Dieter Kersten - September 2005    
 
Befragung von Bundestags-Kandidaten vor den Bundestagswahlen 2005  
     
 

In der Juni-Ausgabe des Kommentar-und Informationsbriefes NEUE POLITIK hatte ich elf Frage an die Bundestags-Kandidaten 2005 veröffentlicht, die ich nachstehend noch einmal wiederhole. Unter der Überschrift

Wer ist wählbar?
Fragen für Ihre Bundestagswahl-Kandidaten

bat ich die Leser, den Kandidaten ihres Wahlkreises folgende Fragen zu stellen:

1.) Sind Sie bereit, im Bundestag ein Gesetz einzubringen, mit dem die Medien veranlaßt werden, regelmäßig eine angemessene Zeit bzw. einen angemessenen Platz für die Darstellungen von unkoventionellen wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen, kulturpolitischen und demokratischen Alternativen ohne jede Zensur zur Verfügung zu stellen?

2.) Sind Sie bereit, regelmäßig im Bundestag und in öffentlicher Sitzung, unter Hinzuziehung von externen Fachleuten, wirtschaftspolitische, sozialpolitische, kulturpolitische und demokratische Alternativen ergebnisoffen zu diskutieren?

3.) Sind Sie bereit, eine Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung einzuberufen, die eine Verfassung erarbeitet und diese dem Stimmbürger zur Volksabstimmung vorlegt?

4.) Sind Sie bereit, eine Verfassungsgebende Europäische Versammlung einzuberufen?

5.) Sind Sie bereit, in diese Verfassung die europäische Abrüstung als Politikziel aufzunehmen?

6.) Haben Sie sich mit den sozial-, wirtschafts- und kulturpolitischen Vorstellungen Silvio Gesells beschäftigt?

7.) Haben Sie sich mit den sozial-, wirtschafts- und kulturpolitischen Vorstellungen Rudolf Steiners beschäftigt?

8.) Haben Sie sich mit Artur Mahraun und seinen Vorstellungen, Deutschland zu einem demokratischen Staat zu entwickeln, beschäftigt?

9.) Haben Sie eigene sozial-, wirtschafts- und kulturpolitische Vorstellungen und eigene Vorschläge, Deutschland zu einem demokratischen Staat zu entwickeln?

10.) Kennen Sie selber Ideenträger, die mit innovativen Ansätzen Deutschland und Europa voranbringen können? Welche Ideen und welche Ideenträger sind das?

11.) Sind Sie bereit, im Grundgesetz den Volksentscheid, so wie er von MEHR DEMOKRATIE gefordert wird, als Grundrecht einzuführen?

Leser Dr. Gerhard Schmidt hat nicht die Bundestagskandidaten befragt, sondern sich selbst. Ich dokumentiere (leicht gekürzt) folgende Antworten:

1.) Ich befürworte, im Bundestag ein Gesetz einzubringen, durch das die Medien veranlaßt werden, regelmäßig, ohne jede Zensur, über unkonventionelle Kultur-, Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie dezentrale Alternativen zu berichten bzw. diskutieren zu lassen.

2.) Ich befürworte, im Bundestag regelmäßig, unter Hinzuziehung von externen Fachleuten, in öffentlicher Sitzung kultur-, sozial- und wirtschaftspolitische sowie demokratische Alternativen ergebnisoffen zu diskutieren.

3.) Ich befürworte die Einberufung einer Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, die eine Verfassung erarbeitet und diese zur Volksabstimmung vorlegt.

4.) Dergleichen befürworte ich die Einberufung einer Verfassunggebenden Europäischen Versammlung.

5.) Ich befürworte als früheres Bundesvorstandsmitglied der "Deutschen Friedensgesellschaft von 1892" selbstverständlich, in die Europäische Verfassung die europäische Abrüstung als Politikziel aufzunehmen.

6.) In meiner aktiven Zeit für die Deutsche Friedensgesellschaft bin ich des öfteren mit den Freiland- und Freigeldvorstellungen Silvio Gesells in Berührung gekommen, sei es durch Vorträge, in Diskussionen oder in Gesprächen mit Vertretern dieser Vorstellungen. Wissen Sie, daß 1932 in der Weltwirtschaftskrise in Wörgl/Tirol eine praktische Anwendung dieser Vorstellung stattgefunden hat, mit dem Erfolg, daß in Wörgl Vollbeschäftigung herrschte? Leider wurde diese hoffnungsvolle Praxis nach Gesell alsbald (meines Wissens) von österreichischen Banken unterbunden?

