Günter Dick - November / Dezember 2009

   
 

Bleibt die wahre Demokratie Utopie?
Erinnerungen an Artur Mahraun

 
     
 

(D.K.) Ein Leser verwies mich auf einen Beitrag vom Günter Dick in dem Rundbrief DIE MITARBEIT II/2000.  Die Direkte Demokratie mit Hilfe von Nachbarschaften nach Artur Mahraun ist vom Anfang der NEUEN POLITIK an (1956) bis heute einer der Reformvorschläge für Demokratie in unserem Land. Über Mahraun finden Sie sowohl unter www.neuepolitik.com als auch in der beiliegenden Bestelliste allerhand Literatur.

Artur Mahraun und sein Streben nach aktiven Nachbarschaften geriet zu Unrecht in Vergessenheit. Vor 50 Jahren (D.K. am 27. März 1950) verstarb Artur Mahraun in Gütersloh an den Spätfolgen seiner Mißhandlungen, die ihm 1933 durch Nazischergen nach seiner Verhaftung in Berlin zugefügt wurden.

Nur glückliche Umstände verhalfen ihm damals, das »Dritte Reich« nach seiner Freilassung im »Untergrund« zu überleben. Aber noch in der Gründerzeit der Bundesrepublik hat er seine während der Weimarer Republik entwickelten staatstragenden Ideen (Jungdeutsches Manifest, 1927) u.a. in seinen Schriften »Politische Reformation« und »Protest des Individuums« (beide 1949) veröffentlicht, jedoch wurden sie von den neu entstehenden Parteien leider nie beachtet.

Sein Idealbild eines Staatsaufbaues gründete auf kleine miteinander vernetzte Gemeinschaften (Nachbarschaften/Wahlbezirke/Wohnquartiere). Doch paßte dies einfach nicht in das Weltbild der alimentierten Parteienlandschaft.

Obwohl sich in den frühen 50er Jahren vor allem in Norddeutschland über 500 organisierte Nachbarschaften bildeten, die sich redlich bemühten ihr Wohnumfeld in Zusammenarbeit mit den Parteien selbst mitzugestalten, erlahmte der direkte Einsatz der Bürgerschaft mehr und mehr. Hierzu beigetragen haben sowohl die gesellschaftlichen Veränderungen in den 50er Jahren (Wohlstand/Fernsehen/Mobilität), als auch die Anmaßung der Parteien das Alleinrecht zu besitzen, über das Wohl und Wehe in der Kommune allein bestimmen zu müssen und dabei verständlicherweise auch die nötigen Finanzmittel »repräsentativ« aus den Steuertöpfen herausholen zu dürfen.

Erst in den letzten Jahren findet recht langsam eine Rückbesinnung statt, da auch einige Parteivorstände sehr wohl die Gefahren erkennen, die darin liegen, wenn sich immer mehr Bürger und Bürgerinnen der politischen Mitarbeit verweigern. Wenn sich immer mehr bloße Karrieristen mit videogenen »Sprechblasen« und das auch noch nur aus ganz bestimmten Berufsgruppen beschränkt (im doppelten Sinne des Wortes!) in den Parteien breit machen, kann daraus auf Dauer nicht Gutes für das Gemeinwesen erwachsen. Mahraun hat schon damals in der Weimarer Republik diesen schleichenden Vorgang erkannt.

Globalisierung erfordert im Grunde eine Regionalisierung. Das ist nicht allein bei der Agenda 21 so erkannt worden, auch die politische Mitwirkung der interessierten Bürgerschaft, selbst ohne Parteibuch, muß auf allen Gebieten der Kommune ermöglicht und gefördert werden.

Volksentscheide auf Landes- und Bundesebene können auch ein Weg zu mehr Demokratie werden. Sie scheitern dann, wenn diese »plebizitäten Elemente« zum Spielball finanzstarker Patei-Ideologen werden, die es schon immer verstanden haben, unorganisierte Volksmassen mit gezielt emotionalen Desinformationen in ihre Richtung zu bewegen. Diese latente Gefahr sollten auch die Verfechter ausschließlich von Volksbegehren und Volksentscheiden auf keinen Fall verkennen.

Kein Geringerer als Altbundespräsident Roman Herzog hat eigentlich die Wertvorstellung Artur Mahrauns voll bestätigt, als er sagte: »Ohne Einsatz des Einzelnen für die Gemeinschaft ist jedes Gemeinwesen überfordert«.

Solange man dies aber nur so daher sagt und nicht gezielt fördert und organisiert, muß wohl die »wahre Demokratie«, nicht nur in Deutschland und Europa, Utopie bleiben. Ja, es bleibt zu fürchten, daß die heute »existierende« Demokratie, die auf jeden Fall jeglicher Form von Diktatur vorzuziehen ist, durch arrogantes Handeln der politischen Kaste gänzlich zugrunde gerichtet wird.

 
     
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