Marco Meng - November / Dezember 2009

   
 

Banken schwimmen in Geld – doch die Wirtschaft sitzt auf dem Trockenen

 
     
 

Wenn die Wirtschaft wieder in Gang kommen soll, brauchen Unternehmen eine funktionierende Kreditversorgung. Immer mehr mittelständische Unternehmen klagen indes, schwieriger an Kredite zu kommen, während die Banken, die besonders den deutschen Mittelstand zur Klientel haben, immer öfter Ausfälle durch die Zahlungsunfähigkeit der Kreditnehmer verbuchen müssen.

Für manchen Beobachter sieht es so aus, als würden sich jetzt die Banken, deren „Finanzinnovationen“ die Misere ja verursacht haben, mit Hilfe des billigen Geldes der Zentralbanken selbst sanieren, während man den Teil der Wirtschaft, den man so schön „Realwirtschaft“ nennt, links liegen läßt. Die niedrigen Zinsen werden nicht an Handel und Industrie weitergegeben, im Gegenteil: die Realwirtschaft muß zum Teil hohe Zinsen zahlen, da die Banken nun das Risiko der Kreditvergabe bezahlt sehen wollen.

"Immer mehr Unternehmen fehlt es an Liquidität", erklärt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Heinrich Driftmann.
Die Lehren aus der Finanzkrise hat man anscheinend noch nicht gezogen – am wenigsten die Banken selbst. Wenn Deutsche-Bank-Chef Ackermann unverändert eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent als Ziel ausgibt, grenzt das nicht an einen Verstoß wider die guten Sitten? Kunden der Deutschen Bank werden anscheinend besonders geschröpft. Da paßt es, daß die Deutsche Bank vor kurzem auf die Gesamtsumme des Überziehungskredits, den man Geschäftskonten einräumte, ein Prozent Zinsen berechnen wollte – wohlgemerkt, nicht für die Summe, mit der man das Konto überzog, sondern für den Teil, der von der Bank eingeräumt, aber überhaupt nicht in Anspruch genommen wurde. Zur Begründung führte das Institut „veränderte Preiskalkulationen am Markt“ an. Nach Kundenprotesten hatte man das fallen gelassen und erklärt, es habe sich lediglich um eine „regional begrenzte“ Aktion im Raum Hamburg gehandelt. Man ist also wirklich „innovativ“, wenn es darum geht, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, so möchte man fast denken. War das eigentliche Kreditgeschäft stets nichts anderes als die Vergabe von Buchkrediten, welche man durch Spareinlagen refinanzierte, so werden heute Darlehen verbrieft und weiterverkauft. Am Ende lullten sich die Banken selbst und gegenseitig mit diesen Papieren ein und verloren vollends den Überblick. Statt Kredite zu vergeben, hatte man sich „Finanzinstrumente“ ausgedacht, um noch mehr Profit zu erzielen, letztendlich auf Kosten der Anleger.

Qualifizierte Kritiker des Finanz- aber auch des gesamten Wirtschaftssystems, so wie es derzeit beschaffen ist, gibt es genügend. Zum Beispiel der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik, der schon seit langem den Götzen des Shareholder-Value kritisiert. Die Idee des Shareholder-Values, also die einseitig auf die Interessen der Aktionäre ausgerichtete Unternehmensführung sieht er als eine der Hauptursachen für die weltweite Finanzkrise. Schnelle Gewinne waren jahrzehntelang die Messlatte, an denen sich Top-Manager  maßen. Doch solche Gewinne zu machen ist nicht schwer, wenn man nicht auf die Zukunft achten muß. Sobald der Börsenkurs kurzzeitig explodiert, steigt damit auch Gehalt, Bonus und Abfindung des Managers. Wenn das Unternehmen dann kurz darauf Verluste schreibt, wie beispielsweise Arcandor – was soll´s! Die meisten Aktionäre sind heute professionelle Investoren, die überhaupt nicht an einem Unternehmen interessiert sind. Ihr Ziel ist die Rendite, und je kurzfristiger, um so besser. Man braucht da eigentlich kein Wirtschaftswissenschaftler zu sein, um zu ahnen, daß so etwas nicht lange gut geht.

