oder gibt es andere
Ziele moralischer, kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Austrockung
der zweifellos etwas reicheren Länder Europas?
Hinzu kommt noch der Beitrittswunsch der Türkei.
Wo beginnt Europa und wo hört Europa auf? Ist es das alte geografische
Europa, welches wir Europäer selbst bestimmen, oder ist es ein Europa,
welches von einem Präsidenten in Washington D.C. bestimmt wird? Es
ist bekannt, daß die US-Amerikaner großen Druck auf die westeuropäischen
Staaten ausüben, was den Beitritt der Türkei betrifft. Die Türkei
ist immer noch einer der wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen
Osten. Ich habe mehr denn je den Eindruck, daß das auf alle osteuropäischen
Länder zutrifft. Es geht um Rohstoffe, insbesondere um das Erdöl,
zum Wohl der USA, selbstverständlich. Je mehr wir uns den USA ausliefern,
desto mehr "Europa" wird im Weißen Haus entschieden.
Ein wichtiges Thema ist die Finanzierung Europas. Ich
warne davor, daß wir Deutsche Europa durch noch höhere Zahlungen
als bisher "heilen" oder "retten" wollen. Es ist schon
ärgerlich genug, daß die "europäische Idee"
zu einem wirtschaftlichen Monster verkommen ist. Noch ärgerlicher
ist, wenn wir Deutschen feststellen müssen, daß wir ständig
diejenigen sind, die die Kasse füllen, indem andere, wie die Briten,
sich lachend zurücklehnen und Europa nicht das geben was Europa zusteht.
Daß nun der Euro mit in das Gerede kommt, ist verständlich,
Er wird offensichtlich nicht nur im deutschen Volksmund als Teuro bezeichnet.
Was Deutschland betrifft, da bin ich anderer Meinung: Die DM trug auch
die Narben einer über fünfzigjährigen Inflation. Nur haben
wir das deshalb nicht so bemerkt, weil für fast alle Berufe, auch
für die Sozialhilfeempfänger, die Bezüge laufend stiegen
und Wohlstand zum Anspruch wurde und nicht mehr Ziel fleißiger Arbeit
war und ist.
Ich war gegen die Einführung des Euros, aber ich
bin auch gegen die Abschaffung des Euro. Ich bin für die Einführung
von Regionalwährungen, die durch ein Währungsgesetz umlaufgesichert
sein müssen. Lesen sie dazu auf Seite Sechs den Beitrag über
Silvio Gesell. Regionalwährungen sollten nach Möglichkeit die
nationalen Grenzen überschreiten und in ihrem Gültigkeitsbereich
die wirtschaftlichen Aktivitäten anregen, Arbeitslosigkeit eindämmen
und zur sozialen Sicherung beitragen. Diese umlaufgesicherten Währungen
sollten mit dem Euro konvertibel sein.
Zum Abschluß noch ein Bekenntnis: Ich bin für
ein militärisch neutrales Europa, möglichst völlig militärfrei
und möglichst ohne eine Rüstungsgüter-Industrie. Ich bin
für ein parteiisches Europa, welches überall auf dieser Erde
Partei für die Menschenrechte ergreift.
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