|
In der Diskussion über den Klimawandel, den wir heute erleben, wird als Hauptursache die Zunahme des CO2-Anteils in der Atmosphäre gesehen. Dabei werden die Veränderungen, die sich durch den Anstieg der Radioaktivität in der Atmosphäre ergeben, völlig außer Acht gelassen. Der nachfolgende Text erläutert die Zusammenhänge zwischen Klimaveränderung und der Zunahme von Radioaktivität in den letzten 60 Jahren.
Milchstraße
Als ich ein Kind war, stieg mein Vater mit mir in einer kalten Winternacht auf den Turm der Schule, in der er als Physiklehrer unterrichtete. Gemeinsam bauten wir das Schulfernrohr auf, und er zeigte mir voller Stolz die Milchstraße. Die unzähligen Sterne beeindruckten mich tief. Ich fühlte eine starke Verbundenheit mit meinem Vater, der Milchstraße und dem Universum. Damals erwachte in mir den Wunsch, viel mehr über diese Dinge zu erfahren.
Auch zu meiner Mutter fühlte ich damals eine starke Verbundenheit, denn sie hatte uns ermahnt, Mütze, Schal und Handschuhe mitzunehmen. Das bewahrte uns vor Erfrierungen in der wohl kältesten Nacht im Winter 1946/47.
Autoscheiben
Warum ist es in klaren Winternächten eigentlich so eiskalt? Eine Erklärung findet man in dem Teil der Physik, der sich mit der „Wärmestrahlung“ beschäftigt. Das Phänomen, das hier eine entscheidende Rolle spielt, können Autobesitzer an kalten Wintertagen mit klarem Himmel beobachten. Wenn sie ihre Scheiben mit dem Eisschaber freikratzen, bemerken sie, daß Front- und Heckscheibe meist deutlich mehr vereist sind, als die Scheiben an den Seiten. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Jeder Körper – ob warm oder kalt, und egal, woraus er besteht – sendet ständig Wärmestrahlung aus, die stark abhängig von der Temperatur des jeweiligen Körpers ist. Im T4 Gesetz (T-hoch-vier-Gesetz) von Stefan Boltzmann wird dieser Vorgang beschrieben. Auch scheinbar völlig kalte Körper strahlen Wärme ab, wenn sie sich in einer noch kälteren Umgebung befinden. Infrarotkameras können das sehr gut sichtbar machen.
Andererseits empfängt jeder Körper die Strahlung der ihn umgebenden Gegenstände. Diese Strahlung wird so lange von ihm aufgenommen, bis sich ein Temperaturausgleich einstellt. Hierbei spielt es keine Rolle, wie weit entfernt diese anderen Gegenstände sind. Stehen sich nun zwei Gegenstände mit verschiedenen Temperaturen gegenüber – zum Beispiel eine Autoscheibe und eine Hauswand – so sendet der wärmere Körper, hier die Hauswand, mehr Energie ab, als die kältere Autoscheibe. Die Autoscheibe empfängt also von der wärmeren Hauswand ständig Energie. Daher vereist die Scheibe parallel zur Hauswand auch in kalten Nächten kaum oder gar nicht.
Anders ist es bei Autoscheiben, die in den Himmel schauen. Ist der Nachthimmel klar, findet ein Strahlungsaustausch zwischen ihm und der Scheibe statt. Der Himmel strahlt so, als hätte er eine Temperatur von – 270 °C (2,7 Kelvin). Er strahlt also eiskalt. Die Autoscheibe hingegen strahlt ihre ganze Wärme mit Lichtgeschwindigkeit in den Nachthimmel – auf nimmer Wiedersehen. Dieser Wärmeverlust macht sie eiskalt und läßt sie schließlich vereisen.
Was hier am Beispiel der Autoscheibe erläutert wurde, gilt für die gesamte Erdoberfläche. Alle Gegenstände auf der Erde geben nachts ihre Wärme, nahezu im rechten Winkel zur Erdoberfläche, an den Nachthimmel ab. Auf diesen Kühleffekt sind die Erde und unser Klima dringend angewiesen.
