Arthur
Brauner, Groß-Mogul der Alt-West-Berliner (Frontstadt-) Filmwirtschaft
und aus dieser Zeit auch vielen Berlinern als rigoroser Vermieter bekannt,
hat in der Berliner Tageszeitung DER TAGESSPIEGEL vom 8. Mai eine ganzseitige
Anzeige veröffentlicht, in der er 163 Nobelpreisträger jüdischen
Glaubens bzw. jüdischer Herkunft aufzählt. Mal abgesehen davon,
daß der dazugehörige Text wirr ist - er hat natürlich
als bekennendes Mitglied der deutsch- jüdischen Gemeinde zu Berlin
sein gutes Recht, dies und das zu tun. Ich nehme mir das Recht, die Aufstellung
in dieser Anzeige einigen wenigen kritischen Betrachtungen zu unterziehen,
unvollständig selbstverständlich.
Die meisten der genannten 163 Nobelpreisträger waren
und sind keine Deutschen jüdischen Glaubens oder Herkunft. Zwei "deutsche"
Namen fielen mir aber sofort auf, die ich mit Menschenrechts- bzw. Kriegsverbrechen
in Verbindung bringe: Fritz Haber (1868-1934) und Albert Einstein (1879-1955).
Fritz Haber erhielt 1918 zusammen mit Carl Bosch (nicht
jüdischer Abstammung bzw. Glaubens) den Nobelpreis für Chemie
für die Synthese von Ammoniak und Albert Einstein 1921 den Nobelpreis
für Physik für seine Beiträge zur Quantenphysik.
Haber und Einstein waren gute Freunde.
Haber konvertierte 1893 vom jüdischen zum protestantisch-christlichen
Glauben. Er war Patriot und Militarist durch und durch. Seine Versuche
am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie mit Phosgen und Chlorgas (ein
Abfallprodukt aus der Farbproduktion der chemischen Industrie), die schon
wenige Wochen nach Beginn des 1. Weltkrieges begannen, machte er gegen
den Willen seiner ersten Frau Clara, geb. Immerwahr, die selbst promovierte
Chemikerin war. Durch diese Versuche wurde er zum Vater der Giftgaswaffen,
die von Deutschland im 1. Weltkrieg eingesetzt wurden. Nicht einmal der
Selbstmord seiner Frau mit seiner Dienstwaffe, wenige Tage nach dem ersten
deutschen Giftgas-Einsatz am 22. April 1915 in Ypern, hielt Haber davon
ab, den Giftgas-Einsatz an der Front weiterhin selbst zu organisieren
und die Wirksamkeit zu überwachen. Nach dem 1. Weltkrieg wurde Haber
aufgrund des Verstoßes gegen die Haager Landkriegsordnung von den
Alliierten wegen Verbrechen gegen die Menschheit zum Kriegsverbrecher
erklärt und floh vorübergehend in die Schweiz.
Manche Verbrechen sind eben keine Verbrechen, zumal dann,
wenn die kriminellen Impulse von der wirtschaftlichen und politischen
Klasse, egal welcher Nation, unmittelbar gebraucht werden.
Fritz Haber kehrte nach Deutschland zurück und wurde
bei der Gründung der IG Farben 1925 eines ihrer Aufsichtsratsmitglieder.
Die IG Farben waren später maßgeblich an der Produktion und
Lieferung der Giftgase beteiligt, die in Auschwitz u.a. gegen Mitbürger
jüdischen Glaubens zum Einsatz kamen. Nachdem die Nationalsozialisten
1933 an den Kaiser-Wilhelm-Instituten den Arierparagraphen durchsetzten
und die jüdischen Mitarbeiter entließen, was auch Haber nicht
verhindern konnte, ließ er sich resignierend 1933 in den Ruhestand
versetzen. Er emigrierte 1933 nach Cambridge, wohin er noch einen Ruf
an die Universität erhalten hatte und starb kurz danach 1934 auf
der Durchreise in Basel.
