Dieter Kersten - November / Dezember 2005    
 
Wer wird unser Land regieren? - Teil II  
     
 

Es ist nicht mein Geschäft, mir Sorgen über das parteiistische System und ihre Führer/Vertreter zu machen. Oder doch? Noch bestimmen die Parteien und die hinter ihnen stehenden Kräfte/Mächte das Schicksal des Volkes. Das Volk hat keine Chance, sein politisches/soziales Schicksal wenigstens mitzubestimmen. Meine Vorstellungen, die auf Artur Mahraun zurückgehen, das Wahlvolk in Nachbarschaften von ca. 500 Wahlberechtigten aufzuteilen, um erst einmal Aussprache-Räume (Auge in Auge) zu schaffen, ist weit von der Verwirklichung entfernt.

In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 30. September schreibt Wolfgang Lieb unter der Überschrift > Hörnerschlagen - Große Koalition - Stellungskampf um die Agenda Plus < u.a.: > Wir erleben eine Groteske sondergleichen: Gerhard Schröder verspielte mit der Agenda 2010 und seiner sozial unausgewogenen "Reform"- Politik Wahl für Wahl das Vertrauen in die SPD und entzog sich, als er keinen anderen Ausweg mehr sah, Kritikern aus den eigenen Reihen durch den Neuwahl-Coup. Während der Wahlkampagne übernahm er dann rhetorisch die Argumente seiner Kritiker von links und projizierte die soziale Ungerechtigkeit auf Union, Kirchhof und FDP. Mit dieser Taktik gewann er einen Teil des verlorenen Vertrauens zurück, feierte das als sagenhaften Triumph seiner Person und sah darin eine Art Vollmacht, um mit dem noch einmal zugestandenen Vertrauenskredit weiter zocken zu können. Es ist ein Trauerspiel, wie ihm die SPD-Führung diesen Vorschuß der Wähler auf eine sozialere Republik als Spielgeld zur freien Verfügung überläßt. Der Wahnsinn hat allerdings wieder einmal Methode: Die Agenda-Verfechter in Partei und Fraktion blockieren, indem sie ihren Kanzler wie eine Monstranz vor sich hertragen, erneut jedes Nachdenken über eines der schlechtesten Wahlergebnisse der Sozialdemokratie seit langem. Sie nutzen Schröder - Wahlkampfversprechen hin oder her - als Faustpfand für eine "konsequente Fortsetzung" seiner Agenda-Politik gegen alle Aufweichungstendenzen. Der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler ließ in der ihm eigenen Betonköpfigkeit die Katze aus dem Sack, als er ... fragte: Wer außer Schröder solle denn "die Politik einer Großen Koalition im SPD-Parteivorstand erfolgreich durchfechten?" Im Klartext: Nach dem Bruch der Wahlversprechen von 1998 und 2002 soll die SPD auch künftig nach Schröders Melodie tanzen und der Wähler ein drittes Mal vorgeführt werden. Bei der Union läuft der Hase nicht viel anders: Zwar gibt es durchaus - etwa vom Arbeitnehmerflügel in Gestalt des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Laumann ("Die Partei war zu wenig für die Arbeitnehmer da") oder des CSU-Politikers Seehofer ("Eine Volkspartei muß immer wirtschaftskompetent und sozialkompetent sein") - Kritik am Kurs der "emotionalen" Kälte der Merkel und Merz. Über die Gründe für das miserable Abschneiden der Union soll - so Christan Wulff - "aber erst nach einer Regierungsbildung zu reden sein". Auch bei der Union sorgen die Verfechter der "Agenda im Quadrat" durch ihr Festhalten an Merkel dafür, daß jede soziale Kurskorrektur unterbleibt. <

Wirtschaftskompetent? Sozialkompetent? Demokratiekompetent?

Wir wissen nicht, was hinter den Kulissen passiert. Welchen vermeintlich erpresserischen Druck Wirtschaftsverbände und andere Lobbyisten ausüben. Solche Methoden gehen immer am Volk vorbei und auch gegen das Volk, solange es nicht informiert und in die Lage versetzt wird, die Informationen zu besprechen. Es ist eine Lüge machtgeiler und kriminell bestimmter Politiker und Manager, zu meinen, daß das Volk nicht in der Lage ist, selbstbestimmend tätig zu sein.

Sicher, solange die Bildung und die Aufklärung in einem Staat keine Priorität hat - wie eben in dieser Bundesrepublik Deutschland - entzieht man dem Volk die Fähigkeit des Urteils. Das wissen Merkel, Stoiber, Schröder und Co. Deshalb wird Schule und Ausbildung in der "Großen Koalition" einen gelegentlich rhetorisch hohen, in der rauen Wirklichkeit aber einen extrem niedrigen Stellenwert haben.

