Dieter Kersten - OKtober 2005    
 
Die Schwächen der parlamentarischen Demokratie durch Formen der direkten beseitigen  
     
 

Im Editorial der Septemberausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes versprach ich Ihnen, Sie über meine Erfahrungen mit www.kandidatenwatch.de zu informieren. Ich halte es für wichtig, daß wir uns mit Initiativen in dem Medium Internet beschäftigen, zumal ich der Auffassung bin, daß das Internet bei der Demokratisierung der Gesellschaft eine große und hoffentlich positive (pro Demokratie) Rolle übernehmen könnte.

Zur Erinnerung: Ich schrieb im September im Editorial: > kandidatenwatch.de sieht sich selber laut Impressum als ein überparteiliches Projekt. Es ist eine Gründung von www.abgeordnetenwatch.de in Kooperation mit Mehr Demokratie e.V. Sie können, so wird es dem Wahlbürger suggeriert, den Wahlkreiskandidaten unzensiert Fragen stellen. <

In www.kandidatenwatch.de sind alle Direktkandidaten aller bundesrepublikanischen Wahlkreise aufgelistet. >Die Fragen und Antworten auf kandidatenwatch.de bleiben als Wählergedächtnis auch nach der Wahl bestehen. <, heißt es. Eine Frage sei hier erlaubt: Nur als Wählergedächtnis - und nicht als Kandidatengedächtnis? Gerade das Kandidatengedächtnis scheint mir besonders gering entwickelt zu sein.

Aber weiter mit meinem Bericht. Wenn Sie Ihre Postleitzahl eingeben, erscheinen Ihre Wahlkreiskandidaten und Sie konnten, sofern diese ihre Email-Adresse zur Verfügung gestellt hatten, Fragen stellen. In den Benutzungsbedingungen sind weder die Zahl der Fragen noch die Inhalte eingeschränkt. Ich war begeistert. Zu Unrecht, wie es sich später herausstellte.

Sind Sie bereit, im Bundestag ein Gesetz einzubringen, mit dem die Medien veranlaßt werden, regelmäßig eine angemessene Zeit bzw. einen angemessenen Platz für die Darstellungen von unkonventionellen wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen, kulturpolitischen und demokratischen Alternativen ohne jede Zensur zur Verfügung zu stellen?

Sind Sie bereit, regelmäßig im Bundestag und in öffentlicher Sitzung, unter Hinzuziehung von externen Fachleuten, wirtschaftspolitische, sozialpolitische, kulturpolitische und demokratische Alternativen ergebnisoffen zu diskutieren?

Sind Sie bereit, eine Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung einzuberufen, die eine Verfassung erarbeitet und diese dem Stimmbürger zur Volksabstimmung vorlegt?

Sind Sie bereit, eine Verfassungsgebende Europäische Versammlung einzuberufen?

Sind Sie bereit, in diese Verfassung die europäische Abrüstung als Politikziel aufzunehmen?

Haben Sie sich mit den sozial-, wirtschafts- und kulturpolitischen Vorstellungen Silvio Gesells beschäftigt?

Haben Sie sich mit den sozial-, wirtschafts- und kulturpolitischen Vorstellungen Rudolf Steiners beschäftigt?

Haben Sie sich mit Artur Mahraun und seinen Vorstellungen, Deutschland zu einem demokratischen Staat zu entwickeln, beschäftigt?

Haben Sie eigene sozial-, wirtschafts- und kulturpolitische Vorstellungen und eigene Vorschläge, Deutschland zu einem demokratischen Staat zu entwickeln?

Kennen Sie selber Ideenträger, die mit innovativen Ansätzen Deutschland und Europa voranbringen können? Welche Ideen und welche Ideenträger sind das?

Sind Sie bereit, im Grundgesetz den Volksentscheid, so wie er von MEHR DEMOKRATIE gefordert wird, als Grundrecht einzuführen?