Es gibt nicht nur in Berlin ein Fritz-Haber-Institut, sondern auch ein
Fritz Haber Center for Molecular Dynamics Research in Israel. Mich wundert
das nicht.
Ruhm und Ehre denjenigen, die in christlich- jüdischer
Zusammenarbeit Massenvernichtungswaffen erfinden, entwickeln und anwenden.
Jeder, der sich in diesem Zusammenhang gegen das gewaltsame Töten
von Menschen wendet, kann als Antisemit denunziert werden!!
Daß Albert Einstein ein Pazifist gewesen sein soll,
das bezweifle ich. Er war nicht nur persönlicher Freund von Fritz
Haber, sondern er hat sich im 1. Weltkrieg, als beide im gleichen Haus
ihre Arbeitsstätten hatten, dem Treiben von Haber nicht entgegengestellt.
Einstein hat die Kampfgasaktivitäten seines Freundes schweigend akzeptiert,
so wird uns Nachgeborenen berichtet. Später hat Einstein den Bau
der Atombomben in Los Alamos gefördert. Fast alle Wissenschaftler
in Los Alamos waren übrigens Menschen jüdischer Abstammung bzw.
jüdischen Glaubens. Es wird berichtet, daß Einstein sehr betroffen
über den Einsatz der Atombomben in Japan war. Eine sehr späte
Betroffenheit, die den toten und verletzten Menschen in Hiroshima und
Nagasaki und deren Nachfahren nicht mehr half oder hilft. Die Betroffenheit
des Herrn Einstein macht die ungeheure, todbringende, unverzeihliche und
fast kriminelle Naivität eines angeblich so klugen Wissenschaftlers
sehr deutlich!
Arthur Brauner sollte also vorsichtig sein. Jüdischer
Abstammung oder Glaubens zu sein, ist kein Freibrief für ein gesellschaftliches,
moralisches Versagen. Es wirft eher Fragen nach dem gesellschaftlichen,
politischen und ideologischen Anteil der Menschen jüdischer Herkunft
und Glaubens an den Fehlentwicklungen der deutschen Gesellschaft im 19.
und 20. Jahrhundert auf. Was ist z.B. mit den patriotischen preußisch-deutsch-nationalen
jüdisch-gläubigen Offizieren des 1. Weltkrieges, die den einfachen
deutschen Rekruten bzw. Soldaten den "inneren Schweinehund",
nämlich u.a. die zaghaften Ansätze von Pazifismus ausgetrieben
haben? Diese jüdisch-gläubigen Patrioten waren noch 1933 auf
ihre Hohenzollernorden und Eisernen Kreuze stolz. Was für eine Verantwortungslosigkeit,
für die wir alle büßen müssen.
Es geht mir nicht um das Abschieben von Verantwortung
für einen deutschen Antisemitismus und dessen Folgen, es geht mir
um die Feststellung einer Mitverantwortung deutsch-jüdischer Bürger
an einer gesell-schaftspolitischen Entwicklung, die im Holocaust endete
- wie u.a. die Fälle Haber und Einstein zeigen.
Was ich über Albert Einstein geschrieben habe, werden
viele von Ihnen als eine ungeheure Provokation empfinden. Das soll auch
so sein. Natürlich ist Einstein auch für den Frieden eingetreten,
nach Hiroshima und Nagasaki, nach dem 1. und 2. Weltkrieg mit weit über
60 Mllionen Toten und nach der Vernichtung vieler kultureller und materieller
Werte. Einstein wird in den meisten Berichten als besonders friedensfähig
beschrieben, insbesondere während seiner Lebenszeit in den USA. Es
gibt darüber sehr viele eindrucksvolle Dokumente. Nur mit den Deutschen
wollte er nichts mehr zu tun haben, obwohl er hauptsächlich in Deutsch
schrieb und vermutlich dachte. Wollte er auch postum nichts mehr mit seinem
deutsch-patriotischen Freund Haber zu tun haben? Da scheint uns Nachfahren
nichts übermittelt worden zu sein. |