Martin Rust - Juni 2005 | |||
Kanada und die Globalisierung | |||
Kanada ist ein gastfreundliches, weites Land, geographisch und mental. Von allem konnten sich die Besucher einer gemeinsamen Veranstaltung von Friedrich-Ebert-Stiftung und kanadischer Botschaft in Berlin am 12. Mai überzeugen. Das neue kanadische Botschaftsgebäude im "Canada House" hat eine historische Adresse; es befindet sich direkt am wieder achteckig gestalteten Leipziger Platz, direkt neben dem Potsdamer Platz, der ja eigentlich wie in alten Zeiten lediglich eine Straßenkreuzung ist. Mit der Namensgebung "Canada House" wird sogar eine Tradition des Commonwealth aufgegriffen, denn in London gibt es auch eines, wie auch andere "houses", die dort die Bezeichnungen ehemaliger Territorien und ‚dominions' des britischen Weltreiches tragen. Und der Berliner Senat bzw. die BVG hatten ausnahmsweise mal fix reagiert und schon vor der Eröffnung des Gebäudes im April einen entsprechenden Hinweis auf U- und S-Bahn-Schildern angebracht. Und zumindest ein früheres Welträtsel haben die Kanadier schon mit der Architektur des Gebäudes gelöst: die Nord-West-Passage. Im 17. und 18. Jahrhundert war die Entdeckung des nördlichen Seeweges an Amerika vorbei nach Asien der Traum vieler Seefahrer gewesen, und auf der Suche nach ihm ließen z. B. Kapitän Henry Hudson und seine Mannschaft in winterlichem Packeis ihr Leben (Hudson-Bay). Ganz ungefährdet von solcher Unbill kann der Berliner Passant die neue architektonische Nord-West-Passage als Abkürzung direkt vom Leipziger Platz unter dem Gebäude durch Richtung Ebertstrasse nehmen. Ungestört durch extreme blockierende Sicherheitsvorkehrungen. Man sieht: Kanada legt Wert auf eine offene Darstellung seiner selbst. Das gilt auch für die Finanzierung des Botschaftsgebäudes. Im Rahmen einer "Public-Private-Partnership" von einem privaten Investor errichtet, hat der kanadische Staat den Botschaftsteil geleast, die anderen Gebäudeteile sind u.a. an ein mexikanisches Restaurant vermietet. NAFTA im kleinen sozusagen. Dieser Eindruck von Vielschichtigkeit setzt sich im Gebäude selber fort. Verschiedene kanadische Hölzer und steinerne Materialien aus allen Provinzen des Landes geben den Ton an, dazu viel Glas und an den Wänden Exponate der vielseitigen kanadischen Kultur. Dazu gehören selbstverständlich auch Verweise auf die "first nations Canadians"; seit den 1970er Jahren ist Multikulturalismus Staatsziel in Kanada, wird aber dem kanadischen Bevölkerungscharakter entsprechend wesentlich unideologischer und pragmatischer gehandhabt als im südlichen Nachbarn. Undenkbar wäre es wohl auch, daß irgendwo
auf der Welt in einer us-amerikanischen Botschaft eine globalisierungskritische
Veranstaltung stattfindet, dazu noch eingeleitet vom Botschafter. Aber
S.E. Botschafter Paul Dubois ließ es sich nicht nehmen, in sehr
gutem Deutsch die Teilnehmer und Gäste des Panels "Globalization
Insights" zu begrüßen, zu dem die Botschaft und die Friedrich-Ebert-Stiftung
eingeladen hatten. Es galt Gewinner vorzustellen und zu ehren: drei junge
Journalisten aus Afrika, Asien und Lateinamerika lasen aus ihren Geschichten,
die davon handeln, wie die Globalisierung das Leben einfacher Menschen
verändert und negativ beeinflußt. Nicht, daß die anderen
22 Geschichten schlechter wären. Sie alle lohnt es sich zu lesen
(Englischkenntnisse vorausgesetzt). Ein lohnenswerter Nachmittag! Zum Abschluß gab es kleine kulinarischen Spezialitäten zur Stärkung, und Mitarbeiter der PR-Abteilung der Botschaft führten durch den Neubau. Nach Verlassen der Botschaft war die Nord-West-Passage übrigens dann doch geschlossen. Andererseits: Teil der Globalisierung ist ja auch die vermutliche Erwärmung auf der nördlichen Erdhälfte. Das Packeis geht jedenfalls zurück, und dann werden wir auf jeden Fall eine offene Nord-West-Passage haben, so oder so. Internet-Adressen: Die Texte aller Autoren einschließlich der Einführungen
der Laudatoren bei: |
|||
Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen | |||
Alle Artikel liegen als PDF - Datei zum herunterladen vor. Um PDF - Dateien zu lesen, benötigen Sie den "Acrobat Reader". Falls das Programm nicht auf Ihrem PC installiert ist, können Sie es sich hier kostenfrei herunterladen. | |||