Ich habe das Angebot sofort genutzt. Meine Fragen, die ich in der Juni-Ausgabe mit der Bitte an die Leser veröffentlicht hatte, sie ihren Bundestagskandidaten zu stellen, habe ich verwendet. Wenn Sie die Postleitzahl 10713 eingeben, finden Sie meine Fragen und auch die Antworten, soweit sie gegeben worden sind. Ich habe der SPD-Kandidatin neun Fragen, den Kandidaten der CDU, FDP, BüSo und dem Einzelkandidaten jeweils acht Fragen gestellt. Die Linke.PDS hatte keine Email-Adresse angegeben, der NPD-Kandidat kam erst sehr spät dazu. Als ich feststellte, daß ich der Kandidatin von Die Linke.PDS und dem NPD-Kandidaten ebenfalls die Fragen stellen konnte und sie in die Webseite einstellen wollte, kam am 6. September folgende Email der Redaktion von www.kandidatenwatch.de: > Sehr geehrter Herr Kersten, ich wollte Ihnen mitteilen, daß wir zunächst keine Fragen mehr von Ihnen auf unserer Seite freischalten werden, da Sie es mit der Anzahl Ihrer Fragen leider etwas übertreiben. Natürlich lebt unsere Seite von engagierten und interessierten Usern wie Ihnen, doch sollte ein gewisses Maß dabei nicht außer Acht gelassen werden. Sie haben nun in den letzten Stunden sehr viele Fragen an Herrn Storr (Anmerk. D.K. NPD) und Frau Rottka (Anmerk. D.K. Die Linke.PDS) gestellt, unserer Meinung nach zu viele. Wir haben mit unserem Projekt die Erfahrung gemacht, daß die Kandidierenden oftmals nicht mehr bereit sind, Fragen zu beantworten, die immer von dem gleichen User gestellt werden. Einige Kandidierende haben sich in ähnlichen Fällen auch bereits bei uns beschwert. Aus diesem Grunde kann es auch nur in Ihrem eigenen Interesse liegen, die Anzahl Ihrer Fragen zu beschränken, da Sie auf diese Weise eine höhere Chance auf eine Beantwortung haben. Ich hoffe, Sie haben Verständnis für unsere Vorgehensweise. Ich würde mich freuen, wenn Sie weiterhin unsere Seite nutzen, aber bitte in einer etwas gemäßigteren Art und Weise. Bei Rückfragen können Sie sich auch gerne unter 040 / 317 691 026 bei uns melden. Mit freundlichen Grüßen Arnd Herrmann vom team kandidatenwatch < .

Es wurden nicht etwa alle meine acht Fragen gestrichen, was ja nur konsequent gewesen wäre, sondern nach Gutdünken von Arnd Herrmann dem NPD-Kandidaten fünf Fragen und der Kandidatin von Die Linke.PDS vier Fragen, natürlich ohne Rücksprache mit mir.

Interessant ist, daß in beiden Fällen die Frage nach Rudolf Steiner und Silvio Gesell weggelassen worden ist.

Ich hielt es nicht für notwendig, Arnd Herrmann anzurufen. Ich bin seit Gründung von Mehr Demokratie e.V. diesem Verein verbunden. Einer der Mitgründer war Wolfgang Lohmüller, ein Jungdeutscher (Mahraun-Anhänger), mit dem ich bis zu seinem Tod befreundet war. Ich habe möglicherweise für Mehr Demokratie e.V. mehr getan, als so manches eingeschriebenes Mitglied.

Da ich nicht überreagieren wollte, habe ich dem Berliner Repräsentanten von Mehr Demokratie e.V., der auch OMNIBUS gemeinnützige GmbH für Direkte Demokratie in Berlin vertritt, Kurt Wilhelmi, die Email von Arnd Herrmann weitergeleitet, mit der vertrauensvollen Frage > Was halten Sie von dieser Mail des Herrn Arnd Herrmann? <. Die Antwort erfolgte prompt: > Lieber Herr Kersten, ich weiß nicht, wie viele Fragen Sie gestellt haben und ich weiß nicht, wie viele Fragen bei den Moderatoren zulässig sind. Ich empfehle Ihnen: rufen Sie doch einfach unter der angegebenen Hamburger Telefonnummer an. Sicher läßt sich die Sache klären. Oder soll ich mal dort anrufen? Herzliche Grüße! Kurt Wilhelmi <.

Kurt Wilhelmi und Arnd Herrmann hatten alle Chancen, sich zu informieren. Ich habe meine Beiträge nicht nur mit meinem Namen gezeichnet, sondern auch mit meiner Webseite www.neuepolitik.com.

Am 24. September habe ich Herrn Wilhelmi per Email gebeten, Herrn Herrmann anzurufen. Mal sehen, was dabei herauskommt.


Es kann durchaus sein, daß Herr Wilhelmi beim Werben für Spenden aktiver ist als beim Bewahren von Demokratie.

Demokratie ist eine sehr sensible Idee, die mit dem Blickwinkel Arnd Herrmanns sehr schnell atomisiert werden kann. Mehr Demokratie ist uns schon sehr oft versprochen worden, ohne daß sie eingehalten wurde.

Ich brauche keine Entschuldigung, sondern Mehr Demokratie.

Was mir an www.kandidatenwatch.de noch auffällt, das ist die politcal correctness, mit der Einzelbewerber, BüSo und NPD (und vermutlich noch andere kleine Parteien) behandelt werden. Während die Ergebnisse der "Staatstragenden" pro Wahlkreis in Prozenten dargestellt werden, entfallen die Angaben bei den Genannten. Der Einwand wird sein, daß der Bundeswahlleiter es nicht anders übermittelt. Er hat aber die Zahlen und muß massiv dazu gedrängt werden, sie zur Verfügung zu stellen.

Das wäre mehr Demokratie!

An dieser Stelle hatte ich vor, einige wenige Ergebnisse der Kandidatenbefragungen in www.kandidatenwatch.de zu besprechen. Ich bin aber zu dem Ergebnis gekommen, daß es angesichts der Manipulation von Arnd Herrmann von der Redaktion von www.kandidatenwatch.de nicht opportun ist, sich damit zu beschäftigen.

