Martin Rust - Juli / August 2005    
 
Scharf hingeschaut: Starke Frauen  
     
 

Allerlei und "aller-wen" gab es bei der CDU-Medianight (vgl. NP Juni 2005) in der Tat zu beobachten. Neben der schieren Anzahl der Anwesenden - mit fast 2500 Gästen mehr als doppelt so viele wie erwartet - waren es vor allem die schon in anderen Presseorganen konstatierten "Kratzfüße" von Medienschaffenden gegenüber den möglicherweise demnächst Regierenden, die auffielen. Es gehört sich nicht, hier Namen zu nennen, aber auch Medienschaffende und Journalisten, die bisher in ihrer Arbeit nicht unbedingt durch besondere CDU-Nähe aufgefallen waren, suchten (und fanden) erkennbar das plauschige Gespräch mit den Medienlustobjekten einer neuen Zeit - wenn sie denn dann kommen sollte.

Nicht zu diesen Hype-Haien gehörte offensichtlich Star-DJ Paul van Dyk, der im Rahmen des Musikpanels "Von der Musikwirtschaft zur Kreativwirtschaft" als Diskutant auftrat. Paul van Dyk ist Auftritte in Clubs und Hallen in großer Hitze gewohnt, aber die ca. 40 Grad im total überfüllten Veranstaltungsraum dürften auch für ihn eine neue Erfahrung gewesen sein. Außer einer pflichtschuldigen Bemerkung gegenüber den Gastgebern ("Es müssen in der Musikwirtschaft Reformen durchgeführt werden, wie in vielen anderen Bereichen unseres Landes auch.") betonte van Dyk vor allem, daß es auch in Zukunft kreativ tätige Musiker geben werde und geben müsse als Kontrast gegenüber "irgendwelchem Rumgepiepse". Das konnte man als Spitze verstehen gegen die anwesenden Vertreterinnen (!) der Klingeltonindustrie, einer Branche, die es vor fünf Jahren noch nicht einmal in Ansätzen gegeben hatte und die vehement von den Damen verteidigt wurde. Mit Paul van Dyk sprach ein Vollblutmusiker einerseits, die Industrie saß am andern Ende des Tisches.

Aber auch der DJ hat natürlich seine Verwertungsmaschinerie, und nach Ende des Panels wurde deutlich, wer das bei ihm ist: seine Frau Natascha. Auch sie ist dem Schreiber dieser Zeilen schon einmal vor einigen Jahren begegnet; dieser Aspekt war in jener Nacht nicht so deutlich erkennbar gewesen. Doch während van Dyk sich nach dem Panel noch in Gespräche verwickeln ließ, die sein künstlerisches Schaffen als solches betrafen, sammelte seine Frau die Geschäftskarten ein und teilte aus. Und während die Augen des DJs wie die eines großen kleinen Jungen schon während des Panels unablässig und neugierig den Raum und die anwesenden Menschen musterte - vermutlich eine ihm fremdartige Umgebung - gab es ständig absichernde Blickkontakte zwischen ihm und seiner Frau. Ja, bekannt war dem Schreiber dieser Zeilen schon, daß sie einander zugetan sind, aber daß hier in aller Deutlichkeit auch die alte Weisheit gilt "Hinter vielen großen Männern steht eine starke Frau.", das war ihm doch neu.

Und während Paul van Dyk dann schließlich in dem leeren Raum meinte, er glaube, sie (er und seine Entourage, d. A.) müßten jetzt mal langsam verschwinden, sonst würden sie noch rausgeschmissen (dem wäre natürlich nicht so gewesen, Paule - siehe oben), gab es unten im Auditorium den Einzug der Gladiatorin zu bewundern. Hinter einem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau? Hier formte sich die Frage, wie das denn gilt bei Angela Merkel. Eine Frau zog ein, duftig-feminin frisiert im jetzt schon berühmt gewordenen apricot-farbenen Kostümjäckchen und die sitzenden anwesenden Medienmenschen erhoben sich für eine standing ovation und Dauerapplaus. Sie tanzte nicht und sie sagte (fast) nichts und sie wurde trotzdem umjubelt. Der römische Feldherr Caesar nannte so etwas "Ich kam, sah, und siegte." Wohlgemerkt: dies war kein CDU-Parteitag und die Mehrzahl der Gäste gehörten zur üblicherweise kritischen Medienbranche. Doch wohl unabhängig davon, wie man sie politisch beurteilt: Angela Merkel ist eine Frau, die sich in ihrem Bereich gegen feindliche Männer durchgesetzt hat. Erklärt das eine gewisse Faszination, die sie anscheinend auf manche ausübt? Ihre plötzliche äußerliche Hinwendung zum Weiblichen, nachdem sie jahrelang sozusagen als "männlich getarnte Frau", als häßliches Entlein, die Gegenriege ihrer vielen stolzen und eitlen männlichen Schwäne geschickt unterlaufen hat? Fakt ist, daß die Medien erstens immer einen Star brauchen, der auch optisch etwas hergibt und den sie zum "Liebling" küren können, ihn damit letztendlich erst zum Star "machen". Fakt ist auch, daß hinter dem "Star" immer eine kleine Armee von Beratern, Visagisten, Trainern usw. stehen. Und so wie zunächst "Brioni-Schröder" (schon vergessen?) der Lieblingsstar gegen den "dicken alten verbrauchten Kohl" wurde, so ist es jetzt das "neue Weibchen" Angela Merkel, die erkennbar bei Interviews besser ausgeleuchtet wird, während dem Publikum bei Schröder nun vorwiegend die Hartz IV - Falten präsentiert werden. Doch erinnern wir uns: auch Margaret Thatcher legte allergrößten Wert auf ihren täglichen Friseurbesuch und gepflegtdamenhaftes Äußeres. Margot Honecker ließ sich regelmäßig nach Paris zu ihrem Stamm-Coiffeur fliegen. Ein gepflegtes weibliches, sogar vielleicht wieder etwas mädchenhaftes, Erscheinungsbild kann also sehr wohl für eine harte "Politik der Grausamkeiten" stehen, sie verdecken. Mit einer Sparist-geil-Kurzhaartopffrisur gewinnt eine Frau in unserem medienbestimmten politischen System keine Wahlen. Und das wirft uns zur Ausgangsfrage zurück, Deutschland - der Mann hinter Angela Merkel, wortwörtlich. Ganz ernsthaft: heißt er etwa Udo Walz?

 
     
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