|
(D.K.) Thomas Mayer, einer der Mitbegründer von MEHR DEMOKRATIE und Christian Gelleri haben einen Vorschlag für ein, wie sie es nennen, umlaufbeschleunigtes und abflussgebremstes Regiogeld ausgearbeitet. Der gesamte Text würde sechs Seiten des Kommentar- und Informationsbriefes beanspruchen. Ich habe nur die ersten zwei Seiten ausgewählt. Sie können den ganzen Text im Internet unter http://www.eurorettung.org lesen. Auf Anforderung drucke ich gerne den gesamten Text aus. Ich habe einiges an diesem Vorschlag auszusetzen. Ich würde meine Bedenken aber gerne in einer Diskussion hervorbringen, schriftlich oder mündlich.
Bislang wird immer wieder diskutiert, Griechenland, Portugal und andere überschuldete Länder der Euro-Zone müßten irgendwann aus dem Euro austreten, da dieser zu hart und strangulierend für diese Länder sei. Der harte Euro passe nicht zur schwachen Wirtschaft der Länder, inländische Leistungen seien zu teuer, weshalb die Länder aus der Rezession, Arbeitslosigkeit und sinkenden Steuereinnahmen nicht heraus kommen könnten. Ein Austritt aus der Euro-Zone verbunden mit der Einführung einer neuen Nationalwährung wie Drachme, Escudo oder irische Pfund würde zu einer starken Abwertung gegenüber dem Euro führen und dadurch vor allem die Lohnkosten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau senken. Gleichzeitig würden aber alle Importe teurer und für Geringverdiener unbezahlbar. Da die Altschulden auf Euro laufen, würden die Schulden im Verhältnis zur Nationalwährung explodieren, und den aus dem Euro ausgetretenen Staaten bliebe nur ein radikaler Schuldenschnitt übrig. Das Vertrauen ausländischer Kreditgeber wäre völlig dahin. Allerdings ist auch heute das Vertrauen nicht mehr sonderlich hoch und nur noch dadurch zu halten, daß bonitätsstärkere Länder eine Garantie übernehmen.
Ein Austritt aus dem Euro samt Staatsbankrott ist durchaus riskant und könnte die Länder wirtschaftlich um Jahrzehnte zurückwerfen. Es gibt zwar erfolgreiche Beispiele wie Argentinien, was sich nach 2002 relativ schnell wieder aufrappeln konnte. Es gibt aber auch zahlreiche andere Beispiele, in denen eine jahrelange Rezession folgte. Zudem könnte der Austritt eines Landes den ganzen Euroraum destabilisieren und weitere Länder in große Schwierigkeiten bringen.
Das eigentliche Hauptproblem ist jedoch, daß die Staaten nichts dazulernen. Sie fangen wieder mit neuen Schulden an und landen nach ein paar Jahrzehnten in der gleichen Schuldenfalle. Griechenland wiederholt diese Prozedur immer wieder. In den letzten 200 Jahren war Griechenland fünfmal pleite. Die Hälfte der Zeit, also 100 Jahre, steckte Griechenland in finanziellen Schwierigkeiten. Andere Staaten sind nicht viel besser. Deutschland war in den letzten 400 Jahren acht Mal pleite, also im Durchschnitt alle 50 Jahre.
Es gibt eine bessere Alternative statt eines Euro-Austritts: Umlaufbeschleunigtes und abflussgebremstes Geld könnte die nationale Wirtschaft zusätzlich antreiben - ohne neue Auslandsschulden und ohne ausländische Zuschüsse. Selbsthilfe und Selbstverantwortung des in Not geratenen Landes stünden im Vordergrund anstatt einer immer größer werdenden Abhängigkeit von außen. Mehr Umsätze würden zu mehr Beschäftigung, weniger Handelsdefizit, weniger Sozialausgaben und mehr Steuereinnahmen führen. Dabei ist die Grundidee: Wenn kein zusätzliches Geld in die Wirtschaft eingeführt werden kann, weil es sofort wieder abfließt durch Importe oder Geldflucht, muß man das vorhandene Geld besser nutzen, das heißt Liquiditätsoptimierung in Ökonomensprache oder Expressgeld in Umgangssprache.
