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... gemeint war damit in einem Artikel der Berliner Zeitung, Mitte Juni, Kanzleramtschef Thomas de Maizière, der anläßlich einer Veranstaltung der Heinz-Schwarzkopf-Stiftung/Junges Europa am 12. Juni einige überraschend offene Einschätzungen bezüglich Deutschlands und Europas einem ausgewählten und interessierten jungen Publikum mitteilte. Im ersten Teil ging es um Bedingungen, Voraussetzungen und Folgen einer deutschen Führungsrolle in Europa. Quintessenz: Deutschland sei als größtes Land – ob’s beliebe oder nicht – eine europäische Führungsmacht – und wer sollte es auch sonst sein. Allerdings teile es diese Führung mit anderen und nehme sie in variablen Gruppen und indirekt wahr. Wichtig seien weiterhin die Zusammenarbeit mit Großbritannien, ein Rollenverständnis als Anwalt der kleinen Staaten Ostmitteleuropas und die Fähigkeit, sich zwischen den informellen Gruppen innerhalb der EU geschickt zu bewegen.
“Führung fängt zuhause an“, so de Maizière. Was er damit meinte: Die Bevölkerung müsse emotional mehr für Europa gewonnen werden. Es existiere ein neuer Begründungszwang für deutsche Europapolitik; diese müsse der Bevölkerung nüchterner und klarer und mehr als deutsche Interessenpolitik dargestellt werden, da sonst die Zustimmung zu Europa in der deutschen Bevölkerung in wenigen Jahre zusammenbrechen werde. Dazu gehöre auch, daß eine Führungsrolle Europas in der Welt automatisch die Akzeptanz einer deutschen Führungsrolle (neben anderen) in Europa durch die Bevölkerung verlange und dies setze voraus, daß europäische Entscheidungsprozesse für die Menschen transparenter seien und schneller abliefen.
Deutsche Interessen sollten klar, zielbenannt und kompromissfähig sein und vorgetragen werden. Es biete sich das Modell einer „moderierenden Führung“ an, doch in Krisensituationen müsse natürlich die Fähigkeit zu entschlossenem Handeln vorhanden sein.
Brisant wurde es dann bei der Frage der europäischen Verfassung und der herannahenden deutschen Ratspräsidentschaft ab Januar 2007. Ziel Deutschlands bleibe die echte europäische Verfassung, doch sei das wohl im Moment gegen die Mehrzahl der EU-Mitglieder nicht durchzusetzen (SIC!). Wahrscheinlicher sei wohl eher eine Generalüberholung der europäischen Verträge, außerdem eine Verbesserung der institutionellen Strukturen und der innereuropäischen Zusammenarbeit.
Bezüglich Rußlands legte de Maizière Deutschlands Interesse an einem stabilen östlichen Nachbarn dar. Rußland habe größere Migrationsprobleme als Deutschland, außerdem zusätzlich Ausfransungen in den islamischen Bereich. Auch er sehe die Diskrepanz zwischen Stabilität und Demokratie in Russland; zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Elements dort deshalb müsse es möglichst viel Vernetzung zwischen Deutschland und Russland geben.
Ein bißchen Wasser in den deutsch-europäischen Zukunftswein goß de Maizière am Ende dann doch noch. Es sei möglich, daß Deutschlands Einfluß in der EU zukünftig kleiner werde, wenn bei zunehmender Alterung der Bevölkerung die statisch-antimoderne Haltung noch weiter zunehme.
Soweit die Stimme aus dem Kanzleramt.
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