Oliver Willing - November / Dezember 2006

   
 

Saatgut - Der Keim für die Zukunft

 
     
 

(D.K.) Mit freundlicher Genehmigung habe ich den nachstehenden Text den WELEDA-Nachrichten Weihnachten 2002, Heft Nr. 228, entnommen.

Von Alters her stehen für die menschliche Ernährung eine unglaubliche Vielzahl an Sorten und Arten der unterschiedlichsten Pflanzen in der Landwirtschaft und im Gartenbau zu Verfügung. Saatgut hatte in fast allen Kulturen eine besondere Bedeutung und war eng mit dem spirituellen Leben verbunden. Das Hüten des Saatgutes und die Bestimmung von Aussaatzeitpunkten fand durch Priester und Priesterinnen statt, vor der Aussaat gab es religiöse Zeremonien. Inzwischen ist das Kulturgut Saatgut zu einem Wirtschaftsgut geworden und die Kulturpflanzenvielfalt bedroht: In den letzten hundert Jahren sind nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO über 75 Prozent der Sorten verloren gegangen.

Zudem wurden fast alle großen Züchtungsunternehmen von multinationalen  Chemie- oder Lebensmittelkonzernen aufgekauft. Somit rücken bei der Saatgutzüchtung weltweit Gesichtspunkte wie Ertragsmenge, weltweite Anbaufähigkeit, Herbizidresistenz und Patentierung in den Vordergrund. Das Verständnis der Pflanze wird von einem materialistischen Reduktionismus geprägt, der in der Gentechnik seinen Siegeszug hält. Viele Wissenschaftler sind fasziniert von den scheinbaren Möglichkeiten und sowohl der Staat als auch viele Firmen investieren in den letzten Jahren Milliardenbeträge in die grüne Gentechnik in der Hoffnung auf Arbeitsplätze und Gewinne.

Grüne Gentechnik - Der Geist aus der Flasche?
Die Wirklichkeit ist jedoch komplex und vielschichtig: Über 90 Prozent der Gene der meisten Organismen sind inaktiv und wurden daher vor einigen Jahren voreilig "Schrott-Gene" genannt. Doch sobald man ein Genom technisch manipuliert, kann es passieren, daß einzelne der inaktiven Abschnitte plötzlich aktiv werden und es zu unvorhersehbaren Veränderungen dieses Organismus kommt. Unter der Überschrift: "Alle Klone genetische Krüppel?" berichtet die FAZ am 18. September 2002 über Probleme beim Klonen von Mäusen: "... denn offenbar ist das genetische Programm der geklonten Tiere, ob äußerlich gesund oder nicht, an vielen Stellen gestört."

Auch neueste Möglichkeiten der Analyse von Stoffwechselvorgängen in Pflanzen zeigen, daß genetisch veränderte Pflanzen nur noch eine reduzierte Stoffwechseltätigkeit haben. Die Stoffwechselsymptome sind vergleichbar mit denen kranker oder sterbender Lebewesen. Dagegen sind die Stoffwechselprodukte der genetisch nicht veränderten Vergleichspflanzen in Art und Menge vielfältiger. Gentechnik zeigt sich auch hier als ein schwerwiegender Eingriff, der vielfach zum Absterben führt. Um eine genetische Veränderung in einer Pflanzenpopulation zu etablieren, sterben Abertausende der Versuchspflanzen. Nur einige wenige überstehen den Eingriff und werden mit viel Chemie und Hormonen am Leben erhalten.

Obwohl seriöse Wissenschaftler auf die vielen ungelösten Fragen und Verständnisprobleme in der Genetik verweisen, drängen weltweit führende Gentechnik-Konzerne wie z.B. Monsanto, Bayer und Syngenta auf den Einsatz ihrer genmanipulierten Saatgut-Sorten. Doch der  Einsatz der Grünen Gentechnik in der Natur erinnert an die "Befreiung" des Geistes aus der Flasche wie im gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm: Einmal großflächig "freigesetzt" wird sie sich nicht mehr vom Menschen kontrollieren lassen, über Bienen, Insekten und den Blütenstaub auskreuzen. Insbesondere über das Saatgut der Wild- und Kulturpflanzen verfügt sie über ungeahnte Vermehrungsraten. Dadurch wäre nicht zuletzt der Kräuter- und Heilpflanzenanbau der Weleda oder die Sammlung von Wildkräutern betroffen.

(D.K.) Den nachfolgenden Text entnehme ich dem ARGENTINISCHEN TAGEBLATT vom 15. November 2003.