Um so bedauerlicher ist es, daß es solchen Organisationen, wie Mehr Demokratie, an Demokratiekompetenz fehlt: > Sehr geehrter Herr Kersten, ich wollte Ihnen mitteilen, daß wir zunächst keine Fragen mehr von Ihnen auf unserer Seite freischalten werden, da Sie es mit der Anzahl Ihrer Fragen leider etwas übertreiben.<. Das ist der erste Satz aus der Email von kandidatenwatch.de, die ich in der Oktober-Ausgabe auf Seite vier veröffentlichte. Nun habe ich mit Hilfe des Berliner Repräsentanten von Mehr Demokratie e.V., Herrn Wilhelmi, Antwort bekommen: > Sehr geehrter Herr Kersten, die Moderation von kandidatenwatch.de entwickelte sich im laufenden Betrieb fort. D. h. wir mussten den Moderationscodex aufgrund veränderter Anforderungen weiterentwickeln. Von Anfang an sollte der Zugriff in erster Linie einem Wahlkreis vorbehalten sein, aber es waren noch keine Höchstgrenzen für die Anzahl der Fragen gesetzt worden. Die späteren Beschränkungen hatten 2 Gründe: Die Moderatoren sollten das Frage- und Antwortaufkommen bewältigen können und die KandidatInnen auch. Als Richtwert für die Anzahl der Fragen wurde 1ne Frage pro Wahlkreiskandidat eingeführt. Unsere Überprüfungsmöglichkeit war lediglich die Anzahl der Fragen die ein Fragesteller an einen Kandidaten schon gestellt hatte und wann. Selbstverständlich sollten insgesamt mehrere Fragen gestellt werden dürfen, jedoch nicht direkt hintereinander, wie schon oben erwähnt, um die Akzeptanz der Kandidierenden nicht zu verlieren. Mit Fragenkatalogen an alle Kandidierenden macht es sich der Fragesteller leicht, aber er ignoriert die Fragen der anderen und die Antworten darauf. Insgesamt haben wir es uns nicht leicht gemacht und prinzipiell alle Fragen und Antworten (insg. über 20000) gelesen und so wenig wie möglich moderiert. Auch Herr Herrmann hat keineswegs selbstherrlich moderiert. In der Regel wurden Moderationen in der Gruppe besprochen. Und es wurden ja auch nicht alle bis auf eine Frage moderiert sondern 3 bzw. 4 Fragen durchgelassen. Wären die moderierten Fragen später noch einmal gestellt worden, wären sie auch freigeschaltet worden. Ich hoffe ich konnte etwas Verständnis für unser Moderationsverhalten wecken und verbleibe mit freundlichem Gruß Ulf Herder, Mehr Demokratie e.V. Landesverband Hamburg, Mittelweg 11-12
20148 Hamburg tel: 040-317 69 10 0
fax: 040-317 69 10 28 <

Ich wollte Ihnen mitteilen, lieber Leserin, lieber Leser, daß ich an Stil und Schreibweise nichts verändert habe. Inhaltlich ist die Antwort systemimmanent, soll heißen, daß sie in dem Stil abgefaßt wurde, in dem Behörden und Parteien aufmüpfige Bürger abfertigen. Merken sollten Sie sich dabei, daß Zensur nunmehr Moderation heißt. Es scheint mir ganz sicher zu sein, daß die Macher von kandidatenwatch.de die Parteien-Vertreter schützen wollten.

Dennoch denke ich, daß die Idee von kandidatenwatch.de gut ist, und daß sie weiter verfolgt werden sollte. Ein klares, basisdemokratisch abgestimmtes Regelwerk, welches den Redakteuren keine Chance zur Manipulation gibt, ist notwendig. Dieses Regelwerk ist auf der Hauptseite der Webseite zu veröffentlichen. Die Freiheit der Macher hört da auf, wo die Freiheit des nutzenden Bürgers anfängt.

Wenn das so gehandhabt wird, könnte Mehr Demokratie tatsächlich zu einem Kontrastprogramm in der politischen Landschaft der BRD werden.

Die Nachbarschaften, um auf den ersten Absatz dieses Beitrages zurückzukommen, sollen natürlich mehr als nur Gesprächskreise sein. Sie sollen mitbestimmen, Bürokratie und Parteien kontrollieren, wirklich Verantwortung wahrnehmen, ohne Bevormundungen. Die Parteienvertreter können sich über diese Entlastung freuen, da sie Zeit finden werden, politisch kreativ tätig zu werden. Das Gerangel um die Macht um jeden Preis fällt weg, die Lobbyisten werden arbeitslos.

Es wird nicht mehr heißen, jeder gegen jeden, sondern der Gemeinschaftswille wird herrschen.

 
     
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