Nach Bernd Senf, bis 2009 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin, muß insbesondere über das Zinssystem nachgedacht werden. Zins und Zinseszins bewirken für die Geldanleger, daß sich deren Vermögen vermehrt. Der Zins allerdings muß erwirtschaftet werden. Da er ständig wächst, muß also auch die Produktion von Jahr zu Jahr wachsen. Daß das nicht lange und erst recht nicht unbegrenzt möglich ist, weiß eigentlich jeder. Ungehindertes Wachstum nennt man in der Medizin übrigens Krebs. Tatsächlich frisst ein System von Zwang zu wachsender Verschuldung sich selbst auf.

Höchstens fünf Prozent der beinahe 1000 Milliarden Dollar, die die Amerikaner nun in Konjunktur-Rettungspakete investieren, kommen schätzungsweise in der Wirtschaft an. Die Finanzmärkte sind noch immer um ein Vielfaches größer als die Realwirtschaft dies für ihre Investitionen und ihren Handel braucht. Die Volumina sind noch immer aufgebläht: tatsächlich schwimmen die Banken in Europa und den USA in liquiden Mitteln. Wann werden die Konsequenzen gezogen? Wann werden die Banken selbst zur Verantwortung gezogen? Aber bei den Banken selbst, bzw. den Bankvorständen, läuft alles wie geschmiert, das heißt, wie es die weltgrößte Bank, die Schweizer UBS, vormachte: 13 Mrd. Euro hatte man Verlust gemacht, Dividendenzahlung gab es deshalb keine. Gleichzeitig zahlten sich die Manager des Konzerns aber Boni von mehr als einer Milliarde aus. Ist das alles noch normal? Daß hinter jedem „realwirtschaftlichen“ Vorgang heute mehr als ein Dutzend Finanztransaktionen stehen, ist jedenfalls weder normal noch überhaupt sinnvoll. Dabei ist ein großer Teil dieser Finanztransaktionen reine Spekulation und hat mit wirklichem Wirtschaften und echter Wertschöpfung nicht das geringste zu tun.

Statt aber durch klare Regeln das Finanzsystem sicherer zu machen, ging man tatsächlich den von vielen Banken propagierten umgekehrten Weg: im Oktober 2008, als das ganze Ausmaß des Finanzdesasters offenbar wurde, hatte die EU - dem Beispiel USA folgend - die Bilanzvorschriften gelockert, da man meinte, ein Festhalten an der Bewertung nach Marktpreisen werde die Krisensituation noch verschärfen. Diese gelockerten Regeln, die eigentlich den strengen International Financial Reporting Standards (IFRS) widersprechen, besagen, daß für die Zeit, in der Aktiva nicht gehandelt werden können, da der Markt dafür zusammengebrochen ist, diese nicht mehr zu ihrem aktuellen Marktwert bilanziert werden. Die Deutsche Bank verdiente dank neuer Bilanzierung noch 93 Millionen Euro: im Jahr zuvor hatten die Frankfurter unter dem Strich noch 1,63 Milliarden Euro verdient! Die Zahlen auf dem Papier sehen nun zwar besser aus, doch die wahre Vermögenslage wird mehr oder weniger verschleiert. Misstrauen baut man so schwerlich ab, weil sich nun alle fragen: wie würdet ihr nach alter Bilanzierung dastehen? Die US-Investmentbank Goldman Sachs hatte übrigens den internationalen Bankenverband IIF aus Protest gegen diese neuen Bilanzierungsregeln verlassen. Es bestehe, so Kritiker, erneut die Gefahr, Risiken in den Bilanzen zu verschleiern, und aus Gründen der Vergleichbarkeit sei es geboten, weiter nach dem Marktwertansatz zu bilanzieren.

Für den österreichischen Regisseur des Dokumentarfils "Let's Make Money" aus dem Jahr 2008, Erwin Wagenhofer, bringt das aktuelle globale Finanzsystem vor allem Verlierer hervor: „Hier bei uns sind die Märkte gesättigt, also investieren wir dort, wo sich noch etwas verdienen läßt. Und nicht, damit die Menschen dort vielleicht auch eines Tages so viel verdienen wie wir heute, eben genau deswegen nicht., sondern man investiert in die so genannten emerging markets, weil es genau diese Unterschiede gibt… Steigen dann aber die Löhne, ziehen solche Unternehmer ganz schnell weiter. Zurück bleiben kaputte Menschen und eine kaputte Umwelt.”

 
     
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