7.) Mit den sozial-, kultur - und wirtschaftspolitischen Ideen Rudolf Steiners habe ich mich in vielen Jahren meines Lebens mehr oder weniger intensiv beschäftigt, angefangen im Jahr 1948, als mein späterer Doktorvater Prof. Folkart Welken (= prominentester Vertreter der sozialen Dreigliederungs-Idee seit dem Tode Steiners) anläßlich der Ermordung Gandhis vor der Anthroposophischen Gesellschaft in der Universität Freiburg eine Gedenkrede hielt. Publiziert habe ich Ideen der Dreigliederung in

a.) meiner Doktorarbeit "Das Kapital und seine Besteuerung", erschienen als Heft 40 der Volkswirtschaftlichen Schriften im Duncker & Humblot Verlag Berlin, 1959, wo die Arbeit nach Ablehnung durch ca. 30 andere Verlage zum Druck angenommen wurde. Der Verleger Dr. Broermann erklärte bei einem späteren Besuch in Berlin, er habe den Eindruck gewonnen, daß hier eine Arbeit angeboten würde, die etwas besonderes enthielte und daher den Druck verdiente.

b.) Berlin-Thesen der "Deutschen Friedensgesellschaft" (= DFG), entworfen vom Berliner Freiwirt Hermann Speelmann, einem Siemens-Ingenieur, zur Bundestagung der DFG 1961. Diese Bundestagung sollte ursprünglich in Wes-Berlin stattfinden, wurde aber auf Betreiben der West-Berliner Behörden verboten. Die Bundestagung fand dann Anfang 1962 in Bonn statt. Folgende Thesen wurden von der DFG als Diskussionsgrundlage angenommen:

Mundialisierung von (Gesamt-)Berlin

(Anmerk. D.K.: Mundialisierung habe ich in keinem Wörterbuch oder Lexikon gefunden. Ich nehme an, daß Herr Dr. Schmidt das Wort von Mundium abgeleitet hat. In meinem Fremdwörterduden steht dazu: Schutzverpflichtung, Schutzgewalt im frühen deutschen Recht.)

Selbstverwaltung des geistigen Lebens durch unabhängigen Kulturrat

Gleiches Recht für alle Bürger Berlins

Brüderliches Zusammenwirken der wirtschaftlich tätigen Menschen Berlins.

8.) Die Vorstellungen Artur Mahrauns sind mir in mehreren Artikel von Ihnen vermittelt worden, die im Laufe der letzten Jahre in Ihrer NP erschienen sind.

9.) Eigene Vorstellungen habe ich vor allem in den Jahren 1961 bis 1967 publiziert und in mehreren westdeutschen Städten vorgetragen.

10. + 11. Seit Mai 1967 bzw. Januar 1968 bin ich politisch nicht mehr aktiv tätig gewesen, sondern als Lehrer an einer berufsbildenden Schule mit Gymnasialzweig.

Leser Norbert Langer hat folgende Kandidaten angeschrieben und befragt:
* Christoph Bergner, CDU
* Dietmar Weihrich, Bündnis 90/Die Grünen
* Christel Riemann-Hanewinckel, SPD
* Petra Sitte, PDS
* Cornelia Pieper, FDP

Meine Fragen hat Herr Langer in seiner Anfrage an die CDU durch zwei weitere Fragen ergänzt:

Wie stehen Sie zur Äußerung von Frau Merkel (Tagesschau Anfang Juli): "Mit unserer Politik .....wird Deutschland wieder zu den Gewinnern der Globalisierung gehören"? Wer sollen die Verlierer sein?

Wie stehen Sie zur Äußerung von Frau Merkel (dpa Meldung vom 17. Juni 2005) daß "...die deutschen Bürger keinen immerwährenden Rechtsanspruch auf eine demokratische Verfassung haben".

Geantwortet hat bis zum 6. August nur der Direktkandidat von Bündnis90/Die Grünen Dietmar Weihrich. Norbert Langer schreibt zu dieser Antwort: Die Antwort von Herrn Weihrich ist enttäuschend und kennzeichnet eher, wie ernst er überhaupt Fragen aus dem "Wählervolk" nimmt.
Ich habe diese Antwort als Anhang beigefügt.

 
     
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