Erhöhung der Inlandsnachfrage durch Umlaufimpuls
Griechenland, Portugal, Spanien und andere Euro-Länder befinden sich in einer negativen Rezessionsspirale. Der Geldstrom hat durch die notwendigen staatlichen Ausgabenkürzungen und die Kaufzurückhaltung der Geldinhaber infolge der Wirtschaftskrise abgenommen. Entsprechend schrumpft der Waren und Dienstleistungsstrom. Infolgedessen müssen Arbeitskräfte entlassen werden und die Steuereinnahmen sinken weiter - eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in diesen Ländern inzwischen bei beängstigenden 40%! Da schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme kaum mehr möglich sind, helfen nur Strukturreformen in Wirtschaft, Verwaltung und eben auch im Geldwesen - hier setzt das Expressgeld an.
Rezession bedeutet, daß weniger investiert und gekauft wird und Rechnungen nur sehr verspätet bezahlt werden. Dadurch kommt der Geldfluß wie bei einem Autobahnstau ins Stocken. Der Ladeninhaber macht weniger Umsatz und kann seine Lieferantenrechnung nicht bezahlen, deshalb kann der Lieferant seine Arbeiter nicht bezahlen, deshalb können die Arbeiter ihre Miete nicht bezahlen, deshalb können die Vermieter ihre Steuern nicht bezahlen, deshalb kann der Staat öffentliche Einrichtungen nicht mehr bezahlen usw.. Wenn man es schafft, daß alle wieder etwas schneller fahren, löst sich der Stau auf.
Deshalb sollten die Staaten . ergänzend zum bestehenden Euro - ein Regiogeld einführen, das mit einem Umlaufimpuls versehen ist. Umlaufimpuls heißt, daß für die Benutzung des Regiogeldes eine Gebühr erhoben wird. Genauso wie man heute für Minusbeträge auf dem Girokonto Zins bezahlt, müßte man dann für liquide Guthaben eine Gebühr entrichten, nicht jedoch für langfristige Spareinlagen.
Verdoppelung des Bruttosozialprodukts bei einer Verdoppelung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
Der Umlaufimpuls treibt alle Privatpersonen, Unternehmen und staatliche Einrichtungen an, schneller ihr liquides Geld auszugeben, um die Zahlung der Gebühr zu vermeiden. Genauso wie man wegen hoher Überziehungszinsen ein Minus auf dem Girokonto zu vermeiden versucht, wird man wegen des Umlaufimpulses ein hohes Guthaben vermeiden wollen. Dadurch steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Wenn innerhalb eines Jahres 10.000,- Euro fünfmal ausgegeben und eingenommen werden, entsteht ein volkswirtschaftlicher Umsatz von 50.000,- Euro.
Verdoppelt sich die Umlaufgeschwindigkeit, entsteht mit dem selben Geld 100.000,- Euro Umsatz, entsprechend mehr Waren und Dienstleistungen werden nachgefragt. Eine Verdoppelung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes - soweit es sich in der Realwirtschaft befindet und entsprechend freie Kapazitäten vorhanden sind - bewirkt eine Verdoppelung des Bruttosozialproduktes!
Wie beim Schwarze-Peter-Spiel will jeder, der ein Guthaben hat, dieses möglichst schnell wieder ausgeben. So wird das Geld den Waren entgegen getrieben. Dieser stabilisierte Geldstrom trägt einen kontinuierlichen Waren- und Dienstleistungsstrom und läßt diesen stetig wachsen bis ein befriedigendes Niveau erreicht und die Arbeitslosigkeit entsprechend gesunken ist.