Am Tag werden durch die Sonne alle Körper auf der Erdoberfläche wieder erwärmt. Der Grad der Erwärmung hängt dabei vom Einstrahlwinkel der Sonne ab. Je kleiner der Einstrahlwinkel ist, desto geringer ist die Erwärmung. Am Äquator ist die Einstrahlung besonders intensiv, denn sie trifft fast senkrecht auf die Erdoberfläche. An den Polen taucht die Sonne nur kurz am Horizont auf, daher sind diese Bereiche deutlich kälter.
Wolken
Ist der Himmel bewölkt, findet der Strahlungsaustausch nicht mehr zwischen Nachthimmel und Erdoberfläche, sondern zwischen Wolken und Erdoberfläche statt. Das schränkt den Kühleffekt des Nachthimmels stark ein und erklärt auch, warum in den Wüstenregionen des Äquators die Nächte sehr kalt und die Tage sehr heiß sind: Es gibt kaum Wolken, und die Sonneneinstrahlung tagsüber erfolgt nahezu senkrecht.
Die Wolken wiederum strahlen von ihren Obergrenzen die Wärme an den Nachthimmel ab, die sie vorher von der Erdoberfläche erhalten haben. Dazu muß die Wärme die Wolken durchwandern. Dies geschieht zum Teil durch Strahlung, aber auch durch „Wärmeleitung“, die im Gegensatz zur Strahlung jedoch mehr Zeit benötigt – und die Nacht ist schnell vorbei. Die Wolken wirken wie eine große Daunendecke über der Erde und halten sie in der Nacht warm. Die Sonne am Tageshimmel kann durch ihre hohe Strahlungsintensität auch diese Daunendecke zum Teil auflösen oder durch sie hindurchdringen und damit ihre Wärme direkt auf die Erdoberfläche einstrahlen. Im Gegensatz dazu kann der Nachthimmel keine Wolken auflösen und die Erde abkühlen.
So entsteht ein sensibles Temperaturgleichgewicht zwischen der Energieeinstrahlung am Tag durch die Sonne und ihre nächtliche Abstrahlung in den Nachthimmel. In den letzten Jahrzehnten ist dieses wichtige Temperaturgleichgewicht offensichtlich aus der Balance geraten.
Thermodynamisches Ungleichgewicht
Um das Ganze näher zu beleuchten, möchte ich einen kleinen Abstecher in die Thermodynamik machen, und zwar in den Teil, der sich mit der Meteorologie (Wetterkunde) beschäftigt. Unter welchen Bedingungen bilden sich Wolken, und wann regnet es?
Die Thermodynamik kann beschreiben, wie viel Wasserdampf bei welchem Luftdruck und welcher Temperatur in der Atmosphäre vorhanden sein muß, damit sich Wolken bilden oder auflösen. Aber nicht immer verhält sich das Wetter so, wie die Meteorologen es vorhersagen. Denn manchmal gibt es „Ungleichgewichtszustände“ die in den Van-der-Waals-Gleichungen beschrieben werden. Während die Gleichgewichtszustände der Thermodynamik heute genau bekannt sind, sind Vorgänge der thermodynamischen Ungleichgewichte von Mehrstoffsystemen kaum erforscht. Beim Wetter herrschen oft solche Ungleichgewichte, da die Luft ein Gemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und Wasserdampf ist.
Nach der Gleichgewichtsthermodynamik müßten sich bei genügend Wasserdampf in der Atmosphäre Wolken bilden. Passiert das nicht, hat sich dieser Wetterzustand in ein Ungleichgewicht verschoben: Der Himmel ist klar, obwohl er bewölkt sein müßte. Besonders im hohen Norden und in der Wüste ist das oft der Fall.
