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Ägyptens Präsident Mubarak ist gegangen. Ist er wirklich gegangen? Er hat seinen Wohnsitz innerhalb Ägyptens gewechselt. Er hat seinen Palast in Kairo verlassen und ist in seinen Palast nach Scharm al Scheich, einem internationalen Badeort, gezogen, der neben den luxuriösen Dependancen internationaler Hotelketten auch mehrere Spielkasinos zu bieten hat.
Das Vermögen der Familie Mubarak wird auf 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Chef selbst soll während seiner Regierungszeit ein Vermögen von 10 Milliarden US-Dollar angehäuft und Großteils ins Ausland verbracht haben. Nach einer anderen Quelle wird das Vermögen der Familie Mubarak von Experten sogar auf 70 Milliarden US-Dollar geschätzt. Mubarak dürfte einer der reichsten Männer der Welt sein. In diesem Zusammenhang werden Korruptionsvorwürfe gegen Husni Mubarak erhoben.
Ägypten hat 83.082.869 Millionen Einwohner (Wikipedia).
Die Schweiz beeilte sich zu versichern, daß sie das Vermögen Mubaraks beschlagnahmen werde. Andere Finanzzentren Europas und die USA scheinen sich nicht angesprochen zu fühlen.
Die Herrschaft des ägyptischen Militärs
Das Militär in Ägypten hat am 11. Februar die Macht ergriffen, so heißt es in den Nachrichten. In Wirklichkeit regierte das Militär mit und unter Mubarak, einem alten Luftwaffengeneral, seit über 30 Jahre im Ausnahmezustand. Nach Außen und Innen bleibt Mubarak noch Herr und Meister ägyptischer Politik. Das ägyptische Militär hat mit Hilfe der us-amerikanischen Waffenbrüder einen militärisch-industriellen Komplex, ähnlich wie den in den USA, aufgebaut. Ökonomische (materielle) und militärische Interessen sind miteinander verwoben. Dieses undurchsichtige Geflecht us-amerikanischer und ägyptischer Interessen, ausgerechnet auf militärischer Ebene, machen die Versicherungen der US-Regierung, in Ägypten Frieden zu erhalten und Demokratie stiften zu wollen, nun ja, etwas unglaubwürdig.
Mohammed Hussein Tantawi, Feldmarschall, in Nachfolge von Mubarak Vorsitzender des Obersten Rats der Streitkräfte, leitet die Amtsgeschäfte des Staatsoberhauptes. Von 1991 bis 2011 war er Verteidigungsminister und Minister für militärische Produktion. Da ist der militärisch-industrielle Komplex wieder sichtbar.
Dem Rüstungsbericht der Bundesregierung zufolge kaufte Ägypten in Deutschland im Jahr 2009 Waffen im Wert von 77,5 Millionen Euro. Demnach bezog Ägypten mehr Rüstungsgüter aus deutscher Produktion als jedes andere Entwicklungsland.
Wikipedia berichtet: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Mubaraks Ägypten galten als ungetrübt. Aufgrund seiner strategischen Lage im Nahen Osten war das Land ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungspolitik. Pro Jahr zahlte Berlin im Durchschnitt 64 Millionen Euro. Von den USA erhielt Mubarak 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe pro Jahr sowie Wirtschaftshilfe in Höhe von 700 Millionen Dollar. Das Bruttoinlandsprodukt Ägyptens pro Einwohner und Jahr betrug 2010 1.739 US$, der BRD 2008 40.875 US$.
Muslim-Brüder
Den nachstehenden Bericht habe ich im wesentlichen Zeit-Online entnommen.
Aus Ägypten kommt die Mutterbewegung aller Islamisten. In Sues gründete der Volksschullehrer Hassan al-Banna 1928 die Gamaat al-ichwan al-muslimin, die Muslim-Bruderschaft. Damals eine soziale Bewegung junger ehrgeiziger Bürger, die des krisengeschüttelten Kapitalismus überdrüssig waren und von Erneuerung träumten – mit islamischen Werten. Die Bewegung inspirierte Prediger im Orient und in der ganzen Welt. In den fünfziger und sechziger Jahren entstanden die Filialen der Muslim-Brüder in vielen Ländern des Mittleren Ostens. In Jordanien, Marokko und der Türkei waren sie sogar an Regierungen beteiligt. Das hat sie stark verändert, am besten sichtbar an der Regierung des türkischen Premiers Tayyip Erdogan. Nur in Ägypten blieben sie verboten, in Gefängnissen eingesperrt, vom politischen Wettbewerb ferngehalten. Sie durften keine Partei werden. So wurden sie dem Regime nicht gefährlich und konnten als Schreckgespenst genutzt werden.
Dem Friedensvertrag mit Israel stimmt keiner aus der Bruderschaft zu.
Die Muslim-Brüder nehmen in Ägypten die Funktionen des Sozialamtes wahr und sind in der Krankenversorgung tätig. Die Verteilung der Mittel, die in der gesamten muslimischen Welt gesammelt wurden, fanden in den Moscheen statt. Was Mubarak mit seinen Uniformträgern und seinen us-amerkanischen Freunden (und seiner „alternativlosen“ deutschen Freundin Angela Merkel) nicht fertig bringen wollte, erledigten die im „Westen“ verhaßten Muslim-Brüder. Eine wirklich merkwürdige aber auch bewundernswerte politische Landschaft.
Sekem
Am 26. Januar 2011 berichtete 3sat, daß 50-60% der ägyptischen Bauern auf Demeter umgestellt haben. Wenn diese Nachricht stimmt, dann wäre das eine der erfreulichsten Nachrichten der letzten Jahrzehnte. Meine Möglichkeiten, den Wahrheitsgehalt dieser Nachricht zu überprüfen, sind gering. Ich bitte um die Mithilfe der Leserinnen und Leser.