Durch den Umlaufimpuls wird also die inländische Nachfrage durch eine schnellere und effizientere Nutzung des vorhandenen Geldes erhöht, trotz aller staatlicher Sparmaßnahmen. Bislang versuchte die Zentralbank durch eine Erhöhung der Geldmenge die Wirtschaft anzukurbeln - durch Senkung der Leitzinsen, Bereitstellung von unbegrenzten Zentralbankkrediten an die Geschäftsbanken und Aufkauf von Staatsanleihen. Ein Großteil des Geldes fließt in die Finanzwirtschaft ab und sorgt dort mit einer sehr hohen Geschwindigkeit für Unruhe. In der Realwirtschaft fehlt das Geld nach solchen Maßnahmen bald schon wieder. Das Ziel einer Stabilisierung und Stärkung der Realwirtschaft könnte viel besser durch eine Beschleunigung des Geldflusses erreicht werden.
Stärkung der Inlandsproduktion durch Abflußbremse
Die Beschleunigung des Geldflusses gelingt aber nur, wenn der Geldraum vor übermäßigem Abfluß von Liquidität geschützt wird. Um dem Umlaufimpuls zu entweichen, würden sonst Guthaben einfach in den Euro gewechselt und ins Ausland überwiesen werden. Auch würde sich das Problem übermäßiger Importe weiter verschärfen. Griechenland hatte 2011 ein Handelsdefizit von geschätzt 12,3% des BIPs, Portugal von 9,7% des BIPs. Das Ziel muß eine ausgeglichene Handelsbilanz durch eine Stärkung der Inlandsproduktion und der Nachfrage nach inländischen Produkten sein.
Deshalb ist als Schutzmaßnahme eine Abflußbremse notwendig. Abflußbremse heißt, daß für einen Wechsel von Regio in Euro und Überweisung ins Ausland Zum Beispiel zehn Prozent bezahlt werden muß. So wird sich jeder überlegen, ob er sein Geld nicht doch lieber in Griechenland oder Portugal beläßt, es dort ausgibt oder auf ein örtliches Sparkonto anlegt. Bei Überweisungen aus dem Ausland nach Griechenland oder Portugal fällt keine Gebühr an, denn der Zufluß von Geld ist notwendig und willkommen.
Die Abflußbremse stärkt die regionale Wirtschaft, denn bei der Bezahlung von inländischen Waren fällt diese Gebühr nicht an, jedoch fällt sie bei allen importierten ausländischen Waren an. Die Händler werden die Abflußbremse in die Verkaufspreise einkalkulieren, und damit werden ausländische Waren gegen über im Inland produzierten Waren entsprechend teurer. Das regt die Inlandsproduktion an.
Abflußbremse statt Handelsdefizit
Diese Bevorzugung der griechischen oder portugiesischen Inlandsproduktion ist angesichts der sehr hohen Handelsdefizite dringend notwendig. Diese Länder können erst aus der Schuldenfalle kommen, wenn die Handelsbilanz wieder ausgeglichener ist. Eine negative Handelsbilanz heißt immer, daß sich ein Land im Ausland verschulden muß, damit es die ausländischen Waren einkaufen kann. Hier klaffen die Eurostaaten weit auseinander. Einen Überschuß der Leistungsbilanzsalden in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt hatten 2011 Deutschland mit 5,8%, die Niederlande mit 5,1%, Österreich und Belgien mit 3,2% und Finnland mit 2,8%. Dagegen hatten ein deutliches Minus Griechenland mit -12,3%, Portugal mit .- 9,7%, Spanien mit .- 4,5% und Italien mit -.3,5% (Quelle: EZB, Eurostat, Wirtschaftswoche 31.1.2012). Solche Unterschiede der Handelsbilanzen ohne die Möglichkeit von Wechselkursänderungen sind auf die Dauer Gift und führen zu Überschuldung und finanziellen Spannungen. Negative Handelsbilanzen können ausgeglichen werden durch eine Steigerung der Exporte, durch Transferzahlungen der Überschußländer an die Unterschußländer oder durch die Schrumpfung der Importe - an dieser dritten Stelle setzt die Abflußbremse an.