Der Nachthimmel ist nicht mehr so klar wie vor 60 Jahren
Heute ist der Nachthimmel tatsächlich nicht mehr so klar wie vor 60 Jahren. Es gibt eine Menge Dunst, der ständig in der Atmosphäre festhängt. Wie es dazu kommt, läßt sich sehr anschaulich mit der Wilsonschen Nebelkammer erklären. Dieses physikalische Laborgerät ist eine abgeschlossene Kammer mit einem Fenster und einer Handpumpe. Anfänglich befindet sich darin nur Luft. Für das Experiment werden ein paar Tropfen Äther, Alkohol oder Wasser hinein gegeben. Mit der Handpumpe wird ein Unterdruck erzeugt dadurch bildet sich ein gesättigter Dampf. Nach der Gleichgewichtsthermodynamik müßte sich eigentlich Nebel bilden. Doch obwohl alle Bedingungen gegeben sind, kondensiert der Dampf nicht, sondern geht in ein thermodynamisches Ungleichgewicht über. Da sich in der Kammer ein Zweistoffgemisch aus Luft und dem gesättigten Dampf befindet, ist die Nebelbildung blockiert oder verzögert – genau wie beim Wetter.
Bild aus einer Wilsonschen Nebelkammer mit Alphastrahlen;
Bildquelle: Gerthsen Physik, 21. Auflage, aufgenommen von I.K. Bøggild.
Dieses Ungleichgewicht finden wir in vielen Lebensprozessen in ähnlicher Form. Man kann sagen, daß Lebensprozesse sich meist weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht abspielen.
Kommt das gesunde Wetterungleichgewicht schließlich mit Radioaktivität in Berührung, kondensieren unzählige Wassertröpfchen. Um dies zu simulieren, wird in die Wilsonsche Nebelkammer eine radioaktive Probe eingebracht, die Alphateilchen aussendet. Jedes einzelne Alphateilchen hinterläßt auf seiner Bahn eine Kette von Nebeltröpfchen. So läßt sich in der Kammer die Bahn jedes einzelnen Alphateilchens verfolgen und bei Zusammenstößen ihre Bahnablenkung genau vermessen. Für die Erforschung radioaktiver Strahlung ist dieses Experiment deshalb von großer Bedeutung.
Für das Wetter hat der Nebel, der durch die Alphastrahler verursacht wird, eine fatale Folge. Die Alphateilchen schwächen das Ungleichgewicht, und das Wetter verschiebt sich in Richtung Gleichgewicht. Tagsüber strahlt die Sonne durch den Dunst hindurch auf die Erde, aber nachts wird die Wärmeabstrahlung der Erde behindert – sie erwärmt sich immer schneller. Ein einziges Alphateilchen kann eine unvorstellbare Zahl von Wassermolekülen zur Kondensation bringen, also zur Wolkenbildung führen, die ohne radioaktive Alphastrahler nicht eintreten würde. Das thermodynamische Ungleichgewicht am Nachthimmel trägt entscheidend zum klimatischen Gleichgewicht unserer Erde bei. Die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre stört dieses klimatische Gleichgewicht. Die Atomkraftwerke und die in den vergangenen Jahrzehnten durchgeführten Atombombenversuche tragen ganz erheblich zur radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre bei und haben damit einen wesentlichen Einfluss auf den heutigen Klimawandel.
Heute wird die Klimaveränderung vor allem in der politischen Diskussion allein auf die Zunahme des CO2 in der Atmosphäre zurückgeführt. Im Windschatten dieser einseitigen CO2-Diskussion wittern die Atomkraftbefürworter wieder Morgenluft für neue Atomkraftwerke mit dem Argument, diese würden kein CO2 abgeben. Das ist möglicherweise richtig. Doch aus dem Schornstein eines Atomkraftwerks werden immer noch erhebliche Mengen Radioaktivität abgegeben.
Uran zerfällt in 24.000 Jahren um die Hälfte. |
|