Ich finde noch einen anderen Satz, der ebenfalls sensationell wäre: Ägypten setzt auf Bio - viele Betriebe halten sich etwa an Demeter-Kriterien.
Die nachstehenden Sätze stammen von den zahlreichen Sekem-Seiten des Internets: "In der Landwirtschaft liegt Ägyptens Zukunft", sagt der Bio-Kontrolleur Yousri Hashem. Ägypten exportiert überwiegend Biogemüse und -obst. "Ob biodynamisch oder konventionell, Vielfalt hat überall auf der Welt ihr Gutes", sagt Hashem, der seit 20 Jahren als Bio-Kontrolleur arbeitet. "Wir brauchen diese Vielfalt von biodynamischer, konventioneller und vor allem nachhaltiger Landwirtschaft, um die Qualität und Quantität unserer Produkte zu steigern und um wettbewerbsfähig zu bleiben." 50 bis 60 Prozent der ägyptischen Bauern haben auf Demeter umgestellt, um ihre Produkte zu vermarkten, so Hashem. "Das garantiert ihnen mehr Geld. Der ökonomische Aspekt steht für sie im Vordergrund. Aber inzwischen glaubt auch fast die Hälfte der Bauern tatsächlich an die Demeter-Kultivierung." Hashem überprüft, ob die Richtlinien für biologisch-dynamischen Landbau eingehalten werden. Nach deutschen Öko-Standards sind weder Pestizide noch Kunstdünger erlaubt. Viele Böden seien früher durch Pestizide verseucht worden, sagt der Bio-Kontrolleur. In der Landwirtschaft habe es ein Umdenken gegeben. Seit 2008 stiegen immer mehr Betriebe vom konventionellen auf den ökologischen Anbau um. Gute Qualität sei ein Muss. Gebe es Rückstände von Pestiziden in ägyptischen Lebensmitteln, richtet es einen Imageschaden an. "Nicht nur für die Farm selbst, sondern auch für uns als Zertifizierungsstelle und für alle Demeter Lebensmittel aus Ägypten", sagt Hashem. Qualitätsmanagement und Kontrollen sollen das verhindern.
Sekem nutzt ein spezielles Bewässerungssystem
Ein großes Problem beim ökologischen Landbau ist es, die trockenen Böden zu bewässern. Ein spezielles Tröpfchensystem soll den Wasserverbrauch so gering wie möglich halten. "Einer der großen Vorteile, die wir hier haben, ist, dass wir weniger Wasser brauchen", sagt Helmy Abouleish von der biodynamischen Unternehmensgruppe Sekem. Er setzt das System auf seinen Feldern ein. "Ägypten lebt trotz des Nils unter der Armutsgrenze, was das Wasser pro Kopf angeht." Bewähre sich das System, sei es auch eine gute Lösung für das ganze Land.
Ibrahim Abouleish
Ibrahim Abouleish, der Gründer vom Sekem, plädierte für die Anwendung der biologischen Landwirtschaft weltweit. 2003 erhielt er den Alternativen Nobelpreis. Bei der Gründung der Firma 1980 zweifelten viele an der Idee, sagt Ibrahims Sohn Helmy Abouleish. Sie dachten, es sei ein Angriff gegen die ägyptische Landwirtschaft und außerdem eine Quelle für Insekten und Krankheiten. "Die ersten Jahre waren äußerst schwierig." Die Idee für Sekem kam Ibrahim Abouleish 1975 bei einer Reise durch Ägypten. "Der schmerzliche Anblick von Massenarmut und Hoffnungslosigkeit hat mich schockiert", erinnert er sich. "Ich wollte nicht klagen und Bücher schreiben, wie die Ägypter mit ihren Problemen fertig werden sollen, sondern selber anpacken und Vorbild sein." Der promovierte Pharmazeut gab nach 20 Jahren Aufenthalt in Deutschland seine Stelle als Leiter einer Forschungsgruppe auf und kehrte in seine Heimat zurück, um "den Menschen durch Lehren zu helfen".
Das Buch >>Sekem; Im Puls der Zukunft. Wie eine Vision Ägypten verändert << von Daniel Baumgartner hatte ich in der Buchliste vor längerer Zeit schon einmal angeboten. Ich wiederhole es. Sie finden das Buch übrigens auch im Internet auf meiner Web-Seite www.neuepolitik.com. Ich biete außerdem das Buch >> Die Sekem-Vision; Eine Begegnung von Orient und Okzident verändert Ägypten << von Ibrahim Abouleish an. Ich kann Ihnen auch CDs und DVDs über Sekem besorgen.
Eine Berichtigung
Im Editorial der Ausgabe Januar/Februar schrieb ich: Vor langer Zeit wurde mir berichtet, daß im 19. Jahrhundert ca. 50 % der ägyptischen Bevölkerung Christen waren. Das stimmt auf keinen Fall. Ein Leser machte mich schon auf die demographischen Fallstricke aufmerksam. Aus den Zahlen meines alten, ererbten Meyers Großer Konversations-Lexikon, Sechste Auflage 1908 geht hervor, daß die Kopten Anfang des 20. Jahrhunderts ca. 7 % der Bevölkerung ausmachten. Ich las in den letzten Wochen jedoch schon zweimal, so auch in dem erwähnten Lexikon, daß die Kopten die unzweifelhaften Nachkommen der alten Ägypter seien, also die Ureinwohner. Vielleicht gibt es unter den Lesern der NEUEN POLITIK kluge Leute, die der Lesergemeinschaft und mir diese Einstufung erläutern können.
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