Die Volkswirtschaften gleichen sich normalerweise durch Änderungen der Wechselkurse, unterschiedliche Zinssätze, Steuersätze, Inflationsraten und Lohnhöhen aus. Durch den gemeinsamen Euroraum wurden diese Regulierungsmechanismen weitgehend außer Kraft gesetzt, ohne jedoch neue Mechanismen bei Ungleichgewichten zu installieren. Dies ist eine Ursache der heutigen Eurokrise. Die Abflußbremse ist ein Mittel, um diesen grundsätzlichen Konstruktionsfehler zu beheben.
Als Argument für einen Austritt Griechenlands oder Portugals aus dem Euro wird angeführt, daß dann die neue Drachme oder der Escudo stark abgewertet und die Exporte billiger, die Importe teurer würden. Dringend notwendige Güter wie Rohstoffe und Öl werden dadurch für die Volkswirtschaft sehr teuer. Belastet werden Unternehmen und die kleinen Leute. Die Abflußbremse bewirkt dagegen eine sehr moderate Verteuerung der Importe. Griechenland oder Portugal könnte gleichzeitig im Eurosystem bleiben und weiterhin die Vorteile einer soliden Währungseinheit nutzen.
Natürlich ist eine Abflußbremse für Exportstaaten negativ, deshalb wird es von bestimmten Interessengruppen Proteste geben, die hier einen Eingriff in den Freihandel sehen und .Protektionismus. rufen. Zum Freihandel gehören jedoch ausgeglichene Handelsbilanzen. Sonst entsteht eine übermäßige Verschuldung, die langfristig in eine Enteignung der Exporteure mündet. Leistungen, die zum Beispiel von Deutschland über Jahrzehnte erbracht wurden, werden über Transferzahlungen, Garantien und letztendlich einem Schuldenschnitt entwertet. Der in der Wirtschaftstheorie gelehrte und in der Politik gelebte Freihandelsbegriff muß gründlich überdacht werden, indem Steuerungsmechanismen zur Handelsbilanz integriert werden, die zu einer weltweiten Balance im Leistungsaustausch führen. Ein verhältnismäßig einfaches Mittel ist die vorgestellte Gebühr auf den Abfluß von Geld.
Geld bleibt im Land
Erst durch eine Abflußbremse werden auch Subventionen und Aufbauhilfen aus dem Ausland fruchtbar. Denn das zugeführte Geld bleibt dann im Land und stärkt die Wirtschaft. Ohne Abflußbremse fließt das zugeführte Geld sofort wieder ab. Dieser Fehler wurde zum Beispiel bei der Wiedervereinigung Deutschlands gemacht: Milliarden an Aufbauhilfen und Sozialausgaben aus Westdeutschland wurden in Ostdeutschland einmal für den Konsum verwendet und flossen sehr bald wieder in den Westen zurück. Nach der Wende wurde Ostdeutschland von Einzelhandelsketten aus dem Westen überzogen, die kaum Produkte aus dem Osten in ihren Regalen hatten. Alteingesessene Firmen verschwanden und hinterließen eine dauerhafte Lücke in der ostdeutschen Wirtschaft mit der Folge dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit. Wenn die Kaufkraft nicht in der Region bleibt, sind Aufbauhilfen wie ein Faß ohne Boden, man kann Milliarden über Milliarden ausgeben, doch diese Kaufkraft verschwindet sehr schnell, ohne daß eine tragfähige Wirtschaftsstruktur entsteht. Eine regionale Wirtschaft mit vielen Klein- und Mittelbetrieben ist aber notwendig, damit eine Region aus eigenen Kräften Wohlstand erzeugen kann und nicht zum dauerhaften Hilfsempfänger wird. |
|