Täglich 105 Hektar weg

Frankfurt/Main (dpa) - Die Landwirtschaft in Deutschland hat 2002 täglich im Schnitt 105 Hektar Fläche an Wohnungen , Industrie und Verkehr verloren. Damit habe sich der Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche im Vergleich zum Vorjahr zwar abgebremst, von einer Trendwende könne aber noch nicht gesprochen werden, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen, am Donnerstag voriger Woche in Frankfurt. Wesentlicher Grund für den Rückgang sei nämlich nicht der sparsamere Umgang mit der Fläche, sondern die konjunkturelle Entwicklung mit dem Einbruch bei den Bauinvestitionen. Das Ziel der Bundesregierung, im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie den Flächenverbrauch drastisch zu senken und im Jahr 2020 täglich nicht mehr als durchschnittlich 30 Hektar Fläche für neue Bebauung zu nutzen, sei noch weit entfernt. Immerhin sei der Zuwachs gebremst, sagte Hahlen. Zwischen 1993 und 2000 war der Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr noch von 120 Hektar auf 131 Hektar pro Tag gestiegen. 2001 war der Verbrauch erstmals auf 117 Hektar täglich gesunken.

(D.K.)  Um Ihre Vorstellungskraft zu unterstützen: 1 Hektar sind 10 000 m². Wenn Ihre Wohnung 50 m² groß sein sollte, dann passen auf 1 Hektar 200 Wohnungen usw. usf.

Freisetzungs-Experimente durch die Hintertür?
Obwohl 70 Prozent der EU-Bürger nach der letzten Umfrage der EU keine Gentechnik in ihrem Essen wünschen und auch die Mehrzahl der deutschen Bauern den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ablehnt, hat die EU-Kommission eine Saatgutgesetzgebung vorgelegt, die zur Verbreitung solcher Pflanzen beiträgt: Nach einem Richtlinienentwurf soll jegliches Saatgut zwischen 0,3 und 0,7 Prozent GVO enthalten dürfen, ohne daß dies auch nur gekennzeichnet werden müßte.

Die Konsequenzen wären verheerend: Die gesamte Anbaufläche der betroffenen Arten (z.B. Raps, Mais, Kartoffeln) könnten dann durchsetzt sein von GVO, ohne daß die Bauern dies kontrollieren und vermeiden könnten. Die Auskreuzung und mögliche Rückeinkreuzung mit wilden Verwandten wäre ebenso wenig zu kontrollieren wie die Überwinterung von GVO. Besonders hart wären Biobauern und -züchter betroffen, die aufgrund ihrer eigenen wie auch der gesetzlichen Richtlinien zum vollständigen Verzicht auf GVO verpflichtet sind.

Engagement für die Reinhaltung des Saatguts: SOS - Save our Seeds
Gegen die Richtlinie der Kommission hat sich ein breiter Widerstand formiert. Der Initiative "Save our Seeds" der Zukunftsstiftung Landwirtschaft haben sich über dreihundert Organisationen mit mehr als 25 Mio. Mitgliedern und bisher mehr als 80 000 Einzelpersonen angeschlossen. Gefordert wird ein striktes Reinheitsgebot für Saatgut. Zudem wird verlangt, daß Kosten und zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht den Bauern und Verbrauchern angelastet werden dürfen, die lediglich so weiter produzieren und konsumieren wollen wie bisher. Am 14. Oktober 2002 wurde die Petition der EU-Kommission in Brüssel übergeben. Weiterhin werden noch Unterschriften gesammelt.

Damit die Gentechnik nicht auf Grund unzulänglicher Gesetze über kurz oder lang den ökologischen Landbau in Europa unmöglich machen und die Sammlung von Wildkräutern sowie den Anbau von Heilpflanzen gefährden kann, bedarf es eines großen Engagements der Verbraucher und kritischer Fachleute. Dieses Engagement will die Zukunftsstiftung Landwirtschaft durch enge Kooperation und Vernetzung mit den unterschiedlichsten Partner vorantreiben. Gemeinsames Ziel ist die Wahlfreiheit der Verbraucher und die uneingeschränkte Ausübung der ökologischen Landwirtschaft!

Gleichzeitig fördert die Zukunftsstiftung ökologische und biologisch-dynamische Saatgutzüchtung als positive Alternative: Sorten, die sich von Beginn an unter den Bedingungen des ökologischen Landbaus entwickeln und sich durch Geschmack, Reifefähigkeit, Widerstandsfähigkeit etc. auszeichnen.

 
     
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