Viel lieber berichte ich von den Aktivitäten der Leser Norbert Langer, Gundolf Hornung und Horst Kreil. Alle Drei haben mit sehr großer Energie ihre Wahlkreiskandidaten unter Verwendung meines Fragenkataloges befragt. Die Antwort von Bündnis 90/Die Grünen an Norbert Langer fanden Sie bereits in der September-Nummer. Norbert Langer schreibt in seiner Email vom 9. September: > Lieber Herr Dieter Kersten, noch kurz vor der Wahl habe ich 2 Reaktionen der befragten Parteien erhalten (SPD (Christel Riemann-Hanewinckel), FDP (Cornelia Pieper, die ehemalige FDP-Generalsekretärin und immer noch stellv. Bundesvorsitzende). Ich füge diese als Anhang bei. Bemerkenswert ist für mich, daß wirklich keine der angeschriebenen Parteien auch nur die Möglichkeit eines anderen Staatswesens in Betracht zieht. Riemann-Hanewinckel: "... diese sind für mich keine Alternativen zum bestehenden System." Wie sollten wir auch von den Nutznießern unserer Parteienoligarchie eine andere Haltung erwarten. Es ist wirklich Zeit für einen tiefgreifenden Wandel unseres Gemeinwesens. Mit herzlichen Grüßen aus der sommerlichen Hitze in Halle Ihr Norbert Langer <.

Die Antwort von Cornelia Pieper ist sehr wortreich. Immerhin kennt sie Silvio Gesell und Rudolf Steiner. Bei Steiner ist es die Waldorfpädagogik, die bei ihr hängengeblieben ist. Zu Gesell äußert sie sich nicht.

Gundolf Hornung schreibt in seiner ersten Email: > Sehr geehrter Herr Kersten, seit Mai 2005 beziehe ich Ihren NEUE POLITIK-Brief, für dessen Herausgabe ich mich bei dieser Gelegenheit herzlich bedanken möchte. Ihre Gedanken zu den aktuellen Themen unserer Zeit sind immer hochinteressant! Gestern habe ich es nun in die Tat umgesetzt, die Direktkandidaten meines Wahlkreises (Euskirchen - Erftkreis II, Wahlkreis 93)) um eine Stellungnahme zu den von Ihnen zusammengestellten Fragen zu bitten. Zu meiner Überraschung habe ich praktisch umgehend zwei Antworten erhalten, die ich Ihnen anbei (und mit einer zweiten Mail) zukommen lassen möchte. Teil 1: Antwort von Arvid Bell (Bündnis 90 / Die Grünen) (Anmerkung: Der Kandidat ist gerade einmal 21 Jahre alt!) <.

Die Antwort von Arvid Bell ist in fast allen Punkten sehr erfreulich. Zumindest ist es so, daß seine Antworten, uns, den Bürgern, die Möglichkeit bieten, über direkte Demokratie und grundsätzliche wirtschaftspolitische Änderungen mit ihm, dem Parteimitglied, zu reden. Das Gleiche gilt für den Direktkandidaten der Linkspartei, Michael Faber. Auch hier gibt es weitgehende, konstruktive Zustimmungen zu unseren Fragen. Dieses Lob kann ich leider nicht den Direktkandidatinnen der FDP, Gabi Molitor und der SPD, Helga Kühn-Mengel, aussprechen.

Horst Kreil hat zwei Antworten bekommen und zwar von Swen Schulz, SPD, und Kai Wegner, CDU, beide Wahlkreis Berlin-Spandau-Charlottenburg Nord. Swen Schulz ist direkt gewählt worden, Kai Wegner über die Liste. Die Antwort von Swen Schulz ist kurz und nichtssagend, die Antwort von Kai Wegner ist schon detaillierter. Dabei ist interessant, daß er betont, für CDU und CSU zu sprechen. Mit ihm ist es nicht möglich, über eine neue demokratische und wirtschaftliche Ordnung in Deutschland und Europa zu sprechen. Immerhin scheint er Silvio Gesell (lehnt er ab) und Rudolf Steiner zu kennen. Über Rudolf Steiner: > Einigen Grundideen von Rudolf Steiner ist mein Verständnis von Demokratie sehr nahe - insbesondere, wenn es um die persönliche Freiheit geht. Allerdings kann ich seinen Thesen nicht in letzter Konsequenz zustimmen. Der Freiheit des Einzelnen müssen Grenzen gesetzt werden, dort, wo Rechte anderer betroffen sind. <

Selbstkritisch muß ich gestehen, daß es gar nicht so einfach ist, Fragen zu stellen. Damit die dazugekommenen Leser wissen, um was es sich bei diesem Artikel handelt, veröffentliche ich noch einmal die ursprünglichen Fragen in dem Rahmen.

Ich bitte meine Leser um Verständnis, daß ich die Antworten der Bundestagskandidaten nicht im vollständigen Originaltext veröffentlichen kann.

 
     
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